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Unverhofftes Wiedersehen.

1 dicbstahl gelesen? 80,000 Thalcr in Casscnanweisungc» von
V. nach C. sind auf unerklärliche Weise entwendet, man ver-
folgt den Thätcr, der sich in Hamburg aufhaltcn soll!" Zustus
Lerche wurde verlegen, ihm verging aller Muth, jetzt fiel'S ihm
erst ei», daß er in G. die Gcldladc nicht verschlossen hatte, er
wußte nicht, was er antworten sollte, zumal des Fremden Beneh-
men der Art war, als wenn er ihn selbst für den Dieb halte.
Endlich gewann er Worte und im Bewußtsein seiner Unschuld
fragte er unwillig: „Mein Herr, was soll Ihre Aenßerung?".

„Haben Sie einen Paß?" entgegnctc ruhig der Fremde,
„hier in Hamburg ist dies eine Lebensfrage; doch seien Sic
unbesorgt, eine Dame und ein Herr erwarten Sie; indeß fol-
gen Sic mir schnell aus dem Pavillon, ohne Paß sind Sie
hier nicht sicher." Mit dieser Erklärung verließ er das Zim-
mer. — Zustus gehorchte mit klopfendem Herzen, er sah die 1
Nothwcndigkcit ein, und indem er all' seine Unbesonnenheit gar
schmerzlich bereute, folgte er den raschen Schritten seines Füh-
rers nach dem Elbstrom. Der Fremde bat ihn, das zunächst
gelegene Dampfschiff zu besteigen, welches in fünf Minuten ab-
gehc, reichte ihm einen zusammcngcrolltcn Papicrstrcifcn und
wandcrtc der Stadt zu.

Ohne zu wissen, wohin cS seine Fahrt richte, hatte der
Lieutenant daS ihm bezcichncte Schiff bestiegen, wollte bezahlen,
doch cs hieß: „Alles bereits in Ordnung!" Bei dieser Nach-
richt faßte Julius neuen Muth; eö übcrkam ihn neue Hoff-
nung ; sollte Frau von Güldcnhelm, seine üble Lage berücksich-
tigend, ihn nun in den Stand gesetzt haben, auf das Sicherste
an seinen Stationöort zu gelangen? Vielleicht könnte der Zettel
ihn ausklärcn, schnell entfaltete er ihn, und las die mit Blei-
stift geschriebene» Worte: „Ergeben Sic Sich i» Ihr Schicksal,
Sic haben Sich verdächtig gemacht, und müssen in Sicherheit
gebracht werde»! Laars von Oertenjelm."

„Barmherziger Himmel, wohin führt man mich!" rief der
seiner Sinne kaum mehr mächtige und abermals getäuschte Post-
Candidat aus, als er den Zettel gelesen und das schnaubende
Dampfschiff aus offener See sah. „O, du unglücklicher Lerche,
du bist und bleibst ein Pechvogel! Bin ich denn plötzlich, nach-
dem ich acht Jahre friedliche Posten erpcdirt habe, aus dein
Postdcpartemcnt in die Marine versetzt worden, um hier die
Probefahrten zu studircn, oder will man mich sogar in einen
fremden Welttheil führen?" Doch der Capitän beruhigte ihn
freundlich mit den Worten: „Bald sehen wir Land, und Sic
können dann immerhin zu ihrem friedlichen Posten zurückkeh-
rcn!" Justus mußte sich in sein Schicksal ergeben; fticg hinab
in die Cajüte und lehnte sich mißmnthig auf ein Sophapolster; '
da er die vorige Nacht wenig geschlummert hatte, verfiel er
bald in einen kräftigen Schlaf, der ziemlich lange gewährt
haben mußte, den» als er erwachte, stand das Dampfschiff sM.
Er vernahm ein Poltern, ein Stoßen und Drängen über sich,
Freudenrusc erschallen, man rief nach dem Gepäck und dem
Bote. Der Lieutenant merkte, daß man an's Land stieg. —
Bald trat der Capitän zu ihm: „Hier ist Kiel," sagte er, „am
Lande hält ein Wagen, um Sic in Ihre neue Hcimath zu
führen."

Der Lieutenant wußte kaum, wie ihm geschah; er begriff
den Sinn der Worte nicht. Da zeigte sich ihm ein leuchten-
der Stern in der Person der Frau von Güldcnhelm, welche
am Ufer auf ihn wartete, ihn wieder liebreich anblicktc und
fragte: „ob er ihr vergeben wolle?" Man stieg in den bereit
stehenden Wagen. JustuS Lerche, der Vielgeprüfte, vergaß an
der Seite der geliebten Frau all' seine Leiden und glaubte in
ihren LicbcSblicken die Bestätigung seines längst ersehnten Glückes
zu finden. Welch' eine Freude übcrkam den Glücklichen, alö
Louise mit schelmischem Lächeln erzählte, wie seine ganze Reise
und die in den letzten Tagen erlittenen Kränkungen der Oheim
veranlaßt habe. Denn als sie nach vielfachen Bemühungen
endlich erfahren, daß Justus in G. auf dem dortigen Grcnz-
Postamtc für die Hoffnung aus dcreinstigc Anstellung im Post-
sache sich abmühcn müsse, habe sie dem guten Alten keine Ruhe
gelassen, den Geliebten ihrer Jugend auö seinem Joche zu be-
freien. Diese Bitte hätte der Oheim unter der. Bedingung
erfüllt, daß sie sich Justus erst wieder zeigen solle, um dann
abzuwarten, ob er ihr freiwillig folgen würde, und ob die vor
sicbcnundzwanzig Jahren von ihm geäußerten Wünsche und
Hoffnungen noch dieselben wären und er ihrer ganz würdig sei.
Auf einen fremden Paß und Namen habe sic diese Reise un-
ternommen! Auch hätte der launige Oheim eö sich auSbcdun-
gcn, ihren Geliebten ein wenig necken zu dürfen, um selbst zu
prüfen, ob er wirklich so langmüthig und geduldig wäre, wie
sic ihn immer geschildert habe. — Gegen ihren Willen hätte
sic sich der drolligen Laune des Alten fügen müssen, so schwer
cs ihr auch geworden sei, namentlich bei dem crncnctcn Geständ-
nisse seiner Liebe.

Doch er habe diese Geduldprobc glücklich überstandc»,
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Unverhofftes Wiedersehen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Muttenthaler, Anton
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Liebespaar <Motiv>
Karikatur
Garten <Motiv>
Onkel <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Empfang <Motiv>
Liebesbeweis

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 28.1858, Nr. 673, S. 163
 
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