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Orgel oder
Feuerspritze.
Nation oder eines Volkes bildet, so hat auch die Geographie
hievon Notiz zu nehmen. Künftighin wird aus den europäischen
Karten nicht mehr der Rhein, der ja deutsch verbleiben muß, oder
ein anderes Bächlein oder Flüßlein die Grenzscheidc der Völker sein,
sondern blos Sprache nnd Nationalität, was mit einem Fluß
oder Bächlein gar nichts zu thun hat. Es ist da blos von
wegen dem Elsaß, Lothringen und Schleswig-Holstein. Er und
Andere, die noch geschcidter sein wollen als Er, haben ja immer
von den „natürlichen Grenzen" gesprochen. Nun, Sprache
und Nationalität kennen keine Grenzen — die nicht zu über-
schreiten wären, um so mehr, da ja bei Köln eine Prachtbrückc
gebaut wurde und bei Kehl eben eine gebaut wird, um das
Elsaß mehr mit Deutschland zu vereinigen, denn die „Grenze"
ist doch erst da zu suchen, wo eine andere Sprache und Na-
tionalität beginnt und wenn dieselbe auch nur mit einem
Strohwisch bezeichnet werden müßte, so bildet sie eben doch
— die natürliche Grenze. Sapienti sat!
Die Rechtswissenschaft, von den Deutschen auch jus
oder Jurisprudenz genannt, ist die Wissenschaft von dem, was
recht sein sollte. Bis jetzt cristirt dieselbe blos im eoclex
Justinianeus im „gemeinen Recht" — wohl zu unterscheiden
vom allgemeinen — im codex Napoleon und im „deut-
schen und römischen Recht", obwohl bekannt ist, daß weder
das deutsche noch das römische Volk — Recht habe oder ein
solches auch nur kennt. An Deutschland gibt cs noch viele
Rechte, während cs in Frankreich nur noch ein Recht „vollen-
deter Thatsachcn" gibt. In England und Nordamerika
hat jeder das Recht sich hänge» zu lassen und in Frankreich
nach Cayenne geschickt zu werden. In Kurhessen gibt es gar
kein Recht und selbst der Hassenpfug findet keines mehr. Von
Rechtswegen hätten die Schleswig-Holsteiner das größte Recht,
aber sic wissen nicht, wo cs zu finden ist, obgleich sie cs schon
lange gesucht haben. Ferner gibt cs noch ein Naturrecht,
wahrscheinlich, weil cs von Natur aus keine Rechte gibt. Im
Mittelalter gab cs auch ein Faustrccht, heutzutage braucht
man aber das nicht mehr, weil Jedermann — eine Faust im Sack
machen darf. Staats- und Kirche »recht liegen einander
schon seit Olimszcitcn in den Haaren, etwa wie „die feindlichen
Brüder" Ormudz und Ahriman, das gute und das böse Prin-
zip. — Seit Goethe das bedeutungsvolle Wort:
„Es erbe» sich Gesetz und Rechte wie eine ewige Krankheit fort re."
gesprochen hat, hat sich seither wenig zum Besseren verändert,
cs wird aber schon »och kommen, wenn das goldene Zeitalter
kommt und Wahrheit, Recht und Gerechtigkeit die Erde
beherrschen werden.
i
Welche von beiden man zuerst anschaffcn solle, darüber ward in einem schwäbischen Dorfe von der Bürgerschaft lauge
h'n und her gestritten. Die Einen sagten: „Die Feuerspritze ist am nöthigstcn, wcnn's brennt, mit was will man löschen?
Orgel oder
Feuerspritze.
Nation oder eines Volkes bildet, so hat auch die Geographie
hievon Notiz zu nehmen. Künftighin wird aus den europäischen
Karten nicht mehr der Rhein, der ja deutsch verbleiben muß, oder
ein anderes Bächlein oder Flüßlein die Grenzscheidc der Völker sein,
sondern blos Sprache nnd Nationalität, was mit einem Fluß
oder Bächlein gar nichts zu thun hat. Es ist da blos von
wegen dem Elsaß, Lothringen und Schleswig-Holstein. Er und
Andere, die noch geschcidter sein wollen als Er, haben ja immer
von den „natürlichen Grenzen" gesprochen. Nun, Sprache
und Nationalität kennen keine Grenzen — die nicht zu über-
schreiten wären, um so mehr, da ja bei Köln eine Prachtbrückc
gebaut wurde und bei Kehl eben eine gebaut wird, um das
Elsaß mehr mit Deutschland zu vereinigen, denn die „Grenze"
ist doch erst da zu suchen, wo eine andere Sprache und Na-
tionalität beginnt und wenn dieselbe auch nur mit einem
Strohwisch bezeichnet werden müßte, so bildet sie eben doch
— die natürliche Grenze. Sapienti sat!
Die Rechtswissenschaft, von den Deutschen auch jus
oder Jurisprudenz genannt, ist die Wissenschaft von dem, was
recht sein sollte. Bis jetzt cristirt dieselbe blos im eoclex
Justinianeus im „gemeinen Recht" — wohl zu unterscheiden
vom allgemeinen — im codex Napoleon und im „deut-
schen und römischen Recht", obwohl bekannt ist, daß weder
das deutsche noch das römische Volk — Recht habe oder ein
solches auch nur kennt. An Deutschland gibt cs noch viele
Rechte, während cs in Frankreich nur noch ein Recht „vollen-
deter Thatsachcn" gibt. In England und Nordamerika
hat jeder das Recht sich hänge» zu lassen und in Frankreich
nach Cayenne geschickt zu werden. In Kurhessen gibt es gar
kein Recht und selbst der Hassenpfug findet keines mehr. Von
Rechtswegen hätten die Schleswig-Holsteiner das größte Recht,
aber sic wissen nicht, wo cs zu finden ist, obgleich sie cs schon
lange gesucht haben. Ferner gibt cs noch ein Naturrecht,
wahrscheinlich, weil cs von Natur aus keine Rechte gibt. Im
Mittelalter gab cs auch ein Faustrccht, heutzutage braucht
man aber das nicht mehr, weil Jedermann — eine Faust im Sack
machen darf. Staats- und Kirche »recht liegen einander
schon seit Olimszcitcn in den Haaren, etwa wie „die feindlichen
Brüder" Ormudz und Ahriman, das gute und das böse Prin-
zip. — Seit Goethe das bedeutungsvolle Wort:
„Es erbe» sich Gesetz und Rechte wie eine ewige Krankheit fort re."
gesprochen hat, hat sich seither wenig zum Besseren verändert,
cs wird aber schon »och kommen, wenn das goldene Zeitalter
kommt und Wahrheit, Recht und Gerechtigkeit die Erde
beherrschen werden.
i
Welche von beiden man zuerst anschaffcn solle, darüber ward in einem schwäbischen Dorfe von der Bürgerschaft lauge
h'n und her gestritten. Die Einen sagten: „Die Feuerspritze ist am nöthigstcn, wcnn's brennt, mit was will man löschen?
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Vorlesungen des berühmten Dr. Schnabelwitz über Länder- und Völkerkunde, und moderne Naturwissenschaft" "Orgel oder Feuerspritze"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 32.1860, Nr. 772, S. 127
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg