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Aus zwei Jahrhunderten.
„2 Himmel, welche Seligkeit! Nun ich stand doch auf dem
Boden, den sein Fuß geweiht hat, der seinem Sccptcr gehorcht.
Und jetzt seit drei Wochen bin ich wieder in diesem
langweiligen Neste, in diesem alltäglichen Prosaguano des
Lebens. Du glaubst nicht was Einem drei solche Strolche
wie meine Buben sind Leben und Geist verbittern. Schon
daß ich kein Mädchen habe, hat mir die ganze Geschichte mit
den Kindern entleidet. Wie schön hatte ich mirs geträumt
in einem Mädchen mein Jvcal cineö weiblichen Wesens her-
anzuzichcn! Statt dessen drei solcher Bubcnlümmel auf-
zuzichen, von denen keiner den Werth seiner Mutter auch
nur zu begreifen weiß, wie überhaupt Niemand in meinem
Kreise, nein Das ist eine Tartaruöarbeit. Zwei sind — dem
Himmel scis gedankt schon in Pension; freilich muß
für Amanduö im nächsten Quartal schon ein anderes Quar-
tier gesucht werden. Der Schlingel hat gestohlen, sind zwar
nur zehn Gulden gewesen, aber man muß daö Renommee
wahren. Sludircn sollen sie natürlich alle drei, wenngleich
ihre Lehrer behaupten wollen der Sinn für das Lernen müsse
bei den zwei ältern erst noch erwachen. Der Kleine scheint
jedenfalls Etwas von meiner poetischen Ader geerbt zu haben.
Ich hatte wohl davon eine gotterfüllte Ahnung als ich ihin
Schillcr'S und Göthe'S Taufnamen geben ließ. Was mich
aber am meisten beruhigt, ist daö hohe Freihcitsgcfühl, das
ich allen drei von ihren ersten Lebenstagcn an, cingc-
impft habe.
Fürstcnknecht wird gewiß keiner von ihnen, denn von
Fügsamkeit und Gehorsam nehme ich seit Jahren schon das
Gegentheil wahr. Selbst der Vater ist nimmer mit ihnen
Frtig geworden. Jetzt sind sie so untergebracht, daß ihnen
der Gimmel vergeht. Aber was die Burschen Geld kosten,
Das ist nicht an den Himmel zu malen, sic könnten Einen
ganz splitternackt ausziehcn, wenn man der Narr wäre wie
manche einfältige Eltern und sichö auch so sauer werden
ließe um der jungen Schlingel willen. Das ist ja die ver-
kehrte Welt, wenn die Alten sich den Jungen zu lieb was
versagen, diese sollen für die Eltern Opfer bringen. WaS
haben aber die meinigen bis jetzt für unS g'ethan, daß ich
ihnen Etwas schuldig wäre? Natürlich muß aber die Pen-
sion bezahlt sein und deßhalb möchte ich, liebste Tante, ge-
radezu Deinen Beutel in Anspruch nehmen mit ein paar
hundert Gulden.
Wir haben ja zu allem hin auch im Stall Unglück
gehabt, das bessere Pferd ist heilloser Weise crcpirt. Mein
Mann will jetzt kein zweites mehr anschaffen und einspännig
fahren. Himmel du Welt, wie könnte ich's ertragen, daß
die Oberförstcrin, dieser Hochmuthstrampel, mit ihren zwei
Schimmeln meinem Einspänner vorführe! Ich kriegte daö
Gallcnficbcr.
Die Mama ist seit sechs Wochen auch nicht mehr vor-
handen, cs war bei ihrer Leiche ein großer Lebtag unter dem
gemeinen Volk; mit dem hatte sic sich freilich immer aus
guten Fuß gestellt, weil sie selbst etwas Gemeines hatte. Ich
muß jetzt eine weitere dienstbare Person in's Hauö nehmen
und habe doch an meinen zwei Drachen schon übrig genug.
Denke auch, süßeste Tante, auf die Wintcrtoiletke für
mich, ich bin damit ganz auf dem Hund.
Deine herzinnigste
Lucia.
(Schluß folgt.)
Rebus.
(Auflösung in nächster Nummer.)
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Aus zwei Jahrhunderten.
„2 Himmel, welche Seligkeit! Nun ich stand doch auf dem
Boden, den sein Fuß geweiht hat, der seinem Sccptcr gehorcht.
Und jetzt seit drei Wochen bin ich wieder in diesem
langweiligen Neste, in diesem alltäglichen Prosaguano des
Lebens. Du glaubst nicht was Einem drei solche Strolche
wie meine Buben sind Leben und Geist verbittern. Schon
daß ich kein Mädchen habe, hat mir die ganze Geschichte mit
den Kindern entleidet. Wie schön hatte ich mirs geträumt
in einem Mädchen mein Jvcal cineö weiblichen Wesens her-
anzuzichcn! Statt dessen drei solcher Bubcnlümmel auf-
zuzichen, von denen keiner den Werth seiner Mutter auch
nur zu begreifen weiß, wie überhaupt Niemand in meinem
Kreise, nein Das ist eine Tartaruöarbeit. Zwei sind — dem
Himmel scis gedankt schon in Pension; freilich muß
für Amanduö im nächsten Quartal schon ein anderes Quar-
tier gesucht werden. Der Schlingel hat gestohlen, sind zwar
nur zehn Gulden gewesen, aber man muß daö Renommee
wahren. Sludircn sollen sie natürlich alle drei, wenngleich
ihre Lehrer behaupten wollen der Sinn für das Lernen müsse
bei den zwei ältern erst noch erwachen. Der Kleine scheint
jedenfalls Etwas von meiner poetischen Ader geerbt zu haben.
Ich hatte wohl davon eine gotterfüllte Ahnung als ich ihin
Schillcr'S und Göthe'S Taufnamen geben ließ. Was mich
aber am meisten beruhigt, ist daö hohe Freihcitsgcfühl, das
ich allen drei von ihren ersten Lebenstagcn an, cingc-
impft habe.
Fürstcnknecht wird gewiß keiner von ihnen, denn von
Fügsamkeit und Gehorsam nehme ich seit Jahren schon das
Gegentheil wahr. Selbst der Vater ist nimmer mit ihnen
Frtig geworden. Jetzt sind sie so untergebracht, daß ihnen
der Gimmel vergeht. Aber was die Burschen Geld kosten,
Das ist nicht an den Himmel zu malen, sic könnten Einen
ganz splitternackt ausziehcn, wenn man der Narr wäre wie
manche einfältige Eltern und sichö auch so sauer werden
ließe um der jungen Schlingel willen. Das ist ja die ver-
kehrte Welt, wenn die Alten sich den Jungen zu lieb was
versagen, diese sollen für die Eltern Opfer bringen. WaS
haben aber die meinigen bis jetzt für unS g'ethan, daß ich
ihnen Etwas schuldig wäre? Natürlich muß aber die Pen-
sion bezahlt sein und deßhalb möchte ich, liebste Tante, ge-
radezu Deinen Beutel in Anspruch nehmen mit ein paar
hundert Gulden.
Wir haben ja zu allem hin auch im Stall Unglück
gehabt, das bessere Pferd ist heilloser Weise crcpirt. Mein
Mann will jetzt kein zweites mehr anschaffen und einspännig
fahren. Himmel du Welt, wie könnte ich's ertragen, daß
die Oberförstcrin, dieser Hochmuthstrampel, mit ihren zwei
Schimmeln meinem Einspänner vorführe! Ich kriegte daö
Gallcnficbcr.
Die Mama ist seit sechs Wochen auch nicht mehr vor-
handen, cs war bei ihrer Leiche ein großer Lebtag unter dem
gemeinen Volk; mit dem hatte sic sich freilich immer aus
guten Fuß gestellt, weil sie selbst etwas Gemeines hatte. Ich
muß jetzt eine weitere dienstbare Person in's Hauö nehmen
und habe doch an meinen zwei Drachen schon übrig genug.
Denke auch, süßeste Tante, auf die Wintcrtoiletke für
mich, ich bin damit ganz auf dem Hund.
Deine herzinnigste
Lucia.
(Schluß folgt.)
Rebus.
(Auflösung in nächster Nummer.)
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Aus zwei Jahrhunderten" "Rebus"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 47.1867, Nr. 1169, S. 179
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg