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Garde-Rekruten.

„Majestät dürften in Allerhöchst Dero Garderegiment kaum
ähnliche Soldaten finden," lautete die Erwiderung. „Der Jüngste
hat seine vollen sieben Fuß und mürbe einen prächtigen Flügel-
mann abgeben!"

„Was Er sagt, Plaskow!" sprach der König mit freudig
erregtem Antlitz. „Und die anderen Beiden?"

„Tauglich zum ersten Glicde, Majestät! Beide herrlich
gewachsen!"

Die eben empfangene Mittheilung schien dem Könige ge-
waltig im Kopfe herum zu gehen. Er machte nochmals einige
Promenaden durch's Zimmer und sprach dann erregt: »Höre
Er, Plaskow, wenn die Kerle so sind, wie Er sagt, so müssen
Wir sie haben!"

„Aber ich sehe nur überall nicht ein, wie dies nach den
Mittheilnngen, welche ich Ew. Majestät so eben unterthänigst
zu unterbreiten mir erlaubte, zu bewerkstelligen sein sollte?
wandte der Hauptmann ein.

„Seine Sache! Er ist ja sonst eben nicht auf ben Kopf
gefallen, und so wird Er auch ivohl diese Angelegenheit arran-
gircn könne». Sehe Er zu, das; Er die Kerle siir meine Pots-
damer Garde acqnirirt und führe Er sie mir dann vor."

„Majestät, wie sollte ich das ermöglichen?" sragtc der
Hauptmann, von der Leidenschaft des Königs für die Garde-
Rekruten in spe eben nicht sehr erbaut.

„Höre Er zu, Plaskow," entgegnete der König nach
einigem Nachdenken. „Ich will Ihm Seine Instruktionen er-
theilen. Bei der Nähe der Grenze werden die besagten Kerle
doch wohl einmal auch auf diesseitiges Gebiet kommen. Um
eine solche Gelegenheit abzuwarten, geht Er mit unbestimmtem
Urlaub nach Seinem Bruder und zwar mit offener Ordre an
meine Befehlshaber, Ihm für Seine Zwecke die uöthigen mili-
tärischen Kräfte zur Verfügung zu stellen. Er greift die drei
Kerle aus, schasst sic direkt hierher nach Berlin und sind sie
erst einmal hier, sehen die Stadt, das bewegte Leben in der-
selben, die stolzen Regimenter meiner Truppen, dann werden sie,
gebe Er nur Acht, mit Stolz und Freude freiwillig in meine
Potsdamer Garde eintreten. Und wollen sic dies denn durchaus
nichts sie wollen aber, verlasse Er sich darauf — so lassen
nur sie wieder laufen, das versteht sich von selbst. Gezwungen
merben sollen die Kerle natürlich unter keinen Umstünden."

vcrr von Plaskow zog ob dieser zweiten Commission, die
ibm uni vieles gefährlicher als die erste schien, ein sehr bedcnk-
lichc-.- Gesicht aus, wagte aber doch nicht, mit irgend einem
Vor- oder Einwande hcrvorzutreteu, indem er seinen König ge-
nugsam kannte.

Bereit-.' am folgenden Morgen empfing er seine Papiere
und trat die zweite Reise nach dem Gute seines Bruders an.
lluch dieser erschrack über den königlichen Auftrag und wusste
seinem Bruder für den Augenblick keinen anderen und besseren
Rath zu geben, als vorläufig nichts Direktes in der Angelegen-
heit zu thun, vielmehr Alles nur der Zeit und den Umständen
zu überlassen. Dicsc schienen auch schon bald die Absichten des
Hauptmanns befördern zu wollen.

Wenige Wochen nach dem Eintreffen des Herrn von Plas-

kow auf dem Gute seines Bruders sollte nämlich im brandcn-
burgischen Torfe Moorfeld die Verhcirathung einer nahen Ver-
wandten der Braut des Jochen Hartung mit einer großen Hoch-
zeitsfeierlichkeit stattfinden. Hierzu mußte natürlich auch der alte
Hartung mit seiner Familie eingeladen werden, und er konnte
nicht umhin, die Einladung für sich, seine Frau und seine Söhne
anzunchmen. Das den Letzteren erthcilte Verbot der lieber*
schreitung der Grenze hatte er schon längst zurückgenommen, da
der angebliche Spion nichts wieder von' sich hatte sehen und
hören lassen und auch sonst keine Wahrnehmungen gemacht
waren, welche größere Vorsicht erscheinen ließen.

Die Kunde von der Hochzeit, und daß fast die ganze
Umgegend und auch der „dicke Jost" mit seinen Jungen daran
Theil nehmen würde, drang auch bald zu den Ohren des Haupt-
manns und da ihm eine solche Gelegenheit in jeder Hinsicht
günstig schien, seinen Zweck zu erreichen, so beschloß er auch,
sie nicht ungenützt vorübergehen zu lassen. Von der nächsten
Garnison ward ein Unteroffizier mit 15 Mann reguirirt, die
sich in der Nacht vor dem Hochzeitstage im Kruge zu Moor-
fcld, in welchem die Feierlichkeiten stattfandcn, verbergen und von
Herrn von Plaskow weitere Ordre bezüglich ihres Verhaltens em-
pfangen sollten. Alles schien sich für die Zwecke des Haupt-
manns günstig gestalten zu wollen. Die Leute langten rechtzeitig
an und dem Krugwirth zu Moorfcld ward auf's Strengste cin-
geschärst, auch nicht das Geringste von der Einquartirung laut
werden zu lassen. Dennoch sollte die Sache nicht verschwiegen
bleiben. Die Braut des Jochen Hartung besuchte in der Frühe
des Hochzeitstages die Tochter des Wirths, mit welcher sie
befreundet war, und diese thcilte ihr, natürlich unter dem
Siegel der tiefsten Verschwiegenheit, sofort mit, daß Einquar-
tirung im Kruge liege, die sich jedoch vor den Leuten gcheini
halten müsse. Was das wohl zu bedeuten haben möge?

Bei dieser Mitthcilung stand dem braven Mädchen sofort
das vor Augen, was seit bei • Besuche des angeblichen Vieh-
händlers in der Familie ihres Bräutigams bereits mehrfach zur
Sprache gekommen: gewaltsame Werbung!

Das Mädchen besann sich nicht lange. Sie nahm sofort
von der Freundin Abschied und lief spornstreichs nach dem
zwei Stunden Weges entfernten Dorfe Windhagen, um der
Hartung'schen Familie die Nachricht von dem, was sie ver-
nommen, zu überbringen. Sie traf den alten Hartung daheim
und theilte ihm fliegenden Athems alles mit.

„Das hast Du gut gemacht, mir das zu melden, meine
Tochter", sprach der dicke Jost und klopfte seine zukünftige
Schwiegertochter wohlgefällig auf die Schulter. „Das hast ;
Du gut gemacht. Jetzt mußt Du aber geschwind wieder nach
Hause gehen und Dich so anstellen, als wenn Du von nichts
etwas wüßtest. Das klebrige wollen wir dann schon machen.
Adjes, Mädchen,. Jochen will ich einen Gruß von Dir bestellen.
Er ist noch auf dem Felde."

(Schluß folgt.)
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