PETER KÖNIGFELD/ROLF-JÜRGEN GROTE
auch die Aufmerksamkeit der breiteren Öffentlich-
keit auf die dringend erforderliche Instandsetzung
des Gotteshauses, die diesmal nach denkmalpflege-
rischen Gesichtspunkten erfolgen sollte.149-) —
Mußte es doch „jedem Kunstsinnigen als eine For-
derung unserer in architectonischer Beziehung auf
das Alte und Bewährte zurückgreifenden Zeit er-
scheinen, das ehrwürdige Baudenkmal nun auch
nach den hergestellten alten Mustern in künstleri-
scher Weise zu restaurieren.“150-)
Am 9. Mai 1884 legte Kreisbaumeister Müller ein
detailliertes Gutachten zu einer umfassenden bau-
lichen und denkmalpflegerischen Grundinstand-
setzung der Marienkirche vor.151) Darin wurde
unter anderem auch die Rückgewinnung der alten
Farbigkeit des Kircheninterieurs gefordert. Müller
gab zu bedenken, daß „eine nochmalige Übertün-
110 chung der alten Farben und Vergoldungen, der Re-
liefbildnisse des Hochaltars und der Kanzel, der
Intarsien des Chorgestühls und der Täfelungen der
Bänke in den Seitenschiffen sicher die gänzliche
Vernichtung des ursprünglichen Kirchenschmucks
bedeuten würde. “152)
Um die Raumschale entsprechend in Farbe zu
setzen, waren an vorbereitenden Maurer- und
Steinmetzarbeiten u. a. erforderlich:153) „ — Innere
Wandfläche nebst Chor, der Pfeiler und der Vor-
halle des Fürstlichen Grabgewölbes abzubürsten
und nach Bedarf auszufugen — Gewölbeflächen
der Kirche nebst Chor und der bezeichneten Vor-
halle, nach Bedarf den losen Putz abzunehmen und
die betr. Flächen neu mit Kalk und Gipsmörtel zu
verputzen, auch das Holzgewölbe des nördlichen
Seitenschiffes vorher neu zu berohren; in Rück-
sicht darauf, daß über die Hälfte der sämmtlichen
Putzflächen zu erneuern sein wird ... — Für die nö-
thigen Reparaturen an den Kapitälern pp. der Pfei-
ler, an den Gurten und Rosetten der Gewölbe
« 154)
u. s. w. . . . — ’
Recht umfangreich auch die vorgesehenen Ma-
lerarbeiten:155-1 Für die Neuvermalung der noch
nicht renovirten Stühle im Chore bzw. Reinigung
der vorderen Täfelungen derselben von der alten
Ölfarbe — Für eine gleiche Renovirung der Stühle
unter den Emporen — Für die Neuvermalung der
Säulen, der Unterschaalungen, der Brüstungen und
des Gestühls der südlichen und nördlichen (unteren)
Empore und der zugehörigen Treppen — Außen-
flächen der Brüstung der südlichen Empore in der
alten, wieder auf gefundenen Weise herzustellen —
6 Pfeiler-Kapitäle in der alten wieder aufgefunde-
nen Weise mit reicher Vergoldung und Ausmalung
mit Temperafarben wieder herzustellen — Flächen
der Consolen und Bogenanfänger in derselben
Weise wiederherzustellen — dito der Eckpfeiler-
Capitäle im Chore — Für dergleichen Wiederher-
stellung der 850 Ifdm Gurtbogen u. Rippen, sowie
der Rosetten u. Pfeilergurte — Wand- und Gewöl-
beflächen mit Leim resp. Wachsfarbe zu vermalen
(die Wandflächen sind bis auf 8,5 m Höhe über
dem Fußboden mit Wachsfarbe zu malen) ,..“156)
Archivrecherchen begleiteten die Restaurierung.
Mehrfach wird erwähnt, daß zu Studienzwecken
farbig angelegte Zeichnungen wichtiger Architek-
tur- und Ausstattungsdetails zu Rate gezogen wur-
den.1571 Zur Bemusterung der genauen Farbwerte
wurden großflächige Probefelder in der Marien-
kirche angesetzt: „Die graue Farbentünche der
Stühle auf dem hohen Chore, der Kanzel und des
Hochaltars ist, soviel zunächst angängig, entfernt
und die Reparatur der vorgefundenen Schäden be-
gonnen. Um für die Gesamt-Vermalung der Kirche
eine endgültige Bestimmung zu treffen, sind
Probe-Vermalungen eines Theils des Nordgewöl-
bes, einer Fenster-Einfassung und eines Pfeilers
nach Anleitung und Maßgabe der vorgefundenen
alten Vermalung vorgenommen.“158-)
— Allerdings: Oft mußte „da, wo die Spuren der
alten Farben bzw. die Nachrichten darüber im
Stich ließen, so verfahren werden, daß erst probe-
weise in der einen oder anderen Art und zwar nicht
nur in der Farbenwahl sondern auch in der Aus-
dehnung des Schmucks vorgegangen wurde, um
schließlich das Richtige zu treffen und die richtige
Harmonie zu erzielen. Maßgebend konnten hier
nur schließlich die Gesichtspunkte des Ge-
schmacks und der Schönheit sein.. ,“159)
Die Restaurierungs- und Rekonstruktionsmaß-
nahmen im Innern des Gotteshauses galten nicht
nur einer Rückgewinnung des Farbkleides seiner
Raumschale, sondern waren weit umfassender, da
sie auch die Ausstattungsgegenstände in ein ganz-
heitliches Raumkonzept einzubinden versuch-
ten, 160-) wobei manches erneuert, vor allem aber das
Raumgefüge störende spätere Zutaten entfernt
wurden.161) So unter anderem neben der Zurück-
verlegung der Orgelempore „die Beseitigung der
die Architektur in hohem Grade beeinträchtigen-
den und dabei unnöthigen Prieche des nördlichen
Schiffes, die Auswechslung des ursprünglich nicht
vorhanden gewesenen, sehr unschönen Gestühls
im Mittelschiffe gegen Bänke und die angemessene
Erneuerung des zur Zeit aus alten Denksteinen und
zerbrochenen Platten bestehenden Fußbodenbe-
lags. Bei den bereits beschafften Renovationsarbei-
ten hat es sich herausgestellt, daß der Boden der
Kirche ursprünglich zum Theil mit Marmorplatten
belegt gewesen. Von der Erneuerung eines solchen
Belags ist natürlich abgesehen und dafür ein Flie-
senbelag resp. ein Terrazzo-Estrich veranschlagt
worden.“162-1
Neben dem Altar waren die Kanzel und der Or- 135
gelprospekt ein Schwerpunkt der restauratorischen
Bemühungen. — Beide Ausstattungsteile befinden
sich gegenwärtig übrigens noch in Restaurierung.
132
auch die Aufmerksamkeit der breiteren Öffentlich-
keit auf die dringend erforderliche Instandsetzung
des Gotteshauses, die diesmal nach denkmalpflege-
rischen Gesichtspunkten erfolgen sollte.149-) —
Mußte es doch „jedem Kunstsinnigen als eine For-
derung unserer in architectonischer Beziehung auf
das Alte und Bewährte zurückgreifenden Zeit er-
scheinen, das ehrwürdige Baudenkmal nun auch
nach den hergestellten alten Mustern in künstleri-
scher Weise zu restaurieren.“150-)
Am 9. Mai 1884 legte Kreisbaumeister Müller ein
detailliertes Gutachten zu einer umfassenden bau-
lichen und denkmalpflegerischen Grundinstand-
setzung der Marienkirche vor.151) Darin wurde
unter anderem auch die Rückgewinnung der alten
Farbigkeit des Kircheninterieurs gefordert. Müller
gab zu bedenken, daß „eine nochmalige Übertün-
110 chung der alten Farben und Vergoldungen, der Re-
liefbildnisse des Hochaltars und der Kanzel, der
Intarsien des Chorgestühls und der Täfelungen der
Bänke in den Seitenschiffen sicher die gänzliche
Vernichtung des ursprünglichen Kirchenschmucks
bedeuten würde. “152)
Um die Raumschale entsprechend in Farbe zu
setzen, waren an vorbereitenden Maurer- und
Steinmetzarbeiten u. a. erforderlich:153) „ — Innere
Wandfläche nebst Chor, der Pfeiler und der Vor-
halle des Fürstlichen Grabgewölbes abzubürsten
und nach Bedarf auszufugen — Gewölbeflächen
der Kirche nebst Chor und der bezeichneten Vor-
halle, nach Bedarf den losen Putz abzunehmen und
die betr. Flächen neu mit Kalk und Gipsmörtel zu
verputzen, auch das Holzgewölbe des nördlichen
Seitenschiffes vorher neu zu berohren; in Rück-
sicht darauf, daß über die Hälfte der sämmtlichen
Putzflächen zu erneuern sein wird ... — Für die nö-
thigen Reparaturen an den Kapitälern pp. der Pfei-
ler, an den Gurten und Rosetten der Gewölbe
« 154)
u. s. w. . . . — ’
Recht umfangreich auch die vorgesehenen Ma-
lerarbeiten:155-1 Für die Neuvermalung der noch
nicht renovirten Stühle im Chore bzw. Reinigung
der vorderen Täfelungen derselben von der alten
Ölfarbe — Für eine gleiche Renovirung der Stühle
unter den Emporen — Für die Neuvermalung der
Säulen, der Unterschaalungen, der Brüstungen und
des Gestühls der südlichen und nördlichen (unteren)
Empore und der zugehörigen Treppen — Außen-
flächen der Brüstung der südlichen Empore in der
alten, wieder auf gefundenen Weise herzustellen —
6 Pfeiler-Kapitäle in der alten wieder aufgefunde-
nen Weise mit reicher Vergoldung und Ausmalung
mit Temperafarben wieder herzustellen — Flächen
der Consolen und Bogenanfänger in derselben
Weise wiederherzustellen — dito der Eckpfeiler-
Capitäle im Chore — Für dergleichen Wiederher-
stellung der 850 Ifdm Gurtbogen u. Rippen, sowie
der Rosetten u. Pfeilergurte — Wand- und Gewöl-
beflächen mit Leim resp. Wachsfarbe zu vermalen
(die Wandflächen sind bis auf 8,5 m Höhe über
dem Fußboden mit Wachsfarbe zu malen) ,..“156)
Archivrecherchen begleiteten die Restaurierung.
Mehrfach wird erwähnt, daß zu Studienzwecken
farbig angelegte Zeichnungen wichtiger Architek-
tur- und Ausstattungsdetails zu Rate gezogen wur-
den.1571 Zur Bemusterung der genauen Farbwerte
wurden großflächige Probefelder in der Marien-
kirche angesetzt: „Die graue Farbentünche der
Stühle auf dem hohen Chore, der Kanzel und des
Hochaltars ist, soviel zunächst angängig, entfernt
und die Reparatur der vorgefundenen Schäden be-
gonnen. Um für die Gesamt-Vermalung der Kirche
eine endgültige Bestimmung zu treffen, sind
Probe-Vermalungen eines Theils des Nordgewöl-
bes, einer Fenster-Einfassung und eines Pfeilers
nach Anleitung und Maßgabe der vorgefundenen
alten Vermalung vorgenommen.“158-)
— Allerdings: Oft mußte „da, wo die Spuren der
alten Farben bzw. die Nachrichten darüber im
Stich ließen, so verfahren werden, daß erst probe-
weise in der einen oder anderen Art und zwar nicht
nur in der Farbenwahl sondern auch in der Aus-
dehnung des Schmucks vorgegangen wurde, um
schließlich das Richtige zu treffen und die richtige
Harmonie zu erzielen. Maßgebend konnten hier
nur schließlich die Gesichtspunkte des Ge-
schmacks und der Schönheit sein.. ,“159)
Die Restaurierungs- und Rekonstruktionsmaß-
nahmen im Innern des Gotteshauses galten nicht
nur einer Rückgewinnung des Farbkleides seiner
Raumschale, sondern waren weit umfassender, da
sie auch die Ausstattungsgegenstände in ein ganz-
heitliches Raumkonzept einzubinden versuch-
ten, 160-) wobei manches erneuert, vor allem aber das
Raumgefüge störende spätere Zutaten entfernt
wurden.161) So unter anderem neben der Zurück-
verlegung der Orgelempore „die Beseitigung der
die Architektur in hohem Grade beeinträchtigen-
den und dabei unnöthigen Prieche des nördlichen
Schiffes, die Auswechslung des ursprünglich nicht
vorhanden gewesenen, sehr unschönen Gestühls
im Mittelschiffe gegen Bänke und die angemessene
Erneuerung des zur Zeit aus alten Denksteinen und
zerbrochenen Platten bestehenden Fußbodenbe-
lags. Bei den bereits beschafften Renovationsarbei-
ten hat es sich herausgestellt, daß der Boden der
Kirche ursprünglich zum Theil mit Marmorplatten
belegt gewesen. Von der Erneuerung eines solchen
Belags ist natürlich abgesehen und dafür ein Flie-
senbelag resp. ein Terrazzo-Estrich veranschlagt
worden.“162-1
Neben dem Altar waren die Kanzel und der Or- 135
gelprospekt ein Schwerpunkt der restauratorischen
Bemühungen. — Beide Ausstattungsteile befinden
sich gegenwärtig übrigens noch in Restaurierung.
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