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Die Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 4: Hameln: Verlag C.W. Niemeyer, 1987

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HERMANN OERTEL

Christus und die 12 Apostel
Die Propheten weissagten das Kommen Christi,
die Apostel trugen die Botschaft Christi in die Welt
hinaus.
Die Gemeinschaft der Apostel mit Christus,
nicht identisch mit der Tischgemeinschaft beim
letzten Jüngermahl, gehört zu den ältesten Themen


162 Apostel Simon, um 1620 von Christoph Gertner (?).

der christlichen Kunst. Die Darstellung der Apo-
stelgemeinschaft in der Domitilla-Katakombe zu
Rom (4. Jh.), gruppiert die 12 Apostel ohne indivi-
duelle Charakterisierung um Christus in der Mitte.
Die Entwicklung ging dahin, daß jeder Apostel zu
seiner Kennzeichnung ein Attribut erhielt. Nach
den Legenden, die aber in ihren Angaben nicht
immer übereinstimmen, so daß die Attribute wech-
seln, starben außer Johannes alle Apostel den Mär-
tyrertod: Petrus am Kreuz, Andreas am Gabel-
kreuz, Jakobus d.Alt. durch das Schwert, Philip-
pus am Kreuz, Bartholomäus durch Abziehen der
Haut, Matthäus durch das Schwert, Thomas durch
das Schwert oder die Lanze, Jakobus d.Jg. durch
ein Gerät der Tuchwalker, die sog. Walkerstange,
Simon Zelotes durch die Säge, Judas Thaddäus 162
durch die Keule oder Hellebarde und Matthias, den 163
die Jünger für Judas Ischarioth gewählt hatten,
durch das Beil. Das Attribut der einzelnen Apostel
war in der Mehrzahl die Waffe oder das Werkzeug
ihres Martyriums. Petrus wurde meist als Schlüs-
selgewaltiger, Jakobus d.Alt. als Pilger mit Pilger-
stab und Pilgerhut in Anspielung auf die Wallfahrt
der Gläubigen zu seinem Grab im spanischen
Compostela dargestellt. Thomas hält oft ein Win-
kelmaß, da er Baumeister am indischen Hof gewe-
sen sein soll. Johannes schlägt auf den meisten Bil-
dern das Kreuz über dem Giftbecher, und das Gift
entweicht in Gestalt einer Schlange.
Eine weitere Bereicherung der Darstellung der
Apostelgemeinschaft geht auf pseudoaugustinische
Predigten bzw. auf eine Legende aus dem 7,/8. Jh.
zurück.5’ Die Legende berichtet, daß die Apostel,
als sie voneinander Abschied nahmen und in die
Welt hinauszogen, das apostolische Glaubensbe-
kenntnis gesprochen haben, und zwar so, daß jeder
einen Teil beitrug. Diese Legende führte in der bil-
denden Kunst zu einer Verbindung der Apostel-
gemeinschaft mit dem Credo. Jedem Apostel
wurde sein Credoanteil mitgegeben, wobei die
Credoverse nicht in jedem Fall den gleichen
Aposteln zugeordnet wurden.
Die Darstellung der Apostelgemeinschaft mit
Christus ist im niederdeutschen Raum für das
Hochmittelalter hervorragend belegt: ohne Credo
an den Chorschranken der Liebfrauenkirche in
Halberstadt, mit Credo an dem Eilbertusaltar,
einem Teil'des Weifenschatzes. Auch im Helmars-
hausener Evangeliar für Heinrich den Löwen ver-
kündet jeder Apostel auf einem Spruchband seinen
Credoanteil. Im Spätmittelalter ist es besonders der
Holzschnitt, der dieses Thema aufgreift. Eine der
letzten vorreformatorischen Apostelserien im
Holzschnitt stammt von Lukas Cranach d. Alt. (14
Blatt: Christus, 12 Apostel, Paulus; ohne Credo;
um 1510/15).
In der protestantischen Kunst behielt das Thema
„Apostelgemeinschaft mit Christus“ seine volle

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