GESCHICHTE DER RENOVIERUNG
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schiff gemauerte Gewölbe, außer den Gurtbögen,
zur Erleichterung des Baues durch hölzerne er-
setzt.5' Doch schon 1740 wieder wird von einer
Unterfangung der Nordmauer durch ein neues
Pfahlrost, mit Schlingwerk aus Eichenholz und
großen Quadern sowie von einer Erneuerung des
hölzernen Gewölbes zu dem Schülerchor im Nor-
den berichtet.7' Eine ungewollte Freilegung im
Jahre 1981 bei den Vorbereitungsarbeiten zum
Einbau der neuen Heizungsanlage im nordwestli-
chen Seitenschiff hat die vollkommen unversehrte
Holzsubstanz des Pfahlrostes gezeigt.8' Bei dem
Fund überraschte die sorgfältige zimmermannsmä-
ßige Verarbeitung der Eichenholzprofile. Möglich
wurde dieser Erhaltungszustand durch die ausrei-
chende Tiefe und die bis zum heutigen Tag stattfin-
dende Umspülung mit Grundwasser.
Bleibt zu hoffen, daß menschliche Eingriffe in
den Grundwasserhaushalt des Stadtgebietes heute
und zukünftig nicht geschehen werden, um Ge-
bäude wie diesem nicht wieder schweren Schaden
zuzufügen.
1751 konnten das Notdach über dem Turm-
mauerwerk abgenommen und der jetzige Turm-
helm aufgesetzt werden. Die Spitze des geschweif-
ten Helms mit Bekrönung, die Uhrgiebel nach den
vier Windrichtungen und die hohe achteckige La-
terne schließen sich Motiven der holländischen
Baukunst an. Freilich konnte dieser Turmabschluß
unter Herzog Carl I. (dessen Initiale C die im Jahre
1962 erneuerte Wetterfahne mit dem Weifenroß
ziert) nur in vereinfachter Form verwirklicht wer-
den, aber „so erhielt der Glockenturm die Wirkung
einer schönen Krone für die ganze Stadt“.9' Das zu-
sätzliche Gewicht des neuen Turmhelms auf dem
ohnehin massigen Mauerwerk und mögliche wei-
tere Veränderungen im Grundwasserhaushalt lie-
ßen den Turm in den folgenden Jahrzehnten etwa
30 cm in das Erdreich sinken. Das Ausmaß der Set-
zungen läßt sich noch heute am Verlauf der Ge-
simse an der Westfassade erkennen. Am südwest-
lichen Eckstrebepfeiler müssen hierbei große Schä-
den entstanden sein, die im Jahre 1791 den Abriß
und den Neubau dieses Bauteils erforderten.
Den Beleg für die erste Erneuerung des südwest-
lichen Eckstrebepfeilers entdeckte man am 8. 4.
1980, als eine zweite Totalerneuerung des Pfeilers
durch die Entstehung eines Treibminerals unum-
gänglich wurde.
Doch nach Fertigstellung des Strebepfeilers 1791
war das äußere Erscheinungsbild der Kirche immer
noch nicht vollkommen. Es fehlte der Ziergiebel
des südlichen Querhauses. Bereits bei den weiteren
Ausbauarbeiten in den vierziger Jahren des 17.
Jahrhunderts hatten die Kirchenvorsteher Herzog
August den Jüngeren ersucht, diesen sogenannten
großen Giebel fertigzustellen. Herzog August ging
darauf nicht ein; „ob wegen mangelnder Geldmit-
201 Inschrift in der waagerechten Fläche eines Quaders inner-
halb des südwestlichen Eckstrebepfeilers.
tel, oder weil man weitere Senkungen des Gebäu-
des fürchtete, bleibt zweifelhaft“.5'
Erst während der großen Instandsetzung und
Restaurierung in den achtziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts wurde dieser Giebel nach dem Vor- 37
bild der älteren Zwerchhausformen aufgesetzt. Die
Planung und Bauleitung lag in den Händen von
Baurat Johann Karl Ernst Wiehe (1842 — 1894), der
zugleich Mitglied der Herzoglichen Baudirektion
und des Herzoglichen Consistoriums war.
Nach den Berichten in den Akten des Herzog-
lichen Consistoriums begannen 1877 Reparaturen
am Außenmauerwerk der Ost-, Nord- und West-
seite. Ab 1882 wurden diese Instandsetzungen
fortgesetzt und auf die beschädigten Gesimsteile
sowie den Dachstuhl ausgedehnt. 1884/85 erfolg-
ten weitere Ausbesserungen am Außenmauerwerk.
Als Ursache der Schäden werden Senkungen und
Verwitterungen genannt sowie frühere notdürftige
Flickereien. Am Holzwerk des Turmdaches muß-
ten Sparrenauswechslungen und Erneuerungen der
Bogenschiffter vorgenommen werden. Risse wur-
den in den Gewölben und den nördlichen Gurten
festgestellt. In den Bauakten wird der Abbruch der
zweigeschossigen Empore im nördlichen Seiten-
schiff erwähnt. Hier befand sich ursprünglich der
erste Emporeneinbau aus dem Jahre 1625, der aller-
dings wesentlich von der Konzeption Paul Fran- 20
ckes abwich, da er losgelöst von der Orgelprieche
und wesentlich niedriger als diese angelegt war.
Jene sogenannte lange Mannsprieche wird als
künstlerisch besonders hervorragend und kostbar
beschrieben. Sie muß 1740 beseitigt und durch
zwei „kahle unschöne Priechen“ ersetzt worden
sein.5' + 6' In Anlehnung an die Ausmaße der über-
lieferten Südprieche entstand 1889 die jetzige
Nordempore.
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schiff gemauerte Gewölbe, außer den Gurtbögen,
zur Erleichterung des Baues durch hölzerne er-
setzt.5' Doch schon 1740 wieder wird von einer
Unterfangung der Nordmauer durch ein neues
Pfahlrost, mit Schlingwerk aus Eichenholz und
großen Quadern sowie von einer Erneuerung des
hölzernen Gewölbes zu dem Schülerchor im Nor-
den berichtet.7' Eine ungewollte Freilegung im
Jahre 1981 bei den Vorbereitungsarbeiten zum
Einbau der neuen Heizungsanlage im nordwestli-
chen Seitenschiff hat die vollkommen unversehrte
Holzsubstanz des Pfahlrostes gezeigt.8' Bei dem
Fund überraschte die sorgfältige zimmermannsmä-
ßige Verarbeitung der Eichenholzprofile. Möglich
wurde dieser Erhaltungszustand durch die ausrei-
chende Tiefe und die bis zum heutigen Tag stattfin-
dende Umspülung mit Grundwasser.
Bleibt zu hoffen, daß menschliche Eingriffe in
den Grundwasserhaushalt des Stadtgebietes heute
und zukünftig nicht geschehen werden, um Ge-
bäude wie diesem nicht wieder schweren Schaden
zuzufügen.
1751 konnten das Notdach über dem Turm-
mauerwerk abgenommen und der jetzige Turm-
helm aufgesetzt werden. Die Spitze des geschweif-
ten Helms mit Bekrönung, die Uhrgiebel nach den
vier Windrichtungen und die hohe achteckige La-
terne schließen sich Motiven der holländischen
Baukunst an. Freilich konnte dieser Turmabschluß
unter Herzog Carl I. (dessen Initiale C die im Jahre
1962 erneuerte Wetterfahne mit dem Weifenroß
ziert) nur in vereinfachter Form verwirklicht wer-
den, aber „so erhielt der Glockenturm die Wirkung
einer schönen Krone für die ganze Stadt“.9' Das zu-
sätzliche Gewicht des neuen Turmhelms auf dem
ohnehin massigen Mauerwerk und mögliche wei-
tere Veränderungen im Grundwasserhaushalt lie-
ßen den Turm in den folgenden Jahrzehnten etwa
30 cm in das Erdreich sinken. Das Ausmaß der Set-
zungen läßt sich noch heute am Verlauf der Ge-
simse an der Westfassade erkennen. Am südwest-
lichen Eckstrebepfeiler müssen hierbei große Schä-
den entstanden sein, die im Jahre 1791 den Abriß
und den Neubau dieses Bauteils erforderten.
Den Beleg für die erste Erneuerung des südwest-
lichen Eckstrebepfeilers entdeckte man am 8. 4.
1980, als eine zweite Totalerneuerung des Pfeilers
durch die Entstehung eines Treibminerals unum-
gänglich wurde.
Doch nach Fertigstellung des Strebepfeilers 1791
war das äußere Erscheinungsbild der Kirche immer
noch nicht vollkommen. Es fehlte der Ziergiebel
des südlichen Querhauses. Bereits bei den weiteren
Ausbauarbeiten in den vierziger Jahren des 17.
Jahrhunderts hatten die Kirchenvorsteher Herzog
August den Jüngeren ersucht, diesen sogenannten
großen Giebel fertigzustellen. Herzog August ging
darauf nicht ein; „ob wegen mangelnder Geldmit-
201 Inschrift in der waagerechten Fläche eines Quaders inner-
halb des südwestlichen Eckstrebepfeilers.
tel, oder weil man weitere Senkungen des Gebäu-
des fürchtete, bleibt zweifelhaft“.5'
Erst während der großen Instandsetzung und
Restaurierung in den achtziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts wurde dieser Giebel nach dem Vor- 37
bild der älteren Zwerchhausformen aufgesetzt. Die
Planung und Bauleitung lag in den Händen von
Baurat Johann Karl Ernst Wiehe (1842 — 1894), der
zugleich Mitglied der Herzoglichen Baudirektion
und des Herzoglichen Consistoriums war.
Nach den Berichten in den Akten des Herzog-
lichen Consistoriums begannen 1877 Reparaturen
am Außenmauerwerk der Ost-, Nord- und West-
seite. Ab 1882 wurden diese Instandsetzungen
fortgesetzt und auf die beschädigten Gesimsteile
sowie den Dachstuhl ausgedehnt. 1884/85 erfolg-
ten weitere Ausbesserungen am Außenmauerwerk.
Als Ursache der Schäden werden Senkungen und
Verwitterungen genannt sowie frühere notdürftige
Flickereien. Am Holzwerk des Turmdaches muß-
ten Sparrenauswechslungen und Erneuerungen der
Bogenschiffter vorgenommen werden. Risse wur-
den in den Gewölben und den nördlichen Gurten
festgestellt. In den Bauakten wird der Abbruch der
zweigeschossigen Empore im nördlichen Seiten-
schiff erwähnt. Hier befand sich ursprünglich der
erste Emporeneinbau aus dem Jahre 1625, der aller-
dings wesentlich von der Konzeption Paul Fran- 20
ckes abwich, da er losgelöst von der Orgelprieche
und wesentlich niedriger als diese angelegt war.
Jene sogenannte lange Mannsprieche wird als
künstlerisch besonders hervorragend und kostbar
beschrieben. Sie muß 1740 beseitigt und durch
zwei „kahle unschöne Priechen“ ersetzt worden
sein.5' + 6' In Anlehnung an die Ausmaße der über-
lieferten Südprieche entstand 1889 die jetzige
Nordempore.
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