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Nováček, Jan; Scheelen-Nováček, Kristina; Schultz, Michael; Bjørnstad, Gro; Steskal, Martin; Österreichische Akademie der Wissenschaften / Verlag [Editor]; Österreichisches Archäologisches Institut [Contr.]
Das Grabhaus 1/08 in der Hafennekropole von Ephesos: Ergebnisse der anthropologischen und paläopathologischen Untersuchung kaiserzeitlich-spätantiker Kollektivgräber — Forschungen in Ephesos, Band 16,1: Wien: Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2020

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.53060#0008
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VORWORT DER GRABUNGSLEITUNG
Eine umfassende Erforschung römisch-spätantiker Nekropolen in Kleinasien war lange ein De-
siderat, und Ephesos bildete dabei keine Ausnahme. Dem jahrzehntelangen Stillstand steht nun
eine Dynamik gegenüber, die sich in den letzten Jahren entwickelt hat und aus der zahlreiche For-
schungsprojekte und internationale Netzwerke resultieren. Die zunehmende Beschäftigung mit
Nekropolen ist einerseits einer sich verändernden Perspektive in der Klassischen Archäologie ge-
schuldet, nämlich Städte weniger als Konglomerat von Architektur, sondern vielmehr als Raum
menschlichen Handelns zu verstehen. Umgelegt auf die Nekropolen bedeutet dies, die Aufmerk-
samkeit von den Grabbauten, Sarkophagen und Beigaben hin zu einem Verständnis für Friedhöfe
als Orte sozialer Interaktion und Begegnungszone zwischen Leben und Tod zu lenken. Andererseits
ermöglichen ein integrativer osteologisch-archäologischer Forschungsansatz und die damit einher-
gehende Anwendung naturwissenschaftlicher Analyseverfahren, weitreichende Informationen zu
individuellen Biografien anhand menschlicher Überreste, seien es Skelettbestattungen oder Lei-
chenbrand, zu gewinnen.
Die Nekropolen von Ephesos prägen noch heute das Erscheinungsbild der Ruinenstätte. Weithin
sieht man die Grabhäuser am Nordabhang des Bülbüldag und erkennt Felsabarbeitungen an den
Hängen des Panayirdag, während die entlang der Straßen gelegenen Grabzeilen von Sedimenten
bedeckt und daher nicht mehr zu erkennen sind. Der Grad an Beraubung, die bereits in der Antike
einsetzte, ist groß, nur selten werden ungestörte Gräber entdeckt. Dass dies Martin Steskal im Verlauf
eines vom FWF-geförderten Forschungsprojekts gelungen ist, ist kein Zufall, sondern Resultat einer
großflächigen Analyse sämtlicher ephesischer Nekropolen. Auf Basis der daraus gewonnenen Daten
wurde ein konkretes Grabungsareal in der Hafennekropole identifiziert, in dem mit hoher Wahr-
scheinlichkeit ungestörte Befunde erwartet werden durften. Prospektionsdaten ließen auf ein Grab-
haus mit mehreren Grablegen schließen, was schließlich durch die Ausgrabungen bestätigt wurde.
Der exzeptionelle archäologische Befund und die hohe Anzahl an Skeletten gaben den Aus-
schlag, die anthropologischen Ergebnisse separat vorzulegen, auch um den Biografien der im
Grabhaus 1/08 der Hafennekropole Bestatteten umfassend Raum zu geben. Durch diese Vor-
gangsweise wird der Versuch unternommen, das Individuum in den Mittelpunkt zu stellen und
in Rahmenbedingungen wie Demografie, Ernährung, Krankheitsbilder, aber auch Herkunft und
familiäre Verbindungen einzubetten. Im Zentrum steht ein paläopathologischer Zugang, bei dem
jedes einzelne Skelett einer genauen Analyse unterzogen wird. Die Vorlage sämtlicher Daten und
die Diskussion jedes Individuums ermöglichen nicht nur Nachvollziehbarkeit und Vergleichbar-
keit, sondern bieten auch die Basis für weitergehende Studien. Die anthropologisch-archäologische
Vorlage von Grabhaus 1/08 der Hafennekropole in der Reihe »Forschungen in Ephesos« weicht
von der derzeit in der osteologischen Forschung gehandhabten Praxis des kompakten Papers ab,
versteht sich aber nicht als Gegenentwurf, sondern vielmehr als komplementäre Notwendigkeit.
Als Grabungsleiterin danke ich in erster Linie Martin Steskal, der als Projektleiter und Heraus-
geber dieses Bandes die Arbeiten von der ersten Prospektion bis zur letzten Manuskriptkorrektur
koordiniert hat. Den Autorinnen und Autoren sei für ihr Engagement und die Geduld während
des herausfordernden Begutachtungsprozesses gedankt: Neues zu wagen, bedeutet immer auch
auf Widerstand zu stoßen!
Dem Publikationskomitee der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sei für das große
Vertrauen gedankt, dem Verlag für die sorgfältige Druckbegleitung. Das zügige Erscheinen des
Bandes wäre ohne das Engagement von Barbara Beck-Brandt und Andrea Sulzgruber nicht mög-
lich gewesen, auch dafür ein herzliches Dankeschön.
Nicht zuletzt danke ich den Grundbesitzern in Selguk, die archäologische Forschungen außer-
halb des geschützten Grabungsareals erst ermöglichten, sowie den türkischen Behörden, die uns
die notwendigen Genehmigungen erteilten. Dass die Hafennekropole heute Weltkulturerbe ersten
Grades ist, ist unser gemeinsamer Verdienst!
Sabine Ladstätter
Wien, 20 Juli 2020
 
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