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Nováček, Jan; Scheelen-Nováček, Kristina; Schultz, Michael; Bjørnstad, Gro; Steskal, Martin; Österreichische Akademie der Wissenschaften / Verlag [Hrsg.]; Österreichisches Archäologisches Institut [Mitarb.]
Das Grabhaus 1/08 in der Hafennekropole von Ephesos: Ergebnisse der anthropologischen und paläopathologischen Untersuchung kaiserzeitlich-spätantiker Kollektivgräber — Forschungen in Ephesos, Band 16,1: Wien: Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53060#0022
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3.6 Paläopathologische Untersuchung

21

Die Regressionsgleichungen der häufig verwendeten Formeln nach Trotter und Gleser (1952;
1977)18 basieren auf Langknochenmaßen von Skeletten der Terry Collection.
Für die vorliegende Untersuchung wurden mehrere Methoden für die Körperhöhenbestim-
mung verwendet. Der Zusammensetzung der untersuchten Population dürften die Methoden nach
Olivier et al. (1978) und Pearson (1899) am ehesten entsprechen, da sie auf nicht oder wenig von
der säkularen Akzeleration betroffenen Individuen basieren. Die Formel nach Trotter und Gleser
(1952; 1977) ist bekanntermaßen für die rezente griechische Bevölkerung gut geeignet (Eliakis -
Eliakis - lordanidis 1966; Rösing 1988), basiert jedoch auf bereits säkular akzelerierten Indivi-
duen. Für die Individuen, bei denen skelettmorphologisch oder paläogenetisch eine afrikanische
Herkunft südlich der Sahara naheliegt19, wurde der Datensatz »Negroe« verwendet. Die Untersu-
chungen nach Sjovold 1990 sind für alle Populationen anwendbar und unabhängig von geogra-
fischer Herkunft und Geschlecht. Die Berechnung nach Breitinger (1937) und Bach (1965) wird
lediglich zu Vergleichszwecken mit anderen Populationen verwendet. Nach Möglichkeit wurden
kombinierte Regressionsformeln von Knochen der unteren und oberen Extremitäten verwendet.
Standen nicht alle benötigten Knochen zur Verfügung, wurden bevorzugt die Langknochen der
unteren Extremitäten herangezogen, da diese bekanntlich am besten mit der tatsächlichen Körper-
größe korrelieren (Eliakis - Eliakis - lordanidis 1966; Olivier et al. 1978).
3.5 MORPHOLOGISCHE UND METRISCHE UNTERSUCHUNG
Für die metrische Auswertung wurden ausschließlich die Langknochenmessungen zur Körperhö-
henbestimmung berücksichtigt. Die teilweise unvollständigen und zumeist zusammengesetzten
Skelette ermöglichten in den meisten Fällen keine systematische Auswertung von Robustizitäts-
indices20. Die meisten Schädel waren unvollständig oder sichtlich postmortal deformiert, sodass
Messungen nur teilweise möglich waren. Bei den vollständigen oder zumindest teilweise mess-
baren und wenig deformierten Schädeln wurden die Messstrecken entsprechend den Standards
nach Martin - Salier (1957) gewählt.
3.6 PALÄOPATHOLOGISCHE UNTERSUCHUNG
Die Untersuchung pathologischer Veränderungen beginnt mit der sorgfältigen makroskopischen
Betrachtung der Knochen und Knochenfragmente mithilfe einer Lupe und eines binokularen
Mikroskops. Die Untersuchung beschränkt sich nicht nur auf die Begutachtung der Oberfläche
der Fragmente, an denen in der Regel die meisten pathologischen Veränderungen zu finden sind
(Neubildungen, Deformation etc.), sondern es werden auch die inneren Knochenoberflächen
(Markraum), die Spongiosa wie auch die Compacta/Corticalis, untersucht. Da ein pathologischer
Prozess jeden einzelnen Knochen des Körpers betreffen kann, ist eine Untersuchung sämtlicher
Knochenfragmente des Skelettes notwendig. Dieser Prozess ist sehr zeitaufwendig, er liefert
jedoch einen Großteil der Informationen, um das Bild des Individuums zu vervollständigen. Bei
der Zielsetzung, eine >Biografie< des Menschen zu erstellen21, ist diese Art von Untersuchung
unabdingbar.
Die paläopathologische Untersuchung der Skelette aus dem Grabhaus 1/08 erfolgte in zwei
Phasen in der Türkei und in Deutschland. Die vollständige makroskopische und lupenmikrosko-
pische Untersuchung wurde im österreichischen Grabungshaus in Selguk vorgenommen. Dabei
wurden alle vorliegenden Knochen und Knochenelemente begutachtet, Auffälligkeiten aufge-
nommen, dokumentiert und bereits teilweise interpretiert. Die Strukturen, die eine weiterführen-
de Untersuchung erforderten, wie Röntgenaufnahmen oder Lichtmikroskopie, wurden beprobt

18 Datensätze für die Gruppen »Whites« und »Negroes«.
19 Vgl. Kap. 5.2.1 und Kap. 6.
20 Vgl. Kreutz - Verhoff 2002.
21 Vgl. Schultz 2011; Noväcek - Scheelen 2015; Noväcek - Scheelen - Schultz 2017.
 
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