Metadaten

Nováček, Jan; Scheelen-Nováček, Kristina; Schultz, Michael; Bjørnstad, Gro; Steskal, Martin; Österreichische Akademie der Wissenschaften / Verlag [Hrsg.]; Österreichisches Archäologisches Institut [Mitarb.]
Das Grabhaus 1/08 in der Hafennekropole von Ephesos: Ergebnisse der anthropologischen und paläopathologischen Untersuchung kaiserzeitlich-spätantiker Kollektivgräber — Forschungen in Ephesos, Band 16,1: Wien: Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53060#0215
Lizenz: Creative Commons - Namensnennung

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
214

7 Fazit und Ausblick

verstärkt zu Wurmerkrankungen sowie dem Befall mit weiteren Darmparasiten geführt haben
dürften275. Zudem begünstigte der von Schwemmland und Marschen umgebene Standort sicher
die Verbreitung der in der Region noch bis in das 20. Jahrhundert häufigen Malaria.
Auch die beobachteten Spuren verheilter Brüche, aber auch Muskelsehnenzerrungen und
degenerativ-proliferativer Veränderungen der Körpergelenke und der Wirbelsäule fallen im Popu-
lationsvergleich hoch aus. Die oft unterschiedliche Verteilung nicht nur zwischen den Individuen
aus den einzelnen Gräbern, sondern auch zwischen den Geschlechtern belegt, dass sich die alltäg-
lichen Beschäftigungsmuster von Männern und Frauen teils deutlich voneinander unterschieden.
Männliche Individuen aus dem Grabhaus waren hinsichtlich ihres Tätigkeitsprofils körperlich
offenbar stärker beansprucht als weibliche. Häufige Frakturen im Bereich der Mittelfußknochen
könnten auf wiederholt übermäßig hohe Laufleistungen (>Marschfraktur<) der Menschen hinwei-
sen. Verheilte Brüche der Rippen, vor allem aber der Langknochen der unteren Extremitäten,
entstanden wohl im Rahmen schwerer Unfälle, wie etwa Stürzen aus größerer Höhe oder auch
Verkehrsunfällen in den belebten Straßen der Stadt. Die Tatsache, dass selbst komplizierte Ober-
schenkelfrakturen offenbar professionell versorgt und gerichtet wurden, belegt eindrucksvoll
die für ihre Zeit bekanntlich herausragenden medizinischen Kenntnisse der ephesischen Ärzte.
Inwieweit die vorliegenden Untersuchungsergebnisse der menschlichen Überreste aus Grab-
haus 1/08 der Hafennekropole tatsächlich repräsentativ für die kaiserzeitliche und spätantike
Bevölkerung von Ephesos sind, kann nicht beantwortet werden. Die Stichprobe von 169 gut
erhaltenen und umfassend untersuchten Individuen aus einem in sich geschlossenen Grabkom-
plex gehört zum jetzigen Zeitpunkt wohl zu den repräsentativsten und besterforschtesten Ske-
lettserien aus dem entsprechenden zeitlichen und geografischen Kontext. Dennoch handelt es
sich lediglich um einen kleinen Ausschnitt der Bevölkerung einer bestimmten sozialen Schicht
oder eines Haushalts im weiteren Sinne, die zu dieser Zeit in der Stadt lebte. Dies belegen auch
die immer wieder festgestellten Unterschiede hinsichtlich der Krankheitsbelastung zwischen
den Individuen aus den fünf unterschiedlichen Gräbern. Der Vergleich mit den Ergebnissen
weiterer anthropologischer Untersuchungen von unterschiedlichen Fundplätzen aus dem benach-
barten geografischen Raum ist aufgrund der stark variierenden methodologischen Standards
nicht uneingeschränkt möglich. Insgesamt zeichnen sich jedoch Varianzen sowohl hinsichtlich
der zeitlichen Entwicklung als auch des Habitats - beispielsweise städtisches oder ländliches
Umfeld - ab. Für das bessere Verständnis und die zumindest teilweise Klärung der sich hier eröff-
nenden Fragestellungen ist für die Zukunft ein breit gefächerter, diachroner Vergleich mit ähnlich
detaillierten Untersuchungsergebnissen weiterer Skelettserien sowohl aus Ephesos als auch der
angrenzenden Region wünschenswert. Die vorliegenden umfassenden Untersuchungsergebnisse
der Individuen aus Grabhaus 1/08 der Hafennekropole können diesbezüglich als Basis dienen.
In ihrer Aussagekraft über die Lebensbedingungen der in diesem Grabhaus bestatteten Bürger
der Metropole Ephesos stellen sie heute bereits eine erhebliche Erweiterung des Wissensstands
über die kaiserzeitliche und spätantike Stadt sowie ihre Bewohnerinnen und Bewohner dar.
7.1 CONCLUSION AND PERSPECTIVE
The results of the anthropological and paleo-pathological examination of the human remains from
Tomb 1/08 reveal in part substantial differences between the individuals buried in the five tombs.
As the radiocarbon dating carried out at the A.E. Lalonde AMS Laboratory in Ottawa (Canada)
has shown, Tombs 4 and 5, with comparably fewer burials, were used over a significantly shorter
time period than the three larger Tombs 1, 2 and 3. The two large Tombs 1 and 3 were used for
the longest period, namely, into the early 5th century, as the large number of buried individuals
also reveals. The representative, mixed occupancy with mature males and females, yet also very

275 Diese Vermutung wird durch neueste parasitologische Untersuchungen an unterschiedlichen Fundplätzen des
Römischen Reichs unterstützt, u. a. aus Ephesos. In diesem Rahmen wurden Überreste von Fischband-, Peitschen-
und Spulwürmern nachgewiesen; vgl. Mitchell 2016; Wilhams et al. 2017; Ledger et al. 2018.
 
Annotationen