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Nováček, Jan; Scheelen-Nováček, Kristina; Schultz, Michael; Bjørnstad, Gro; Steskal, Martin; Österreichische Akademie der Wissenschaften / Verlag [Hrsg.]; Österreichisches Archäologisches Institut [Mitarb.]
Das Grabhaus 1/08 in der Hafennekropole von Ephesos: Ergebnisse der anthropologischen und paläopathologischen Untersuchung kaiserzeitlich-spätantiker Kollektivgräber — Forschungen in Ephesos, Band 16,1: Wien: Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53060#0072
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5.3 Paläopathologie

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5.3 Paläopathologie
Im Rahmen der vorliegenden Untersuchungsergebnisse wird aus Gründen der Übersichtlichkeit
sowie des allgemein guten und repräsentativen Überlieferungszustands der Skelette ausschließlich
die Minimalhäufigkeit der festgestellten Erkrankungen angegeben. Dies bedeutet, dass jeweils
alle Individuen ausgezählt wurden, die die Merkmale einer bestimmten Erkrankung oder eines
bestimmten pathologischen Prozesses aufwiesen. Die Individuen ohne entsprechende Merkmale
wurden zunächst aus rechnerischen Gründen als gesund bewertet, ohne weitere Berücksich-
tigung, ob der Überlieferungszustand tatsächlich eine Bewertung gestattete. Dieses Verfahren
ergibt Prozentsätze, die einer minimalen möglichen Häufigkeit eines bestimmten pathologischen
Prozesses in der untersuchten Population entsprechen. Auf die Berechnung der Maximalhäufigkeit
wurde in den meisten Fällen verzichtet. Lediglich im Rahmen der Auswertung der Erkrankungen
der Zähne und des Zahnhalteapparats schien die zusätzliche separate Auszählung sämtlicher
überlieferter und intravital verlorener Zähne sowie Zahnfächer zielführend. Der Vergleich der
maximalen und minimalen Häufigkeit ist sinnvoll und erstrebenswert bei Skelettserien, die nicht
in sich geschlossen sind und viele unvollständig überlieferte Skelette beinhalten. Im vorliegen-
den Fall trifft dies zum Teil auf das Grab 2 zu, welches tatsächlich ausschließlich unvollständig
überlieferte Individuen beinhaltete. Sämtliche der anderen vier Gräber (145 von 169 Individuen)
erbrachten nahezu vollständige, wenn auch teils nicht mehr im anatomischen Verbund überlieferte
Individuen. Die Häufigkeit der pathologischen Veränderungen konnte somit nahezu vollständig
ermittelt werden. Die Berechnung der maximalen und minimalen Häufigkeit würde somit nahezu
gleiche Werte liefern, jedoch die Anzahl an Daten verdoppeln, was zu Lasten der Lesbarkeit und
Übersichtlichkeit des ohnehin bereits umfangreichen Kapitels zur Paläopathologie ginge.
Die Laboruntersuchungen (Radiologie, Lichtmikroskopie) ermöglichten in den meisten Fällen
eine Präzisierung der makroskopisch erhobenen Befunde, wie sie im Skelettkatalog aufgeführt
sind. In einigen Fällen war eine sichere Diagnose jedoch trotzdem nicht möglich und an den ent-
sprechenden Stellen wird darauf hingewiesen. Die statistischen Berechnungen in den folgenden
Kapiteln berücksichtigen die Endergebnisse der Untersuchung. Weiterführende genetische sowie
andere biochemische Analysemethoden können im Fall ihrer Anwendung in der Zukunft jedoch
einige Diagnosen präzisieren und erlauben zudem zusätzliche, über die Paläopathologie hinaus-
reichende Fragestellungen (vgl. Kap. 6).
5.3.1 Pathologische Veränderungen des Schädels
5.3.1.1 Akute und chronische Entzündungen der oberen Atemwege
Entzündliche Prozesse der oberen Atemwege lassen sich im Rahmen einer paläopathologischen
Untersuchung in einigen Fällen auch am mazerierten Knochen nachweisen. Die Schleimhäute
liegen dem Periost der knöchernen Räume der Nasenhöhle (Cavitas nasii) und der angrenzenden
Nasennebenhöhlen (Sinus paranasales) unmittelbar an. Eine Entzündung dieser Schleimhäute
kann deshalb unter Umständen, insbesondere im Falle einer Chronifizierung des Prozesses, zu
einer übermäßigen Reizung oder auch direkten Infektion der Knochenhaut führen, in deren Folge
im betroffenen Bereich proliferativ neues Knochengewebe gebildet wird (Schultz 1989; Kreutz
1997; Scheelen-Noväcek- Schultz 2015). Charakteristisch sind plattenartige bis strähnige Auf-
lagerungen, die teils über kurze Stielbildungen mit der knöchernen Wand der Nebenhöhle verbun-
den sind. Häufig ist auch ein bälkchenartiger Aufbau zu beobachten (Schultz 1988b). Ebenfalls
das vermehrte Vorkommen von Gefäßimpressionen sowie eine poröse Oberfläche können als
Anzeichen für einen persistierenden entzündlichen Prozess der Nasenhöhle (Rhinitis, Abb. 19)
oder der Nasennebenhöhlen (Sinusitis) gedeutet werden (Schultz 1986a; 1993a). Am Knochen
lassen sich vor allem chronische Entzündungen der Kieferhöhlen (Sinus maxillaris, Abb. 20)
und der Stirnhöhlen (Sinus frontalis) diagnostizieren. Erhaltungsbedingt seltener vertreten sind
entzündliche Veränderungen im Bereich der Siebbeinzellen (Cellulae ethmoidales) sowie der
Keilbeinhöhle (Sinus sphenoidalis). Durch Ausbreitung der Entzündungen stehen oftmals auch
 
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