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ROGIER VAN DER WEYDEN

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soll den Altar von Miraßores dem König Johann II. geschenkt haben.
Daß die Berliner Replik mit dem Miraßores-Altar identisch sei, ist
immer noch wahrscheinlich. Nimmt man aber die Tradition von der
Schenkung ernst, so kommt man in Hinsicht auf die Entstehungszeit
zu einem bedenklich frühen Datum. 1432 wurde Rogier erst Frei-
meister in Tournay. Daß der Papst, der 1431 starb, den Altar besessen
habe, setzt ein so frühes Ansehen des Malers voraus, wie kaum glaub-
lich erscheint. Mindestens der Teil des Ponzschen Berichtes, der sich
auf Martin V. bezieht, verdient kein Vertrauen.
Rogier und der Flemalle-Meister sind so miteinander verwandt,
wie bei mehljähriger Ateliergemeinschaft zu erwarten ist, nach Be-
gabung und Charakter aber verschieden voneinander. Jeder von bei-
den verfügt über Kräfte, die dem andern mangeln. Der Flemalle-
Meister arbeitet minder zielbewußt, weniger kenntnisreich, ungleich-
mäßig, er überrascht im Gelingen und Versagen. Mit feinerem Auge
für die Oberßäche, für die Haut der Dinge, für Licht, Luft und Farbe,
nimmt er es mit der Konstruktion nicht so genau wie Rogier. Er geht
von der Beobachtung aus, Rogier von der Idee. Er nähert sich uns
mit menschlichen und sinnlichen Zügen, während Rogiers unerbitt-
liche und harte Religiosität die Vertraulichkeit entfernt.
Der Gegensatz ist nicht überall in gleicher Schärfe bemerkbar.
Das glücklicherweise leidlich sicher beglaubigte Hauptwerk Rogiers,
die jetzt im Escurial bewahrte Kreuzabnahme,^ steht den Schöpfun-
gen des Flemalle-Meisters vergleichsweise nahe. Die Betonung dieses
Zusammenhangs ist eine der besten Stellen in dem an guten Stellen
reichen Buche von Friedrich Winkler (Der Meister von Flemalle und
Rogier, Straßburg, Heitz 1913). Für ein ziemlich frühes Werk des
Meisters wird die Kreuzabnahme von den meisten gehalten. Ich bin
geneigt, sie an den Anfang zu stellen. Rogiers Vater war Bildhauer^
und stammte aus Löwen. Für Löwen, vielleicht in Löwen, wurde die
Escurial-Tafel gemalt.
Das Frauenporträt, das vor einigen Jahren aus Petersburg in das
Berliner Kaiser-Friedrich-Museum gekommen ist, wurde mit Zögern 6S
und nicht ohne daß Widerspruch laut wurde, dem Werke Rogiers
eher an- als eingefügt. Von den wenigen Stimmen, auf die zu hören
es sich verlohnt, fiel die Winklers deutlich bejahend aus, die Hulins
minder sicher verneinend. Hulin neigt dazu, das Bild dem Flemalle-
Meister zu geben.
s Jetzt im Prado, Madrid,
s Siehe oben, Anm. 2.
 
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