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JAN VAN SCOREL

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die Agate van Schoonhoven in Rom als ein lehrreiches Beispiel zu 277
betrachten (ausnahmsweise signiert und von 1529 datiert). Die junge,
schalkhafte, in Liebe dienende Frau ist mit erstaunlicher Konzen-
tration auf die Hauptsache, mit einer an Frans Hals erinnernden
Schlagfertigkeit geschildert.
Unter mehreren erst in den letzten Jahren aulgetauchten Bild-
nissen ragt der Jerusalemfahrer hervor, der aus Privatbesitz in Trier
zu dem Nürnberger Sammler R. Chillingworth gekommen ist2 Nach 27?
dem Kostüm, dem Hut mit der breiten Krempe muß das Bild bald
nach 1520 entstanden sein. Der Blick und die beredte Geste weisen
mit verhaltener Schwärmerei in die Weite, sodaß die Hintergrunds-
landschaft mit dem altertümlichen und fremdländischen Bauwerk
mehr als äußerliche Zutat ist. Noch höher an Harmonie und Feinheit
des Ausdrucks, der hier sorgenvolle Devotion ist, steht das Männer-
bildnis im Berliner Kaiser-Friedrich-Museum, auf dessen Rückseite 2/2
eine statuarische Lucretia zu sehen ist. Wir haben die Hälfte eines
Diptychons vor uns, dessen andere Hälfte eine Madonnentafel war.
Freilich ist die Lucretia eine seltsame Beigabe zu einer Madonna.
Nicht weniger unzweifelhafte Porträts von Scorels Hand finden
wir in Turin, beim Earl of Pembrokc,^ im Privatbesitz zu Wiesbaden,^ 25*7, 222
im Berliner Kunsthandel, je ein Kinderporträt in Bergamo und Rotter-
dam, dort den unartigen Jungen, hier den braven Musterschüler, in 277
Köln den Mann mit dem Hund,s dessen Dünkel drastisch ausgedrückt
ist.
Scorels Kunst wirkte in Holland mit durchgreifender Gewalt,
wie sich in drei starken Strömungen verfolgen läßt. Die Amster-
damer Porträtmalerei des Dirk Jacobsz, der ein Sohn seines alten
Lehrers des Jacob Cornelisz war, nimmt Anregungen von dem Ut-
rechter bereitwillig auf. Maerten van Heemskercks erhitzte Maßlosig- 277-272
keit geht von Scorel aus, ebenso wie die zu untadeliger Vollendung
gesteigerte und gemeisterte Porträtierkunst Antonis Moros. In ihren
früheren Arbeiten stehen die beiden Schüler ihrem Meister so nahe,
daß die Bestimmung einiger Gemälde hin und her schwankt. Das
Familienporträt in Cassel, eine bei aller Verwegenheit innige Schil- 272
derung häuslichen Glücks, und das Porträtpaar Pieter Bicker mit 279-222

^ Jetzt im Museum der Cranbrook Academy of Arts, Bioombcld Hills, Michigan.
3 Diese Porträts werden von Friedländer und anderen Forschern jetzt dem Jan Gor-
nelisz. Vermeyen zugeschrieben, einem Künstler, dessen Oeuvre erst vor ganz kur-
zer Zeit zusammengestellt wurde. Das Bild aus Wiesbadener Privatbesitz, ein
Porträt des Lütticher Bischofs Erard de la Marek, ist jetzt in der Sammlung v.
Pannwitz.
 
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