Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern [Editor]; Württembergischer Altertumsverein [Editor]; Württembergischer Anthropologischer Verein [Editor]; Württembergischer Geschichts- und Altertumsverein [Editor]
Fundberichte aus Schwaben — N.F. 1.1922

DOI issue:
Alemanisch-fränkische Zeit
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.43772#0113
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
107

nachrömischen Siedlern zuzuschreiben ist, liegt auf der Hochterrasse der
Steig, 150 m einwärts vom Steilhang.
Anfang Februar 1921 wurden 250 m südöstlich davon im Steinbruch
Haas 4 Skelettgräber und Anfang Januar 1922 60 m westlich von diesen
im Steinbruch Schauffele wieder 5 Gräber aufgedeckt, beidemal aus Anlaß
von Abräumungsarbeiten zur Erweiterung des Steinbruchs. Die Gräber
dieser beiden, wohl zu einer und derselben Begräbnisstätte gehörigen Gruppen,
sind westöstlich gerichtet und entweder aus hochkant gestellten, bis 1,50 m
großen Steinplatten (Sauerwasserkalk, der hier ansteht) gebildet oder aus
kleineren Steinen (auch Sandstein, der z. T. rotgebrannt ist und aus römischen
Ruinen stammt) unter reichlicher Verwendung von Mörtel aufgemauert.
Es kommen auch beide Bauweisen in Verbindung vor. Einige der gemauerten
Grabkammern zeigen einen dünnen Kalkverputz. Alle Grabstätten waren mit
Steinplatten bis 1,20 m Größe abgedeckt. Die Gräber haben eine Fänge von
1,80—1,95 m bei einer Breite von etwa 0,60 m. Von 2 aufgedeckten Kinder-
gräbern ist das eine 1,30 m lang. Die Gräber sind in Reihen angeordnet, die
allerdings infolge der Geländeverhältnisse nur wenige Bestattungen umfassen.
Die Lage des Begräbnisplatzes im Gelände ist recht auffällig. Er zieht
sich, soweit bisher bekannt ist, einige Meter unterhalb der Hochfläche der
„Steig“ am Steilhang der „Münstener Halde“ hin. Nur wenige Schritte
breit ist der zuweilen von altersgrauen Felsköpfen überragte Streifen, der
über dem Steilabfall zur Verfügung stand. Auch auf ihm mußten die Gräber
terrassenförmig angelegt werden. Vom Mittelalter an bis heute dient der
ganze Hang dem Weinbau. Beim Reuten scheint man schon vor langer
Zeit auf die Grabkammern gestoßen zu sein, denn ihre Auffüllung erwies
sich meist als gestört und Beigaben fehlten.
Ueber die Zeit der Anlage des Friedhofs oben an der Münstener Halde
und sein Verhältnis zu dem Begräbnisplatz von der Weckherlinstraße ergibt
sich aus allgemeinen Erwägungen dies: Der nordöstlich vom Kastell gelegene
Friedhof an der Weckherlinstraße stammt aus einer Zeit, da die „Steig“
erst wenig besiedelt war und mitten inne, abseits der vermutlich in den
römischen Kastellruinen eingenisteten Siedlung, ödes unbebautes Land für
einen Begräbnisplatz zur Verfügung stand. Im Laufe der folgenden Jahr-
hunderte wurde entsprechend der Zunahme der Bevölkerung die ganze
fruchtbare Ebene vom Fuß des Burgholz bis an den Talrand unter den Pflug
genommen. Das Ackerland, rings umgrenzt, war nun zu wertvoll geworden,
um den Toten noch Raum zu lassen. Man begrub sie außerhalb der Acker-
flur an der damals noch öden Halde über dem Neckartal. Römische Scherben,
die sich zerstreut bei den Gräbern fanden, dürften als weggeworfene Lese-
steine der angrenzenden Felder zu erklären sein.
Die älteste Kirche der Gegend war die fränkische Martinskirche auf
der Altenburg, wie die Gegend westlich vom Kastell im Anschluß an eine
längst verschwundene mittelalterliche Burg genannt wurde. Die genaue
Lage der Kirche ist nicht bekannt, jedenfalls stand sie nicht bei dem neu-
entdeckten Friedhof über der Münstener Halde. Da anzunehmen ist, daß
die Bewohner der Steig und der benachbarten Talebene, der heutigen Neckar-
vorstadt, nach dem Uebertritt zum Christentum sich im geheiligten Boden
bei der Kirche bestatten ließen, so wird wohl jener Friedhof noch der vor-
christlichen Zeit angehören, etwa dem 778. Jahrhundert. Es sollen in einem
Grab im Steinbruch Haas eine silberne Brosche und sechs farbige Perlen
einer Halskette gefunden worden sein und vielleicht stammt das Bruchstück
eines Beinkammes, das 1837 in einem Weinberg bei Cannstatt zutage kam
(AS. 8823), auch von diesem Grabfeld.
 
Annotationen