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Die Gartenkunst — 14.1912

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Heicke, C.: Parkpolitik und Gartenbau in Posen, [1]
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16

DIE GARTENKUNST.

XIV, 1

Das äußere Bild der Stadt entspricht dem geschicht-
lichen Werdegang. Die ersten Anfänge sind in der
„Schrodka“und der,, Dominsel“ auf dem östlichen Warthe-
Ufer zu suchen. Diese Stadtteile sind als alte Stadt-
bilder recht fesselnd, aberim Gemeinwesen sindsiegegen-
wärtig von geringer Bedeutung. Der eigentliche Schwer-
punkt liegt und lag immer in der Altstadt, die mit ihrem
am Ringe gelegenen Rathause, einem der schönsten Werke
italienischer Renaissance diesseits der Alpen, entstand,
als deutsche Kolonisten und Zuwanderer im 13. Jahr-
hundert in die Ostmark strömten. Ihre heutige Gestalt ent-
spricht noch im wesentlichen der Form des alten
Grundrisses. Sie entwickelte noch einige Vorstädte
Sand, Wallischei, Gerberei u. a. und bewahrte lange
ihren deutschen Charakter. Dieser ging erst verloren,
als im 15. Jahrhundert das polnische Reich seinen
Aufschwung nahm, in erfolgreichen Kriegen den Einfluß
des deutschen Ordens brach und dem deutschen Gemein-
wesen damit den Rückhalt nahm. Die Stadt machte
in der Folge alle die wechselvollen Schicksale des
polnischen Reiches mit, und eine Wendung trat erst
wieder ein, als Posen an Preußen kam und eine fünf-
zigjährige, auch äußerlich sich sehr bemerkbar machende
Entwickelung wieder vorwiegend deutschen Charakter
erlangte.

In dieser Zeit wurden die verschiedenen bisher selb-
ständig gebliebenen Stadtteile zu einem Gemeinwesen
zusammengeschlossen, die alten Verteidigungswerke ge-
schleift und neue Straßen und Plätze angelegt, die
den Kern der an der Westseite der Altstadt entstehenden
Neustadt bildeten. Von 1828 an wurde der Bau der
neuen Festungswerke betrieben, die erst im Jahre 1872
fertig wurden, von 1876 an aber wieder durch neue
Außenwerke verstärkt wurde und mit ihren Rayon-
beschränkungen einen starken Einfluß auf die bauliche
Entwickelung der Stadt übten. Dieser machte sich be-
sonders dadurch fühlbar, daß die im Süden, Südwesten
und Westen entstehenden neuen Vororte von der eigent-
lichen Stadt und teilweiseauchuntersich getrennt blieben,
ein Übelstand, zu dessen Verstärkung auch die breite
Zone der in nordsüdlicher Richtung an der Westseite
der Stadt vorbeiführenden Eisenbahnanlagen beitrug.

An Garten- und Grünanlagen, Baumpflanzungen u. dgl.
war die Stadt Posen bis dahin ziemlich arm, insbesondere
innerhalb der Umwallungen, in der eigentlichen Stadt
war wenig Raum dafür übrig geblieben und nur die neuen
Stadtteile aus der Zeit nach der Besitzergreifung durch
Preußen weisen einigen bescheidenen, gärtnerischen
Schmuck auf, der auf Veranlassung und Betreiben eines
Verschönerungsvereins entstanden war. In dieser Be-
ziehung hat erst die allerjüngste Zeit Wandel ge-
bracht, als durch Niederlegung der südlichen und west-
lichen Befestigungswerke die neueste Phase in der bau-
lichen Entwickelung Posens eingeleitet war. Die Ver-
handlungen zwischen der Stadtgemeinde und dem
preußischen Staate über diese bedeutsame Angelegen-
heit begannen in den letzten Jahren des vorigen Jahr-
hunderts. Im Jahre 1898 wurde von dem damaligen

Stadtbaurat Grüder ein Bebauungsplan aufgestellt, der
reich mit ausgedehnten Grünflächen durchsetzt war, aber
leider von den maßgebenden staatlichen Behörden nicht
angenommen wurde, weil er nach Abzug aller Anlagen
und Straßen nur 2172% der auf ca. 121 ha geschätzten
Gesamtfläche der niederzulegenden Festungswerke als
nutzbare Baufläche ergab. Die Verhandlungen zogen
sich noch einige Jahre hin, bis sie im Jahre 1903 zum
Abschluß gelangten, und vom Kaiser selbst bei seiner
Anwesenheit in Posen am 3. September jenes Jahres
den Vertretern der Stadt die Botschaft verkündigt
wurde, daß die Befestigungswerke auf dem linken
Wartheufer mit Ausnahme des starken Kernwerkes Fort
Winiary im Norden nunmehr endlich fallen sollten, um
Raum für die neuzeitliche Entwickelung der Stadt zu
schaffen.

Der neue Bebauungsplan, der von dem Geh. Ober-
baurat Stübben aufgestellt wurde, sieht eine Ringstraße
mit auskömmlicher Promenadenanlage auf dem Gelände
der alten Wälle vor. An einigen Stellen, so am Zollern-
platze, mit dem der Straßenzug im Südosten beginnt,
beim Schillerplatz, der 3Y2 ha groß im Südwesten sich
von außen an die Ringstraße anlegt, am Berliner Tor,
wo eine 3 ha große Anlagefläche mit Monumentalbauten
umstellt ist, und an anderen Orten erweitert sich die
Ringstraße zu ansehnlichen Gartenflächen. Im übrigen
machte aber der hohe Preis, den die Stadt für das ihr
überwiesene Gelände zahlen mußte, eine wesentliche
Einschränkung im Umfange der Grünanlagen gegen-
über dem erwähnten Grüder’schen Plane notwendig
und es konnten im ganzen einschließlich vorhandener
alter Friedhöfe im Umfange von rund 8 ha nur rund
I472 ha für öffentliche Anlagen verwendet werden, ab-
gesehen von dem aus Privatbesitz von der Stadt mit
Hilfe des Staates käuflich erworbenen Göthepark, der
auch an die neue Ringanlage angrenzt.

Die starke bauliche Ausnützung des Geländes
wird etwas gemildert durch den Umstand, daß Reich,
Staat, Gemeinde in der Errichtung von Monumental-
bauten wetteifern, die im Grünen stehen. Unter ihnen
fallen, wenn man vom Bahnhofe herkommt, das
Residenzschloß, das Gebäude der Ansiedelungskommis-
sion, die kgl. Akademie und das neue Stadttheater
besonders auf. Diese Bauten liegen, ergänzt durch
einige Villen, alle an einem rechteckigen, nach der
vorbeiführenden Berliner Straße offenen Platze, bei
dessen Umwandlung in eine schlichte aber großzügige
Gartenanlage Gartendirektor Kube äußerst geschickt
mancherlei Schwierigkeiten zu überwinden verstanden
hat. Insbesondere das Theater, ein Werk Max Litt-
manns, dessen Spiegelbild von einer davor angeordneten
ruhigen Wasserfläche zurückgeworfen wird, ist, seiner
künstlerischen Bedeutung entsprechend, hierbei von Kube
wirkungsvoll zur Geltung gebracht worden. Auch in
sonstiger Beziehung hat Kube bei der Lösung der ihm im
Zusammenhänge mit der Stadterweiterung zugefallenen
neuen Aufgaben eine glückliche Hand gezeigt, und es hat
sich hier offenbar das Beispiel Hannovers wiederholt,
 
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