Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 14.1912

DOI article:
Faulwetter, Hermann: Die Gartenkunst im Mittelalter, [1]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0039

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
XIV, 2

DIE GARTENKUNST.

31

In hervorragendem Maße hat die deutsche Woh-
nung diese nationale Wiedergeburt erfahren, indem
zunächst die Bauweise des Hauses im allgemeinen und
ferner aber auch die Innenausstattung der Wohnräume
eine grundlegende Umwandlung durchmachten, welche
die Pflege und Weiterentwicklung der ursprünglichen
deutschen Volkskultur im Auge hat.

Etwas später, aber dafür um so stürmischer, ist
dann auch für den deutschen Hau sg art en die Forde-
rung nach einer gesunden Kunstauffassung laut ge-
worden. Der Anstoß zur Änderung der künstlerischen
Gartenauffassung ging von denjenigen aus, die sich bereits
mitten in dem neuen Werdegange befanden, von den Archi-
tekten, die bei der Durchführung ihres neuen Baustiles
die Notwendigkeit nach einer in ihrem Sinne gestalteten
Umgebung ihres Werkes am ehesten empfinden mußten.

Vielleicht weil die Anregungen von dieser Seite
kamen und auch nicht immer in sehr taktvoller Weise
verfochten wurden, entbrannte zwischen den Architekten
und den Vertretern des bisherigen Gartenstils ein heftiger
Kampf, der mit allen seinen Unerquicklichkeiten jahre-
lang in fast allen gärtnerischen Fachblättern und Kunst-
zeitschriften geführt wurde. Die Unzugänglichkeit der
Gärtnerwelt, die hierbei zunächst zutage trat, und das
zähe Festhalten an dem einmal bestehenden, wenn
auch vielleicht zu Unrecht bestehenden, Gartenstil
dürfte wohl seine Begründung in erster Linie darin
finden, daß der Gärtner, auch selbst wenn er Garten-
künstler war, zunächst den allgemeinen künstleri-
schen Fragen ziemlich fremd gegenüberstand. Es war
ihm so kurzerhand ohne weiteres nicht möglich, dem
Architekten zu folgen; und es wurde ihm dies vor-
läufig besonders schwer gemacht, weil die Architekten
und Berufskünstler, die für eine dem Zeitgeist ent-
sprechende Gartengestaltung die Lanze einlegten, in den
meisten Fällen die für die Gartenkunst gesteckten Grenzen
weit überschritten. Die auf den in jener Zeit stattfinden-
den Kunst- und Gartenbau-Ausstellungen vorgeführten
„Musterbeispiele“ mußten mit all ihren Fehlern und Un-
möglichkeiten dem Gartenkünstler von Fach zunächst
ein abschreckendes Beispiel für die neue Richtung sein.

Von dieser Seite konnte eine Gesundung der
Gartenkunst nicht erwartet werden. Aber, erst einmal
aufgerüttelt, begannen nun auch die Berufsgärtner,
neue Wege zu suchen und zu beschreiten, um die
Grundlagen zu einer zeitgemäßen Gartengestaltung zu
finden. Die Bahnen, die nun beschritten wurden,
waren nicht immer gleichartig, auch nicht immer un-
abhängig von denen, die von den Berufskünstlern ge-
wiesen waren; sie haben jedoch in neuerer Zeit zu
einem Ziele geführt, das dem ursprünglichen, nach
einer deutsch-nationalen Kunstauffassung verlangenden,
schon in erfreuliche Nähe gerückt ist.

Mit einer Wiedergeburt der deutschen Kunst, die
eine Weiterentwicklung im Sinne des gegenwärtigen
Zeitgeistes sein soll, muß naturgemäß ein eingehendes
Studium der altdeutschen Kunst und Kultur als grund-
legendes Moment verbunden sein.

Auf fast allen Kunstgebieten, wie z. B. bei der
Herstellung von Möbeln, hat die kunsthistorische
Forschung mit großem Eifer reiches Material zur zeit-
gemäßen Weiterbildung nach moderner Auffassung zu-
sammen getragen. Hierbei hat die Zeit des deutschen
Mittelalters eine ganz besondere Würdigung er-
fahren, weil sie eine Epoche des deutschen Volks-
wesens darstellt, in der fremdländische Einflüsse am
allerwenigsten zur Geltung kamen.

Leider liegen für das Studium des Gartens aus
diesem urdeutschen Zeitabschnitte die Verhältnisse
denkbarst ungünstig, denn der Wandel der Zeit, der
in und nach dem Mittelalter unsagbare Wirren über
die deutschen Lande brachte, hat von dem damals
Bestehenden nichts mehr der Verwüstung und dem
Verfalle preisgegeben, als die deutsche Landschaft und
mit ihr den Garten.

All die Liebe, die unsere Vorfahren für die Natur-
schönheit gehegt haben, ist für uns verloren gegangen.
Wir wissen nichts von ihr, und ganz allgemein glaubt
man, dem Mittelalter die Empfindung für Naturschön-
heiten gänzlich absprechen zu können.

Das Mittelalter ist für die kunstgeschichtliche
Forschung nicht leicht zugänglich; ganz besonders
aber liegt das Wesen des Gartenbaues, zumal der
Gartenkunst, in tiefes Dunkel gehüllt vor uns. Die
Hausgärten unserer Altvordern sind längst verfallen;
erhalten geblieben sind uns nur einige wenige Burg-
und Schloßgärten. Diese sind aber schon deshalb für uns
von zweifelhafter Bedeutung, weil doch wohl mit
Sicherheit angenommen werden muß, daß sie im Laufe
der Zeit mehr oder weniger tief einschneidende Ver-
änderungen erfahren haben. Ebenso steht es mit der
Literatur. Die Klosterbrüder, denen es im Mittelalter
fast ausschließlich ob lag, über die Verhältnisse ihrer
Zeit der Nachwelt zu berichten, haben sich ganz all-
gemein auf die Beschreibung ihrer Klostergärten be-
schränkt. Die klösterlichen Gartenanlagen waren aber
in erster Linie der Heranzucht und Pflege von Arznei-
und Küchenkräutern gewidmet, und deshalb behandeln
die Beschreibungen dieser Gärten auch meistens darauf
bezügliche Themata. Sicherlich befanden sich im mittel-
alterlichen Klostergarten auch Teile, die rein als
Schmuckanlagen ausgebildet waren, aber die Kenntnis
von diesen ist nur gering. Trotz dieser Sachlage
müssen die Klostergärten mit zu dem Studienmaterial
herangezogen werden, denn einmal wird möglicherweise
aus ihnen manche Eigentümlichkeit des mittelalterlichen
Hausgartens erklärt werden können, dann muß aber
auch in Erwägung gezogen werden, daß der Nutzgarten,
als welchen wir den Klostergarten zu betrachten haben,
der Vorläufer des Ziergartens gewesen ist.

Diese wenigen Quellen, so wertvoll sie auch sind,
reichen bei weitem nicht aus, um Aufschluß über das
Wesen der Gartengestaltung im Mittelalter zu geben.
Wir müßten uns mit dem Geringen zufrieden geben,
wenn der Forschung nicht noch ein Weg offen geblieben
wäre; das ist das Studium von bildlichen Dar-
 
Annotationen