Die Gartenkunst — 14.1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0086
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Faulwetter, Hermann: Die Gartenkunst im Mittelalter, [3]: die Blumenwiese
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DIE GARTENKUNST.
XIV, 5
gemein dekorativen Wert, ItJ
der naturgemäß in der Ge-
staltung des Brunnens
oder Wasserbeckens, also
des Behälters, zum Aus-
druck gebracht wrd.
Wenn man berück-
sichtigt, daß die deutsche
Volksseele im Mittelalter
in ihren Äußerungen nur
bis zu einer naiven, aber
doch innigen Ausdrucks-
weise kommt, so darf
man es nicht als einen
Rückstand bezeichnen,
daß die Wasserkünste in
Deutschland nicht zu
einer solch prächtigen
Entwicklung gekommen
sind, wie es in Italien
und später in Frankreich
der Fall war.
Hier wirkt das Was-
ser in erster Linie deko-
rativ durch seine Form,
die auf weit ausladenden,
breiten Terrassenbauten
in Kaskaden zur Geltung
kommen konnte. Der
Deutsche dagegen— und
das ist besonders bezeich-
nend für seineArt—liebte
mehr das geheimnisvoll
versonnene Gemurmel des
Wassers in leicht plät-
schernden Brunnen und Wasserläufen, daß es „reht
in schelle wise klanc“ (wie Schellengeläute erklang).
So hatte das Wasser neben der Laube und der
Rasenbank ganz besonderen Anteil an der sinnigen
Harmonie des Gartens unserer Vorfahren.
Die Wasserläufe oder Bäche, die wohl nur für
größere Gärten angenommen werden dürfen, hatten
entweder die natürliche gewundene Form des Baches
Abb. 30. Blumenwiese und Rosenhecke. Madonna von
Francesco Francia. 1450—1518.
oder sie waren in gerad-
linige Kanälegefaßt. Fast
stets standen sie mit
einem Wasserbecken in
Verbindung, welches sich
dann mit seinem Stein-
rande wenig oder gar
nicht über die Bodenfläche
erhob. Waren die Wan-
dungen des Behälters
auch oberhalb der Erde
zu einem Bassin hochge-
zogen, so fand das Wasser
durch nutenartige Öff-
nungen hindurch seinen
Weg, wie aus Abb. 15
ersichtlich ist. In dem
„Paradiesgarten“ ist der
Brunnen, dessen Wasser
durch eine Holzrinne fort-
geleitet wird, sehr nied-
lich als Vogeltränke dar-
gestellt (Abb. 25).
Boccaccio berichtet
im Decamerone von einer
unterirdischen Ableitung
des überquellenden Was-
sers (vergl. Kap. 1).
Der Brunnen, das
heißt das künstlich ge-
speiste Wasserbecken,
kann als eine später ent-
standene Erweiterung des
primitiven Wassertroges
angesehen werden, wo-
bei die Zurückleitung auf italienische Vorbilder nicht
unbedingt angenommen zu werden braucht. Seine Aus-
stattung ist reicher, weshalb er meistens in die Mitte
oder doch in den Schwerpunkt der Gesamtkomposition
gesetzt wird. Oft nimmt er die Stelle des Tisches ein,
und um ihn herum werden dann die Rasenbänke
gruppiert. Man vergleiche die im Grunde ganz ähn-
lichen Darstellungen in den Abbildungen 19 und 21,
3a n VAN
Ejciv
Madonna
D£S KANZLE ROLIN
Hans V/eIdItz.
KfAuTERSARTEN
Abb. 32. Steinplattenweg in ornamentaler Behandlung.
Abb. 35. Das Urbild der Rasenbankkonstruktion.
XIV, 5
gemein dekorativen Wert, ItJ
der naturgemäß in der Ge-
staltung des Brunnens
oder Wasserbeckens, also
des Behälters, zum Aus-
druck gebracht wrd.
Wenn man berück-
sichtigt, daß die deutsche
Volksseele im Mittelalter
in ihren Äußerungen nur
bis zu einer naiven, aber
doch innigen Ausdrucks-
weise kommt, so darf
man es nicht als einen
Rückstand bezeichnen,
daß die Wasserkünste in
Deutschland nicht zu
einer solch prächtigen
Entwicklung gekommen
sind, wie es in Italien
und später in Frankreich
der Fall war.
Hier wirkt das Was-
ser in erster Linie deko-
rativ durch seine Form,
die auf weit ausladenden,
breiten Terrassenbauten
in Kaskaden zur Geltung
kommen konnte. Der
Deutsche dagegen— und
das ist besonders bezeich-
nend für seineArt—liebte
mehr das geheimnisvoll
versonnene Gemurmel des
Wassers in leicht plät-
schernden Brunnen und Wasserläufen, daß es „reht
in schelle wise klanc“ (wie Schellengeläute erklang).
So hatte das Wasser neben der Laube und der
Rasenbank ganz besonderen Anteil an der sinnigen
Harmonie des Gartens unserer Vorfahren.
Die Wasserläufe oder Bäche, die wohl nur für
größere Gärten angenommen werden dürfen, hatten
entweder die natürliche gewundene Form des Baches
Abb. 30. Blumenwiese und Rosenhecke. Madonna von
Francesco Francia. 1450—1518.
oder sie waren in gerad-
linige Kanälegefaßt. Fast
stets standen sie mit
einem Wasserbecken in
Verbindung, welches sich
dann mit seinem Stein-
rande wenig oder gar
nicht über die Bodenfläche
erhob. Waren die Wan-
dungen des Behälters
auch oberhalb der Erde
zu einem Bassin hochge-
zogen, so fand das Wasser
durch nutenartige Öff-
nungen hindurch seinen
Weg, wie aus Abb. 15
ersichtlich ist. In dem
„Paradiesgarten“ ist der
Brunnen, dessen Wasser
durch eine Holzrinne fort-
geleitet wird, sehr nied-
lich als Vogeltränke dar-
gestellt (Abb. 25).
Boccaccio berichtet
im Decamerone von einer
unterirdischen Ableitung
des überquellenden Was-
sers (vergl. Kap. 1).
Der Brunnen, das
heißt das künstlich ge-
speiste Wasserbecken,
kann als eine später ent-
standene Erweiterung des
primitiven Wassertroges
angesehen werden, wo-
bei die Zurückleitung auf italienische Vorbilder nicht
unbedingt angenommen zu werden braucht. Seine Aus-
stattung ist reicher, weshalb er meistens in die Mitte
oder doch in den Schwerpunkt der Gesamtkomposition
gesetzt wird. Oft nimmt er die Stelle des Tisches ein,
und um ihn herum werden dann die Rasenbänke
gruppiert. Man vergleiche die im Grunde ganz ähn-
lichen Darstellungen in den Abbildungen 19 und 21,
3a n VAN
Ejciv
Madonna
D£S KANZLE ROLIN
Hans V/eIdItz.
KfAuTERSARTEN
Abb. 32. Steinplattenweg in ornamentaler Behandlung.
Abb. 35. Das Urbild der Rasenbankkonstruktion.