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Die Gartenkunst — 14.1912

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Schubert, Wilhelm: Garten-Monumentalität
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0100

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92

DIE GARTENKUNST.

XIV, 6

bet nicht inmitten der Kraft und des Reichtums der
Natur stammeln wollten und lieber hinauszogen in
die Öde, wo sie reinen Tisch vorfanden, und das Auge
keine Vergleiche ziehen konnte zwischen natürlicher
Allmacht und menschlicher Unvollkommenheit. Und
sind wir nicht unweise, wenn wir anders handeln?
Wieder fällt mir Fürst Pückler ein: Er wählte die
landschaftlich unbedeutende Niederung von Mus kau
und zog in die Sandwüste nach Branitz. Naiven
Gemütern mochte er so als Zauberer, als „Erdbändiger“
erscheinen; er wußte wohl, warum er es tat. Auch
dieser Lehre haben seine Nachfolger vergessen, und
sich damit des wichtigsten Mittels zum Erfolge beraubt.

Nichts ist bezeichnender für die Auffassung, die
sich eine Zeit oder eine Persönlichkeit von der Garten-
kunst gebildet hat, als die Auswahl des Geländes.
Wo man gebunden ist, an bestehendes anzugliedern,
muß sich jede Zeit und jede Persönlichkeit mit dem
gegebenen abfinden: wo man das Gelände für künf-
tige Gartenschöpfungen frei wählt, da zeigt sich erst,
wes Geistes Kinder der Künstler und seine Zeitgenossen
sind. Ludwig XIV. und Lenotre zogen nach
Versailles, Kurfürst Karl Theodor und Pigage
aus dem einzig schönen Heidelberg herab in die
Sand- und Spargelstadt Schwetzingen, Fürst
Pückler nach Branitz: wir suchen künstlich auf,
wo nur ein Berglein, ein Tälchen, ein Wässerlein, eine
Schlucht oder ein Abhang in der Natur ist und pfropfen
diesem unsern Park auf.

Zwei groß angelegte Gartenprojekte, die unseren
beiden größten deutschen Städte Anlaß gaben zu viel
umstrittenen Wettbewerben, sind typisch für solche
Auffassung der Dinge. In Berlin, der Stadt in der
flachen Talmulde, suchte man als Gelände die einzige
hügelartige Erhebung aus, die sich innerhalb des Weich-
bildes fand. Das waren die „Rehberge“, kahle, un-
wirtliche, vom Winde zusammengefegte Dünenbildungen
aus reinem Flugsand, die niemals Vegetation getragen
haben und erst zwei Fuß hoch mit Kompost bedeckt
werden mußten, um für irgend welche Pflanzung reif
zu sein. Und doch — hier sollte ein Park sein, nur
weil „Berge“ da waren. Daß diese Unzahl von größeren

und kleineren
Kuppen, wie sie
sich als Sanddü-
nen typisch ge-
bildet hatten,
jede Monumen-
talität, ja über-
haupt jede Wir-
kung von vorn-
herein zu nichte
machten, daran
dachte man
nicht. Und siehe
da, der preisge-
krönte und zur
Ausführung be-
stimmte Entwurf
Friedr.Bauers
machte „tabula
rasa“ mit allen
diesen Dünen-
köpfen. Er
schmiedete die
beiden höchsten
zu einer archi-
tektonischen
Form zusammen
und ebnete die
niederen zur gro-
ßen Volkswiese ein. Und alle Änderungen, die jetzt
auf Drängen der „Heimatfreunde“ vorgenommen wer-
den , um diese Dünen und Dünchen zu erhalten, er-
scheinen mir als ebenso viele Verschlechterungen des
einst so überraschend großzügigen Projektes. Die Ab-
bildungen, wie sie die Zeitschriften jüngst von diesem
Teil des Schillerparks brachten, unterscheiden sich
in nichts wesentlichem mehr von jeder anderen neueren
landschaftlichen Parkanlage.

Ganz ähnlich lagen die Dinge beim Hamburger
Stadtpark. Hier gab ein bestehender, ziemlich
unbedeutender Jungwald Anlaß zur Wahl des Geländes.
Der höchste Punkt des Stadtgebietes lag in der einen
Ecke des Parkgrundstückes, die entgegengesetzte Ecke
füllten tieffeuchte Wiesen aus, die sogar noch zu
Teichen auf Alsterspiegelhöhe ausgehoben werden

Fig. 8. Gartenbank von Architekt Otto Schulz, Göteborg.
 
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