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Die Gartenkunst — 14.1912

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Arntz, Wilhelm: Italienische Renaissance-Gärten, [10]: die römischen Villen
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138

DIE GARTENKUNST.

XIV, 9

Abb. 8. Hausgarten Zeck, Rostock: Gartenhaus. Gartenarchitekt R. Habich, Rostock.

furchtbaren Plünderung der Stadt durch die deutschen
Landsknechte im Jahre 1529 war hier die Renaissance
zu Ende. Als dann die Energie der Päpste neues
Leben in der verwüsteten Metropole der Welt auf-
sprossen ließ, da war es von einem anderen Geiste
erfüllt. Andere Menschen, andere Zustände, eine andere
Kunst. Noch wirkte anfangs die Renaissance mächtig
nach. Und gerade dieser Epoche gehören die wert-
vollsten Schöpfungen an. Dann aber reifte das Barock
zur Selbständigkeit und unterschied sich von seiner
Mutter fast noch stärker als diese von der Gotik. Im
Kirchenstaate brachte es eine solche Fülle von Bau-
werken hervor, daß das Frühere dahinter zurücktritt.
Es hatte sich eine schwer zu schildernde Atmosphäre
gebildet, die für Jahrhunderte typische Atmosphäre
des Kirchenstaates. Die Kirche beherrschte das ganze
Staatswesen, das ganze öffentliche Leben, nicht im
Sinne des Christentums, sondern eines egoistischen
Absolutismus. Sie durchtränkte alles so mit ihrem
Charakter, daß man heute noch selbst vor profanen
Bauwerken, ja in den Villen, ihren Weihrauch zu spüren
vermeint. Ein ausgesogenes, elendes, zu tierartiger
Primitivität und Götzendienerei herabgedrücktes Volk.
Darüber die prassende Oberschicht des hohen Klerus,
der Kardinäle und ihrer Dynastien mit ihren Hof-
staaten von Künstlern, Gelehrten und Trabanten. Es
ist wohl einzig in der Geschichte der Menschheit, wie
hier die Verwalter eines edlen Religionsgedankens
diesen selber so verkannt, ja verachtet haben, daß er
ihnen nur dazu diente, Macht und Mittel zu einem
materiellen Höhenleben zu liefern. Aber es war bei
ihnen nicht mehr der im Grunde erhaben ernste ur-
sprüngliche Lebensdrang der Renaissance. Über ihrem
Genießen und Schaffen lag eine gewisse Schalheit des

Übersättigten, der Nüchternheit der
neuen Zeit, die weitschweifige Öde
der Größensucht mit ihrer Massen-
produktion. Und doch trotz allem
für uns Menschen von heute so viel
Bewundernswertes, sogar Schönes
und wirklich Großes! Es waren
eben Menschen, die zwar heuchel-
ten, aber doch in ungehemmten
Zügen das Leben genossen, die
zwar gelehrte, theoretisierende Un-
terhaltungen liebten, aber immer
noch genug Frische und freudige
Kraft hatten, um ihren Sinnen zu
vertrauen und sich hinzugeben, und
darum auch künstlerisch wirksam
zu sein.

Schon früh findet sich hier die
Gewohnheit, da man der unsicheren
Verhältnisse und Intriguen wegen
die Stadt nicht für längere Zeit
verlassen konnte, wenigstens des
Abends in die Vignen, die Wein-
gärten, hinauszuziehen, dort Spiele
und Gastereien zu veranstalten, um zum Schlafe wieder
in den Stadtpalast zurückzukehren. In einer solchen
Vigna war es, daß Alexander VI. Borgia sämtliche ihm
hinderlichen Kardinäle beim Mahle vergiften wollte, aber
durch einen Irrtum selber an seinem Anschläge zugrunde
ging. Meist war wohl ein kleines Gebäude, das Kasino
(—Häuschen), vorhanden. Berühmt war die Farnesina,
das Kasino in der Vigna des Bankiers Chigi, mit seiner
prächtigen Loggia. Glänzende Feste wurden dort ab-
gehalten am Tiberufer. Doch sie entstammt schon
der reifen Renaissance, ebenso die große Villa Madama.
Nach dem Sacco di Roma, der unmenschlichen Ver-
wüstung, war wohl vieles zerstört. Als die Stadt dann
neu erblühte, größer als je seit den Tagen der Kaiser,
die politischen Zustände sich festigten und dadurch
ein pompöses, gesellschaftliches Leben sich entwickeln
konnte, wetteiferte man bald in der Verschönerung
und Vergrößerung der Vignen, in der Erbauung glänzen-
der Kasinos, in der Anlage und Ausschmückung aus-
gedehnter Gärten. Diese erhielten eine Bedeutung,
wie früher nur in den Zeiten der römischen Kaiser.
Aber die Art ihres Gebrauches blieb dieselbe wie bis-
her. Man wohnte und schlief im Stadtpalaste und nur
des Morgens und des Abends belebten sich die Gärten.
Die Mächtigsten nur bauten sich außerdem für die glühen-
den Sommermonate die großen architektonischen Land-
villen in Frascati, Tivoli, Albano, Castelgandolfo usw., um
dort dann für längere Zeit zu wohnen. So bildete sich
der Unterschied zwischen Landvilla und Vorstadtvilla, für
die man besser die Bezeichnung Vigna beibehalten hätte.
Beide folgen getrennten Richtungen der Entwickelung.
Aber zu einer wirklich konsequenten Ausbildung der Ty-
pen scheint es, wenigstens nach dem, was uns erhalten
ist, nicht bezw. nur vereinzelt gekommen zu sein.
 
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