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Die Gartenkunst — 14.1912

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Die deutsche Gartenbau-Woche in Bonn
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Staehle, ...: Die Gartenkunst in ihrer Stellung zum Kunst- und Kulturleben unserer Tage: Vortrag
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0229

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222

DIE GARTENKUNST.

XIV, 15

der Vertreter hier tagender und sich uns noch an-
schließender Vereine, Körperschaften und Verbände,
die Organisation und den Arbeitsplan für den Reichs-
verband festzulegen. Als Ort der nächsten Garten-
bauwoche und des zweiten deutschen Gärtnertages
wird Breslau bestimmt.“

Als Zeichen des Einverständnisses mit dem Be-
schlüsse erhob sich die Versammlung und sang:
„Deutschland, Deutschland über Alles!“

Nicht endenwollender Beifall rauschte durch die
weite Halle. Nochmals mahnte Freiherr von Solemacher:
Seid einig, einig, einig 1 Dann dankte Herr Lorgus
dem Ortsausschüsse der Bonner Gartenbauwoche und
seinem wackeren Führer, dem Freiherrn von Solemacher
und schloß den ersten deutschen Gärtnertag. R. H.

Die Gartenkunst in ihrer Stellung zum
Kunst- und Kulturleben unserer Tage.

Vortrag gehalten von Garteninspektor Stähle, Hildesheim auf
der Hauptversammlung der Deutschen Gesellschaft für Garten-
kunst auf der Gartenbauwoche in Bonn.

Die Wertung der Gartenkunst in unserem heutigen
Kunstleben ist wieder im Wachsen begriffen. Von
jeher war in der Geschichte des Menschengeschlechtes
die Kunstbetätigung ein Gradmesser für die Höhe der
Kultur. Je allumfassender und vielseitiger die Künste
betrieben wurden, desto wirkungsvoller verblieb der
Nachwelt der Glanz einer solchen Kulturepoche. Von
der Menschheit Höhen ging es wieder hinab in das
Flachland öder Kunstlosigkeit. Diese Tatsache er-
scheint uns wie ein naturnotwendiger Prozess. Von
der einen Idee beseelt, daß ein jeder sein Bestes
dazu hergibt, dem Leben durch die Kunst höchsten
Wert zu geben, treiben alle Kräfte zur größten Ver-
vollkommnung. Die Keime, die meist nur von wenigen
Führern der Menschheit gestreut, sie waren entwick-
lungsfähig und entfalteten sich zu herrlicher Blüte.
Aber endlich mußten auch die fortzeugungsfähigsten
Kunstgedanken zu einem Abschluß gelangen. Ein
neues Geschlecht mit neuen Erkenntnissen verwarf das
alte, um sich eine neue Formensprache in der Kunst
zu schaffen. Wehe dem Geschlecht, das eigener Kunst-
gedanken bar, vom alten nur zu leben hoffte, dort
seine Anleihe machte und die neuen Lebensforderungen
mit zu befriedigen glaubte! Die Kunstgeschichte lehrt
es uns gar deutlich wie bedeutungslos solche Zeiten
waren. Sie hatten höchstens den Vorteil, daß sie
unerträglich wurden und nach einer Reform verlangten,
die dann desto kräftiger einzusetzen wußte.

Was uns die Kunstgeschichte für das glückliche Zu-
standekommen einer Kunstperiode aber auch lehrt, das
ist das restlose Aufgehen der Lebensanschauung und der
Lebensführung eines Volkes in seiner Kunst. Um nur
einige Beispiele dafür herauszugreifen, nenne ich die Kunst

Ägyptens, einer Kunst von monumentaler Gestaltungs-
kraft, die ganz im Dienste einer religiösen Idee der
Verherrlichung des Königs als Vertreter der Gottheit
stand und in der Wüstenebene den Königen ewige
Grabmäler setzte und sie in ihrem Inneren mit allen
Wesenszügen des täglichen Lebens bildnerisch auszu-
schmücken verstand. Um noch ein Beispiel für die
dauernde Bedeutung eines Volkes im Künstlerischen
anzuführen erwähne ich Griechenland. Vorbildlich wirkt
auch hier die Einheitlichkeit, mit der sich innerhalb
des Hellenentums Kunst und Leben zu einer wunder-
baren Harmonie verbindet, die als Ergebnis die drei
bildnerischen Künste Architektur, Plastik und Malerei
zu jener großen Freiheit ihres Formenempfindens ge-
führt hat, die für uns schlechthin das griechische
Schönheitsideal bedeutet. Inwieweit auch die Garten-
kunst als selbständig anerkannte Kunst zur Geltung
kam, darüber sind wir nur z. T. unterrichtet. Gewiß
ist jedoch, daß alles, was dem Leben erhöhten Reiz,
vermehrte Genußfähigkeit gab, einbezogen wurde in
Betätigungsgebiete der Kunst. Und dazu gehört auch
der Garten. Im großen entwickelt sich der Gedanke
einer Gartenkunst erst in dem Augenblick, als das
Landleben ein Stück der Sehnsucht der Stadtmenschen
ausmacht. Hier ist es vor allem Italien, das schon
vor der Renaissance die Idylle des ländlichen Aufent-
haltes sucht. Die Kultur der Renaissance selbst ist
so eng mit dem Gedanken des ländlichen verwachsen,
wie kaum eine Zeit vorher oder nachher. Nicht nur
weil die köstlichen Landsitze der adeligen Geschlechter
zugleich zum Mittelpunkte der feingeistigen Unterhaltung
und der Pflege von Kunst und Wissenschaft werden,
sondern weil die Sehnsucht nach dem wiedererstandenen
Griechentum sich in der Liebe zur Natur am besten
symbolisiert. Und doch ist die Gartenkunst der Re-
naissance trotz allen wiedererwachten Naturempfindens
fern davon geblieben, die Gärten naturalistisch zu ge-
stalten. Die Villen dieser Zeit atmen die Klassik der
übrigen großen Kunst und die Symmetrie der architek-
tonischen Formgedanken bestimmt auch die streng
geometrisch architektonische Form der Gartenkunst.
Die Renaissance gilt uns als diejenige Zeit, in der die
Gartenkunst und das Landleben Hauptinhalt aller
künstlerischen Bestrebungen war. Zu solcher Höhe
der Bedeutung ist die Gartenkunst nie wieder gestiegen
bis auf unsere Tage. Dieser Hinweis dürfte zeigen,
welche aussichtsreiche Perspektive für unsere heutige
Zeit sich eröffnet, wenn die Verhältnisse derartig sich
wiedergestalten..

Es wäre nun zu untersuchen, inwieweit in unser
Kulturbewusstsein die Gartenkunst als notwendiger
Faktor einbezogen wird und in welcher Weise die
Gartenkunst dazu beiträgt die Vollständigkeit unseres
Kunst- und Kulturlebens herbeizuführen. — Daß ein
gedeihliches Kunstleben sich nur entwickeln kann,
wenn alle Künste Zusammenwirken, das müssen wir
ohne weiteres anerkennen, das zeigen die Beispiele
der Kunstperioden Ägyptens, Griechenlands und der
 
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