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Die Gartenkunst — 14.1912

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Heicke, C.: Über die Notwendigkeit einer Sichtung der Gehölzbestände unserer Gärten und Parkanlagen
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Müller-Thurgau, Hermann: Die Geschichte der Gartenkunst als Lehrfach
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0272

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XIV, 17

DIE GARTENKUNST.

265

die mit der Pflanzenwelt innig vertraut sind,
ist also eine Aufgabe unseres Berufes. Woll-
ten wir die Führung auch hierbei anderen überlassen,
die zwar von Hemmungen, wie ich sie geschildert habe,
frei sind, dafür aber auch jeder Vertrautheit mit dem
Pflanzenmaterial entbehren, so könnte das nach keiner
Richtung hin zum Guten ausschlagen.

Freilich müssen wir unseren Herzen dabei einen
Stoß versetzen. Wir müssen von der Pflanzen-
liebhaberei, die unserer Kunst nicht förder-
lich ist, zu jener echten und wahren Liebe
zur Pflanze gelangen, die allein uns in den
Stand setzt, sie auch wirklich künstlerisch
zu verwerten!

Nehmen Sie also unseren Versuch, zu einer Ver-
einfachung unserer Gehölzbestände zu gelangen, in
diesem Sinne willig auf und unterstützen Sie seine
Durchführung allseitig. Das sei die Bitte, die ich am
Schlüsse meiner Ausführungen namens unseres Aus-
schusses an Sie alle ohne Ausnahme richte!!

Die Geschichte der Gartenkunst als
Lehrfach .*)

Von Müller, Geisenheim.

Erst das Alte macht Neues wirksam
— wir sehen d a die bedeutendsten
Werke, wo der Ausgleich am tiefsten
geht, wo das Neue sich ganz mit Altem
durchsetzt und trotzdem seine schöpfe-
rische Kraft ungebrochen beibehält.

Jul. Meier-Gräfe.

Sollen wir uns als schaffende Gartenarchitekten
auf unseren Fachschulen auch mit der Geschichte der
Gartenkunst beschäftigen ? Und wenn ja, in welcher
Weise? Ich weiß, daß ein Teil der Leser sich bei
der ersten Frage für ein Ja, der andere für ein Nein
entscheiden wird. Nein sagen diejenigen, die das neue
Gartenkunstwerk „von innen heraus“ gestalten wollen,
die hinweisen auf die junge Architektengeneration, die
froh ist, daß die Zeit der Stilnachahmung vorbei ist,
die daran glaubt, daß jedes Kunstwerk eine ganz
neue Tat ist, aus neuen Bedingungen heraus geboren,
ganz im Gegensatz zur wissenschaftlichen Arbeit, die
jedes Ergebnis aus dem vorhergehenden entwickelt.

Ja werden diejenigen sagen, die daran glauben,
daß in der Kunst die Tradition gepflegt werden
muß, damit es möglich ist aus dem Alten Neues zu
entwickeln, in dem Sinne, in dem es Meier-Gräfe
in unserem Leitwort ausgesprochen hat. Ich neige der
letzteren Ansicht zu und halte es daher auch für richtig,
daß auf unseren Fachschulen der Geschichte der Garten-
kunst die größte Beachtung geschenkt wird.

Wie steht es denn mit dem neuen Stil in der
Baukunst? Messel konnte bahnbrechend wirken, weil
er „klassisch“ war, Riemerschmied, Schultze-Naumburg
suchen mit vielen anderen noch immer das Heil in der

*) In der letzten Mitteilung ehemaliger Wildpark-Dahlemer
habe ich in kurzen Worten die Frage schon behandelt. Müller.

gemütlichen Biedermeierzeit, Kreis kann seinem
Phantasiereichtum am besten die Zügel schießen lassen,
wenn er in barockem Geiste baut. Traditionslos
ist heute keine Baukunst, wenn wir nicht die Ingenieur-
kunst heranziehen wollen; die Baukunst schaut heute
ebenso nach Ägypten und Griechenland, da sie monu-
mental sein will, als nach Frankreich, da sie auch
malen will. Sie ahmt keine Stile nach, wie es die
Gotik des XX. Jahrhunderts tat, nein, aber sie übersetzt
gewissermaßen die alte Architektursprache in unsere,
sie läßt all das, was einmal architektonischen Ausdruck
gefunden hat, mitklingen im modernen Bau. Und weil
sie das tut, deshalb müssen auch ihre Schwesterkünste,
zu denen die Gartenkunst in hervorragender Weise
gehört, diesen Weg mitbeschreiten. Der Gartenarchitekt
studiert das Gebäude, um welches er die Umgebung
schaffen soll, in der Hauptsache nur in seinem Stim-
mung sausdruck. Sein Gartenkunstwerk wird einen
bestimmten Charakter tragen, je nachdem es z. B.
ein monumentales öffentliches Gebäude oder ein be-
scheidenes Landhaus umgibt. Daher muß meines
Erachtens der Schwerpunkt des Unterrichts in der Kunst-
geschichte an den Gärtnerlehranstalten zunächst darauf
gelegt werden, daß der Schüler ein Gebäude in seinem
Eindruck auf den Beschauer zu deuten versteht, oder
um mit Goethe zu sprechen, daß er seinen „dämonischen
Charakter“ erkennt. Hand in Hand mit diesem Unter-
richt muß nun ein Gang durch die Geschichte
der Gartenkunst vielleicht in nachfolgender Art
angetreten werden.

Die Architektur Ägyptens gibt schon sofort Ver-
anlassung den Einfluß der Architektur auf die Garten-
kunst zu erkennen in der Art, wie dieselbe bestimmt be-
grenzte Terrains zur gartenkünstlerischen Ausgestaltung
übrig läßt. Die Pylonen als Gartentore, das Rechteck
des Bassins als einfachste Grundrißform, die rhythmische
Auflösung der Wege durch Baumpflanzung, die ein-
fache Böschung und die Überwindung der Böschungs-
neigung durch Treppenbau — es sind die einfachsten
Motive, die auch heute noch, wenn auch in anderer
gegenseitiger Beziehung zueinander verwandt werden.
Der Leser wird schon hier merken, daß ich dem Schüler
die Entwickelung der gartenarchitektonischen Formen-
sprache vermitteln will. Bei dieser Methode wird auch
den Grundformen architektonischen und gartenarchitek-
tonischen Schaffens, dem Kreis, dem Quadrat, Recht-
eck und ihren verschiedenen Zusammensetzungen als
dem Fundament, auf dem die ganze klassische Garten-
kunst sich aufbaut, die nötige Beachtung geschenkt.
Es stellt sich uns bei dieser Betrachtungsweise so recht
deutlich dar, wie schon der ägyptische Tempelgarten
eine hohe Stufe gartenkünstlerischen Könnens erreicht
und nicht, wie es uns in letzter Zeit auch von Willy
Lange gedeutet wurde, die primitive Kunst eines in
den ersten Entwickelungsformen stehenden Volkes ist.

Zeigt man nun als zweites Hauptbeispiel alter
Gartenkunst das Tuscum des Plinius, vielleicht in der
Meyerschen Rekonstruktion, so wird man dies schon
 
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