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Die Gartenkunst — 14.1912

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Arntz, Wilhelm: Gartenkunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0322

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XIV, 20

DIE GARTENKUNST.

315

Antirrhinumbeet. Nach einer Aufnahme von Rieh. Rothe, Northeast Harbor-Maine.

ganz gewiß zum allerwenigsten aus Verdienst der so
beliebten „allmählichen Übergänge“! Wie überwäl-
tigend ruhevoll und charaktervoll liegen die reich be-
bauten Höhen des weiten Talkessels von Florenz da!
Wie prächtig liegen in der Ebene die großen Flach-
körper der französischen Gärten! Welchen starken
Charakter hat die Landschaft des Niederrheins
durch ihre schlecht und recht streng regelmäßigen
Heckenbauerngärten oder die des
Lippeschen Landes mit seinen
Obstgärten oder auch des Spree-
waldes mit seinen Kanälen und
regelmäßigen Lichtungen oder die
der Weinbergterrassen an Rhein
und Mosel! Der starke malerische
Einschlag dabei ist immer ein Pro-
dukt von Einschränkungen und des
Werdens, der Zeit, während das
Geschaffene sich ehrlich bekennt.

Wenn nur erst die kindische
oberflächliche Affenliebe aus dem
Garten verdrängt ist, wenn an ihre
Stelle das tiefe Gefühl tritt, das
entsteht aus der Empfindung wirk-
licher , unfaßlicher Schönheit im
Garten und des Glückes, in ihm
leben zu können, dann wird es wohl
auch sein, daß man ihn nicht nur
als Spielzeug betrachtet und nicht
nur nach seinen allzu sparsamen,
materiellen Kosten, sondern nach
seinem inneren, seinem wirklichen
Werte schätzt. Dann wird man

auch die geistige Arbeit derer zu
schätzen wissen, die aus der quellen-
den Tiefe ihres Herzens allen Scharf-
sinn ihrer Lebenstüchtigkeit, alle
Zartheit ihres Empfindens, alleKraft
ihrer Phantasie und ihres Gestaltens
diesem Aschenbrödel unter den
Künsten weihen, um es zu seiner
Bestimmung zu führen als einer
künftigen Königin. Dann werden
auch mehr und mehr hochbegabte
Künstler sich ihm weihen. Dann
wird endlich die unendliche Schön-
heit, die im Garten schlummert,
erwachen nnd erblühen und Ge-
meingut, kostbares, unseres Volkes
werden und die strahlende Krone
dessen sein, wonach es heute ver-
geblich sucht: Kultur, Menschen-
tum. Dann wird es sein, daß wir
nicht nur in trauten Gärten volles
Leben leben, daß unsere Jugend
sich in monumentalen Volksparks
Kraft und Gesundheit erspielt, daß
unsere Toten endlich, endlich in
würdigen, erhaben friedevollen, in wirklichen Fried-
höfen ihre Denkstatt finden, sondern noch viel mehr:
Daß unsere ganze, rastlos wachsende Menschenwelt
aus ihrer ureigensten Wesensart heraus zum Frieden,
zur innigen Harmonie mit der Natur gelangt, zum
großen, schönen, freien und glücklichen Ganzen der
im Menschen erhöhten lebendigen Welt.

Antirrhinumbeet. Nach einer Aufnahme von Rieh. Rothe, Northeast Harbor-Maine.
 
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