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Die Gartenkunst — 14.1912

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Hoemann, Reinhold: Erinnerungen an die Studienreise der "D. G. f. G." nach Frankreich, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0372

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366

DIE GARTENKUNST.

X IV; 23

Marmorvase 'aus dem Park zu Versailles'.

•Marmorstatue aus dem Park zu Versailles.

Aufnahmen von R. Hoemann, Düsseldorf.

birgt, doch etwas monoton und auf die Dauer lang-
weilig wirkt. Wer aber den Park offenen Auges durch-
wandert, muß bald erkennen, daß dies durchaus nicht
zutrifft, vielmehr ist das gerade Gegenteil der Fall. Es
ist nicht leicht möglich, dem Spaziergänger mehr Ab-
wechslung zu bieten, wie Lenötre dies in den Versailler
Gärten tut. Bald wandelt man durch blumengeschmückte,
heitere Partcrreanlagen, bald befindet man sich bei
weiten, lichtspiegelnden Wasserbecken, bald stehen wir
vor grünem Rasenspiegel, umschlossen von hoher Baum-
wand, bald führt der Weg durch hohe, ernste Baum-
gänge zu lauschigen stillen Kabinetts, wir können ganz
nach unserem Belieben einsame stille Philosophenwege
wandeln, wir können in großer Gesellschaft uns ge-
meinsam tummeln, kurzum, der Park gibt seinem Be-
sucher fast alles, was ein Garten geben kann. Da er
so vieles, fast alles gibt, was ein Park dem Einzelnen
sowohl, als auch der großen Masse geben kann, da er
so vorzüglich große Menschenmengen aufnehmen und
doch wieder alle behaglich in kleinere Räume unter-
bringen kann, so hat sich wohl mancher von uns die
Frage vorgelegt: „Ist diese Gartenform, die der Sonnen-

könig für sich und seinen glänzenden Hof schuf, nicht
die zweckmäßigste und schönste Form für den Volks-
park, wie ihn die heutigen Bedürfnisse erfordern?“
Wenn man diese Frage nun auch nicht mit einem
glatten Ja oder Nein beantworten kann und wenn es auch
töricht wäre, nun den Versailler Königsgarten wegen
seiner geschilderten Vorzüge etwa nach Berlin als Volks-
park zu verpflanzen, so ist es ebenso töricht, diese
Frage als undiskutierbar kurzerhand abzulehnen. Wenn
heute ein Gartenkünstler von dem Genie Lenötres von
seinem Auftraggeber, sagen wir einmal von einer
Millionenstadt, nach Versailles geschickt würde, um
diesen Park zu studieren, dann aber diese Studien bei
der Schaffung eines großen Volksparks zu verwenden, so
würde er dies sicherlich mit großem Erfolg tun können.
Und wenn dieser Gartenkünstler wirklich kongenial
dem großen Lenötre wäre, so würde er zurückkommen
und angeregt durch das Studium seine Aufgabe lösen.
Aber es würde sein Werk kein Versailles werden, so
wenig wie Lenötres Park ein italienischer Renaissance-
Garten geworden ist, es würde ein neues eigenes Werk
dieses Mannes werden, welches den neuzeitlichen Be-
 
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