Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 2.1937

DOI Artikel:
Kieslinger, Franz: Der Wiener Meister mit den Bandrollen um 1881, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6337#0051

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5mall dark-

' P°ssessi0Q
alls it «the

'^'is much
« is to the
vo captives
rest of the
s cassone
1er various
which the
! same col-
re labelled
te. On the
h of Farne
• ital. 103,
graving.
>t, Niccolö
governed
end may
originator
h the two
a this one
is distinct
ubsequei

ent

Zeichnungen, einer verdienstvollen Arbeit, ist mit Recht auf den Zusammenhang mit dem
Holzschnitt des Wiener Heiltumsbuches von 1502 hingewiesen (Abb. 2). Wir glauben aber,
gerade aus dieser Gegenüberstellung anders folgern zu dürfen. Der Ritter im Buche trägt
eine für dessen Erscheinungsjahr (1502) altertümliche Rüstung. Diese wurde in der angeblich
21 Jahre älteren Zeichnung verändert. Der Brustpanzer wurde so sehr bereichert, daß wir
seine wirkliche Vorlage, den Reiterharnisch Sigismunds von Tirol, leicht feststellen können.
Dieser ist in der Wiener Waffensammlung als Nürnberger Arbeit um 1470 bestimmt. Merk-
würdig wäre es, daß er einem Wiener Zeichner um 1502 geläufig und zugänglich gewesen sein
sollte. Dem Fälscher von 1882 war die Rüstung allerdings leicht erreichbar. Wenn nun diese
gute Vorlage des Brustpanzers lange das Prestige der Zeitung gerettet hat, so ist es mit den
anderen Waffenteilen weit übler bestellt. Der Ritter trägt über der rechten Schulter ein
Achselstück, das es niemals gab, denn es hätte die Schulter wie eine Sardinenbüchse ein-
geschlossen, untauglich für Kampf und jegliche Bewegung. Der Abschluß des Harnisches
unten zwischen den Hüften ist kaum ausgebuchtet. Der Ritter hätte sich beim geringsten
Stoß im Sattel lebensgefährlich verletzt. Die Waffenschmiede haben aber gerade an dieser
heiklen Stelle für Schutz so umsichtig gesorgt, daß der betreffende Rüstungsteil in den Samm-
lungen meist als unanständig in milderndes Dunkel zurückgestellt wird. Der Ritter trägt unter
seinem Harnisch zackige Dessous aus Drahtgeflecht, wie sie einst um 1420 modern waren.
Die Beschuhung der mit Frostbeulen bedeckten Plattfüße besteht aus rundgezackten Eisen-
platten, die auch nur bald nach 1400 vorkommen. Authentische Malereien, Zeichnungen, Holz-
schnitte oder Kupferstiche geben hier lederne Schnabelschuhe wieder, deren Form die Rüstung
im Eisen wiederholt. Der Ritter trägt, unangemessen seinem Stande, eine Fußknechtstartsche,
die offenbar in der Luft steht. Nun aber zum Wichtigsten. Als Linkshänder trägt er sein
Schwert auffällig an der rechten Seite! Der Abwechslung halber den Rüsthaken gleichfalls
rechts, die Lanze jedoch links, wo er aber keinen Rüsthaken hat. Wir können uns nicht vor-
stellen, was ihm geschähe, wenn er sich bewegen sollte. Nicht nur wegen seiner ungeschickten
Füße, sondern auch weil die Kacheln seiner Ellbogen als Sperrklappen wirken. Dank diesen
kuriosen Rüstungsstücken kann er den Arm kaum zum rechten Winkel einbiegen. Genug:
die Realien der Rüstung zeigen genügend die Verlegenheiten, die durch Umkehrung der Vor-
lage entstanden sind. Der Fälscher gab sich alle Mühe: die glatte, besenstielartige Lanze der
Vorlage ergänzte er zu einer Art Turnierlanze, fügte überdies die Andeutung eines Drachens
hinzu und datierte 1481. Das Stilgefühl der Spätgotik ist so groß, daß die Darstellung eines
gewappneten Ritters aussieht etwa wie ein wehrhaftes Insekt, feingliedrig und organisch.
Ob ein wirklicher Mensch in Rüstung so aussehen konnte, war ebenso gleichgültig, wie etwa
der Körpergehalt der Figuren unserer Modejournale. Unsere Kontrollabbildung (Abb. 3)
zeigt, wie ein Ritter um diese Zeit aussehen mußte. Nun zum Beiwerk: Links oben schwebt
ein großes Monogramm, das die bisherigen Besprecher der Zeichnung nicht zu lesen wagten.
Es ist aber doch klar, was gemeint ist: L. C, d. i. Lucas Cranach. Die Schnörkel sind wohl
durch eine Publikation der damaligen Zeit angeregt, das mittelalterliche Hausbuch. Nun
zur Bandrolle: Auf dieser steht: NIMER AN 1481, nicht: KIRMER, wie Benesch liest. Auch
diese Anregung geht auf das Heiltumsbuch zurück, wo es heißt: All hernach. Es wäre zu wenig
romantisch gewesen, sich diesen Scherz entgehen zu lassen.

Unser Blatt ist aber nur ein Beispiel für eine ganze Gruppe ähnlicher Fälschungen, die mir
großenteils schon lange verdächtig waren. Alle tauchen im Wien der neunziger Jahre auf,
keine einzige hat einen ernsthaften Vorbesitzer. Beglückt wurden mit diesen Dingen die Alber-
tina, Herr von Lanna, Fürst Liechtenstein, Graf Lanckoroilski, Graf Wilczek und endlich
Herr von Jurie. Ein bemerkenswerter, enger Kreis, der solche Profandarstellungen besonders

45
 
Annotationen