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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 2.1937

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Benesch, Otto: Wiener Meister mit den Bandrollen um 1881, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6337#0124

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schreibt es auf S. 415 des Auktionskatalogs (1794): „44. Une Sainte debout dirigee vers la
droite, et tenant les mains jointes et elevees. Au bas de la droite est marquee l'annee 1504.
Dessein d'un vieux maitre allemand dans le goüt de Martin Schön, fait ä la plume, lave d'encre
de la Chine, et rehausse de blanc sur papier brun. E. H. in 4to." Die Zeit von Maulbertsch und
Kremser Schmidt hat solche „Fälschungen" nicht hervorgebracht.

Der „Gewappnete" der Sammlung Liechtenstein erscheint in dem in den Achtzigerjahren
angelegten Zettelinventar dieser Sammlung als „Alter Bestand". Blätter, die in der zweiten
Hälfte des Jahrhunderts neu erworben wurden, werden in diesem Inventar stets mit genauer
Provenienzangabe sowie Erwerbungsdatum angeführt. Der „Alte Bestand" geht im Kern auf
den Grundstock von 1733 zurück. Das Blatt kann also spätestens in der 1. Hälfte des 19. Jahr-
hunderts dazugekommen sein. Eine so treffende „Fälschung" aus Bomantik und Biedermaier-
zeit ist mir nicht bekannt. Da Kieslinger aber sein Verdikt mit Argumenten waffenkundlicher
Art ausführlich begründet, sei zu diesen Stellung genommen. Kieslinger behauptet, daß der
Brustpanzer nach dem Beiterharnisch Sigismunds von Tirol in der Wiener Waffensammlung
gezeichnet sei. Es ist unschwer, in der Nürnberger Tafelmalerei des Wolgemutkreises Beispiele
aufzuzeigen, die mit dem Harnisch des Tirolers ebensosehr übereingehen, ja in der schmük-
kenden Gliederung der Zeichnung noch genauer entsprechen als dem Wiener Waffenstück. Das
ist weiter nicht seltsam, da Sigismunds Harnisch ein Werk des Nürnbergers Hans Grünewalt
ist. Ich möchte da nur auf die Gewappneten der Auferstehungen von Wolgemut in Straubing
und der Heiligenkreuzkirche in Nürnberg hinweisen. In anderen Punkten aber weicht der
Harnisch wesentlich von dem des Tirolers ab, und da glaubt Kieslinger eine Beihe schwerer
Fehler feststellen zu müssen.

Ich verweise auf gleichartige Fälle in der Kunst des 15. und 16. Jahrhunderts: Achselstücke
auf dem Ecce homo der Passionsflügel des Wolfgangmeisters in St. Lorenz zu Nürnberg, auf
der Zeichnung eines Gewappneten von Mair im Louvre (Beitr. z. Gesch. d. deutschen K. II
Abb. 80), auf den Stich G. 312 von Israel van Meckenem; Beschuhung des Bitters auf der
großen Kreuzigung des Monogrammisten H W von 1482 (Lehrs VIII 3); Armkacheln mit den
Muscheln auf der Auferstehung des Landauer Altars; Kettenhemd auf dem „Kindermord"
des Wiener Schottenaltars (gegen 1480). Der Harnisch sieht um nichts anders aus als auf dem
Holzschnitt des Wiener Heilthumsbuchs, auf dem „Kindermord" des Schottenaltars, auf
einer Beihe Nürnberger Bilder. Die von Kieslinger vermißte Ausbuchtung bildet sich dort
von selbst, wo Beintaschen an die Bauchreifen anschließen. Das ist hier nicht der Fall, und die
Ausbuchtung ist bei den darin analogen Harnischen Sigismunds und Maximilians in der
Wiener Sammlung (22, 23, 25) auch nicht stärker. Die Erscheinung des Schwertes auf der
linken Seite begegnet uns zuweilen in der Graphik, wo sie durch die Seitenverkehrung zu
erklären ist. So etwa in einem an unsere Zeichnung erinnernden Stich „Zwei Gewappnete"
des Monogrammisten BM (Lehrs VI 10). Wurde die Zeichnung durch ein solches graphisches
Vorbild angeregt, so liegt der Lapsus des Zeichners durchaus im Bereich der Möglichkeit und
Erklärbarkeit. Herrn Dr. Peter Halm verdanke ich aber den weiteren Hinweis, daß diese Er-
scheinung auch auf Epitaphien begegnet, und zwar in dem Fall, wenn die Linke mit dem
Halten einer Lanze oder Standarte beschäftigt ist. Ein Beispiel: der rechte kniende Gewappnete
auf dem Keutschach-Epitaph zu Maria Saal, dem Meister Hans Valckenauer bedenkenlos das
Schwert an die rechte Seite gehängt hat. Daß die Linke die Lanze hält, während der Büst-
haken rechts sitzt, kann auf Vischers Henneberggrabmal beobachtet werden. Daß eine ritter-
liche Gestalt eine Fußsoldatentartsche hält, kann auf dem niederrheinischen Sebastian des
Berliner Kabinetts (11717) beobachtet werden, auf den C. Dod gson kürzlich in einer Bespre-
chung meines Buches (Burl. Mag.) von der Liechtensteinzeichnung aus verwiesen hat. Schließ-

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