Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0028
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
14. und 15. Jahrhundert.

A. Der Oberrhein.
I. Basel.

1. Technische Eigenarten.

Wie in fast allen Zentren der Bildwirkerei — Orte der Großindustrie wie Paris, Arras,
Tournai ausgenommen —, in denen sich die Betriebe nicht zu einer ausgesprochen zünf-
tigen Gemeinschaft schon frühzeitig verdichteten, lassen sich die ersten Spuren unserer
Kunst nur in den seltensten Fällen über die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts rückwärts
verfolgen. Basel gehört zu den Städten, in denen die Bildwirkerei nicht lediglich auf
Klosterbetrieb beschränkt blieb; die Kunst des Hochstuhles wird auch als reine Erwerbs-
tätigkeit geübt; die Männerarbeit tritt jedoch stark in den Hintergrund. Zu einem zünftigen
Zusammenschluß hat es die Baseler Bildwirkerei niemals gebracht. Die Ursache findet zum
guten Teil ihre Begründung darin, daß der Hochadel als Auftraggeber fast nie in Er-
scheinung tritt, vielmehr nach wie vor seinen Bedarf in den altberühmten Wirkerorten der
burgundischen Niederlande deckt, aus repräsentativen Gründen — soweit es sich nicht um
die üblichen gängigen Wappenverdüren und Kleinwirkereien handelt — die für das 14.
und 15. Jahrhundert charakteristischen riesenhaften Folgen bevorzugt, die eine Unzahl von
Arbeitskräften und schon rein technisch Männerarbeit voraussetzen; es sei nur an die
bekannte Pariser Verordnung von 1290 erinnert, die Frauen ausdrücklich ausschloß, der
Schwierigkeit und der damit verbundenen Gefährdung halber der an den allzu großen, mit-
unter kaum zu handhabenden Gezeugen Arbeitenden. Die Überleitung des niedrigen Rück-
lakens zu dem hochrechteckigen Saalteppich setzt in Frankreich und den Niederlanden
bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ein — womit natürlich nicht gesagt sein
soll, daß Rücklaken, auch in den kommenden Jahrhunderten, als unentbehrlicher Aus-
stattungsgegenstand des Chorgestühles und des Altars nicht weiterhin eifrige Pflege
fanden —; in Deutschland, selbstverständlich auch in Basel, bleibt der alte einfache Typ
des Langlakens für Kirche und Haus weiterhin, bis auf ganz vereinzelte Ausnahmen, die
maßgebende, weil allein von dem Kreise der Auftraggeber, dem Klerus und dem städtischen
Patriziat, verlangte Form: Rücklaken über den Bänken des bürgerlichen Wohnraumes,
gewirkte Decken auf den Lotterbetten (zur Tages- nicht zur Nachtruhe bestimmt, als
sogenannte Gutschentücher in den Inventaren geführt). Tischbelege, Kissenblätter, wohl
auch Wiegendecken, in selteneren Fällen Almosentaschen, Handschuhe und dergleichen
mehr. Der deutsche Bildwirker blieb, um einen etwas schiefen Ausdruck zu gebrauchen,
Gelegenheitsarbeiter; ihm fehlte der Berufsstolz des niederländischen Meisters, der schon
verhältnismäßig früh sein Können als eine aus dem üblichen Rahmen des Handwerks
fallende Leistung wertet, der in dieser Anschauung durch Stadt- und Staatsbehörden unter-
stützt wird, die mit eifersüchtigem Auge darüber wachen, daß kein Hinaustragen der
„Kunst" in fremde Orte möglich wird, mit drakonischer Strenge unerlaubte Abwanderung
ahnden und den Zunftzusammenschluß erzwingen, der wiederum ein einwandfreies Ar-

14
 
Annotationen