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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0119
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C. Mittelrhein und Grenzgebiete.

I. Urkundliche Belege. Heidelberg. Frankfurt a. M.

Als Wirkereiorte kommen in erster Linie Heidelberg, Frankfurt a. M. und Mainz, sowie
zahlreiche klösterliche Werkstätten in Frage. Mone berichtet in der Zeitschrift für die Ge-
schichte des Oberrheins1), daß sich Ulrich^der Sohn des Heidelberger Bürgers Lenhart
Bornheuser, der Pfalzgräfin Mechthilt auf Lebenszeit als Hofhandwerker verschreibt. Er
soll bei „iren würckmeistern" in die Lehre gehen, die ihn „auch dasselbe hantwercke und
künste flyssiclich und getreuweclich leren und gütlich unterwisen sollen und wollen". Han-
delte es sich um Wirker im eigentlichen Sinne?

Die Bestellung des Bischofs Johann III. von Dalberg für die Domkirche zu Worms
(nach den von Adam Werner von Themar, gelegentlich seines Aufenthaltes am Heidel-
berger Hof [1491/92], verfaßten Legenden) läßt auf Bildwirkereien schließen — wahr-
scheinlich das Leben des Apostels Petrus —; ob Heidelberg als Erzeugungsort in Frage
kommt, steht allerdings dahin. Wahrscheinlich bestanden in Heidelberg im 15. Säkulum
auch Wirkereibetriebe, die mit dem Hofe keinerlei Berührung hatten, die in den urkund-
lichen Belegen daher nicht erscheinen.

Zu den ältesten Wirkerorten der Main- und Mittelrheingegend zählt die alte Kaiser-
stadt und Handelsmetropole Frankfurt a. M. Der früheste Vermerk findet sich in dem
„Zusatzbuch" von 1362, f. 792). Der Patrizier Michel Aptecker leiht Meister Ulrich Herren-
berger, einem Stuhlmacher, Geld, um die zur Herstellung von „Banktüchern" nötigen Ge-
zeuge aufzustellen: „item ein wyrkstuel daruff he wubet und darzue die snuren da mitte
he daz werk zuhet." Er stellt Wolle und Leinengarn zur Verfügung, „daruss sollen sie
ihme machen bancktuecher". Bedenklich stimmt die Hergabe von 30 Pfund Blei und
2 Pfund Zinn für die „gezäuhe". Ist der „wyrkstuel" wirklich ein Wirkstuhl und nicht
ein Webstuhl, oder handelt es sich um primitive Gezeuge in der Art der hochstehenden
frühen nordischen Geräte, deren Kettfach durch Steine oder Metallblöcke beschwert wurde?
Die letztere Möglichkeit ist keinesfalls ausgeschlossen. Jedenfalls wäre es mehr als sonder-
bar, wenn Frankfurt a. M., das auf seinen Messen von frühen Zeiten an die westlichen
Erzeugnisse der großen Wirkereizentralen feilbot, nicht selbst die Wirkerei pflegte. Für die
Annahme sprechen unbedingt die Feststellungen, die Dr. W. K. Zülch machte3), die die
Beziehungen der Frankfurter Klöster — Katharinen- und Weißfrauenkloster — zu dem
textilfrohen Bürger- und Patrizierhaus der alten Stadt am Main behandeln. Augenschein-
lich waren die geistlichen Stifte, die die Kinder des Stadtpatriziats und des Landadels in
Wissenschaft und häuslichen Künsten unterwiesen, die Lehrstätten nicht nur der Stickerei,
sondern auch der Wirkerei. Es bestehen ähnliche Verhältnisse wie in Basel. Als besonders
interessanter Fall erscheint die von den Töchtern des Frankfurter Großhandelsherrn Claus
Schit (Scheid) betriebene Hauswirkerei, die wahrscheinlich im endenden 15. Säkulum
begonnen wurde und in dem folgenden Jahrzehnt einen Hochstand aufwies. 1510 verstirbt
Claus Schit. In dem nach seinem Tode aufgestellten Inventar findet sich u. a. ein besonders
bemerkenswerter Eintrag; „In der neuen Kammer: zwei gewirkte Tücher, alle beide mit Her-
culis Historia hat Anna (Schits Tochter) gewirkt. Eine Lade darin: Wirkgarn

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