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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0097
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B. Elsaß.

I. Urkundliche Belege.

Ähnlich wie in der Nordschweiz und den angrenzenden Gebieten ist die Forschung auch
bei den elsässischen Heidnischwirkereien fast ausschließlich auf die zeitgenössischen In-
ventare angewiesen, sie wird durch die uns überkommenen Wirkereien mit heraldischen
Zeichen nicht immer sicher gestützt; unzweideutige Werkstatthinweisungen mit Namens-
angaben, wie in Basel, fehlen völlig. Von Bedeutung sind in erster Linie die von Edmund
Ungerer in seinen „Elsässischen Altertümern" zusammengestellten Belege1), deren Schei-
dung in einheimische und fremde (niederländische und französische) Arbeiten nicht immer
einfach und gesichert ist. Ergänzend treten die Inventarabschriften Walters2) und Clauß'3)
hinzu.

Der Löwenanteil fällt auf Straßburg, das zweifelsohne im 15., voraussichtlich aber schon
im 14. Säkulum einen ausgedehnten Wirkereibetrieb besaß. Der Raumersparnis halber
verweise ich die lange Liste in den Anhang4). Bedauerlicherweise sind keine Teppich-
inventare aus dem endenden 14. und dem beginnenden 15. Jahrhundert auf uns gekommen.
Immerhin erkennen wir mit Sicherheit, daß die Hauptproduktion der elsässischen Wirkerei
sich in erster Linie den Kissenblättern der Lotterbetten, verhältnismäßig großen Stücken,
und den kleineren Stuhlkissen zuwendet. Die Vorlagen bleiben in der Zeit der Blüte fast
immer die gleichen, ein einwandfreies Zeichen, daß die Erzeugung in handwerklichen,
städtischen Betrieben vor sich ging, daß die Klosterarbeit, die Sondermotive bevorzugt,
in geringerem Maße beteiligt war. Wir finden außer den ständig wiederkehrenden Wappen-
wirkereien mit den Schilden der stiftenden Geschlechter einfache allegorische Bilder —
die Jungfrau mit dem Einhorn usw. —, ferner Blumen- und Rankenmotive, mitunter belebt
durch die farbenfrohe Welt der Vögel und Vierfüßer — beliebt sind namentlich Hunde. In
der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts neigt die Heidnischwirkerei in stärkerem Maße
zu umfangreichen figürlichen Szenen; bevorzugt sind die Motive von Liebe und Treue, der
wilden Männer, der Jagden im prosaischen und allegorischen Sinne usw.; naturgemäß
spielen daneben religiöse Darstellungen, in erster Linie Episoden aus dem Leben der
Jungfrau (Verkündigung), des Herrn (Taufe, Anbetung, Flucht nach Ägypten, Passion),
der Apostel (Johannes Ev., Johannes Bap.), mitunter auch der Kirchenväter (St. Augustin)
eine gewichtige Rolle. Unzweifelhaft ist das Stoffgebiet erheblich umfangreicher als in
Basel und den sonstigen Werkstätten der Nordschweiz. Die Kissenblätter erfahren im
16. Jahrhundert in der Wahl der Motive nur geringe Änderung. Die reinen Wappen-
wirkereien mit blumigem Grund spielen nach wie vor eine bedeutsame Rolle, auch die
Kissen mit den Bracken, den Vögeln, den wilden Leuten und dem Kartäuser- oder Wald-
bruder kehren immer wieder; die altgewohnten Motive allegorischer und religiöser Art
(Jungfrau mit Einhorn, Simson, das kananäische Weib usw.) haben ihre Anziehungskraft
noch nicht verloren. In stärkerem Maße treten alttestamentliche Episoden in Erscheinung
(Abraham und Isaak usw.); die christlichen Tugenden in der niederländisch-italienischen
Auffassung — Caritas, Spes, Fides usw. — finden sich des öfteren; die Glücksgöttin tritt
auf — mit und ohne Rad —, Jagden- und Bankettszenen werden beliebt.

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