Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0139
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
III. Grenzgebiete.
1. Niederrhein.

a) T r i e r.

Die Zuschreibung von Wirkereien an eine klösterliche Manufaktur in Trier ist zunächst
lediglich durch einen Absatz in den Chroniken der Abtei St. Matthias59) gerechtfertigt. Die
beiden Handschriften bringen aus der Amtszeit des Abtes Johannes Donre (1451—1484)
übereinstimmend die Angabe: „Tabernaculum cum imaginibus ante retro altare S. Matthiae
fieri fecit — monialesadSt. Medardumtexebanttapetesillasdepen-
dentespernostrumchorumadextrisetasinistris — . ."60). Ob es sich
um Wirkteppiche oder Stickereien handelte, die die Konventualen von St. Medardus fer-
tigten, sagt der Satz nicht mit Bestimmtheit; die größere Wahrscheinlichkeit spricht für
die erstere Technik. Weniger wertvoll erscheint mir eine zweite Notiz, einer Speierischen
Chronik entnommen61), die die Zusammenkunft Kaiser Friedrichs III. und Karls des Küh-
nen in Trier anschaulich schildert: „item der römische keyser und der hertzog von Bor-
gundien stunden by einander in der kirchen . . . und die kirche was umbhangen mit kost-
lichen gewirckten thuchern; inn dem core was uff gehangen das lijden und der gantz
passion Christi da waren auch thucher mit der hystorien Troyana gar kostlich gewirckt."
Da Karl der Kühne von Burgund auf seinen Reisen stets einen beträchtlichen Teil seines
riesigen Textilienschatzes mit sich führte und besondere Aufsichtsbeamte für den Trans-
port und das Auf- und Abhängen beschäftigte, ist mit Sicherheit anzunehmen, daß der
Herzog bei einer für seine ehrgeizigen Pläne so bedeutsamen Zusammenkunft nicht mit
seinen Schätzen geizte, sondern dem für glitzerndes Gestein und goldgewirkte Teppiche
stark empfänglichen Friedrich III. die Kostbarkeiten von Arras und Tournai vor Augen
stellte. Es ist gewagt, auf die Notiz der Chronik von St. Matthias hin Trier Wirkereien zu
überweisen, schon aus dem einfachen Grunde, weil der Passus lediglich ein Zufallsfund
ist und zweifellos in einer ganzen Anzahl von Klöstern des Mittelrheins, zu dem Trier kul-
turell auch zählt, Wirkstühle standen. Weitere Anhaltspunkte für die Zuweisung an die
Trierer Gruppe geben natürlich die Dialekteigentümlichkeiten etwaiger Schriftbänder.

B. Kurth ordnet der Klostermanufaktur Trier zunächst ein Antependium — Tod Mariä
— ein, das aus der Berliner Sammlung Dirksen62) in den Besitz der Münchener Kunst-
handlung L. Bernheimer überging (H. 0,81 m, L. 1,56 m, Abb. 100). Als Material dient
Wolle. Der dunkle Hintergrund, den kein Rankenwerk mildert, sticht schwer und düster
ab von den wie Puppen aufgereihten Aposteln, die steif und gerade, Kerzen in den Händen,
Todesgebete lesend, am Sterbelager Mariä stehen; im Mittelpunkte ragt als beherrschende
Persönlichkeit Christus, auf dem Arme die nackte Seele der Mutter; als Kleinfigur kniet vor
dem Lager Johannes, in den erhobenen Händen das Brevier. An den Mittelrhein erinnern
entfernt die in Dreieckhügeln eingeordneten schematisch geschwungenen Gräser. Mit dieser
Feststellung sind jedoch die Berührungspunkte, zum mindesten soweit die Technik in Frage
kommt, erschöpft. Suchen wir weitere Anhaltspunkte, so beweisen die eigenartigen Falten
des Lakens unter dem Kopfkissen der Verstorbenen, die eine starke Ähnlichkeit mit der
Fältelung der Tücher in dem Wilhelm-von-Orlens-Teppich und den noch früheren (1387)

125
 
Annotationen