III. Bern. 17. Jahrhundert.
Die Manufaktur des Pierre Mercier.
Schwere religiöse Nöte bestimmen bereits vor Aufhebung des Ediktes von Nantes (22. Ok-
tober 1685) zahlreiche angesehene Wirkerfamilien der Marche, in erster Linie Geschlechter
der zum Teil protestantisch gesinnten Stadt Aubusson, der Heimat Boden zu verlassen
und in der Fremde neues Heil zu suchen. Daß die Schweiz, schon infolge der geogra-
phischen Lage und der religiös-politischen Einstellung wesentlichen Zustrom zu verzeich-
nen hatte, ist nicht sonderlich verwunderlich. Im Sommer 1683 ist die Zahl der fran-
zösischen Flüchtlinge in Bern derart groß, daß der Rat eine allgemeine Kollekte veranstal-
tet, um der wirtschaftlichen Not zu steuern; eine Sonderkommission, die Exkulantenkammer,
übernimmt die Unterbringung und Versorgung der Refugies. Den Mittelpunkt der Ver-
triebenenfürsorge bildet das zum Waisenhaus eingerichtete alte Dominikanerkloster, das
in erster Linie von den landfremden Glaubensgenossen belegt wird. Verschiedenartige
Handwerker beginnen ihre Tätigkeit. Unter dem 22. Oktober 1685 meldet der Welsch
Seckelmeister Hans Rudolf von Sinner dem Rate von Bern, „dass alhier vier ledige mann-
personen als exulanten aus Frankreich sich befinden, so die wollwäberey und in specie
die tapezereyen zumachen wol verstehen sollind und nur arbeit begehrind, sich selbsten
zu erhalten und solches andere zu lehren"46). Der Rat beauftragt den Welschseckelmeister
und den Ratsherrn Hans Bernhard von Muralt, mit den Wirkern in Verbindung zu treten;
die Anlieferung der Materialien — Wolle, Seide usw. —- übernimmt die Stadt. Der Rats-
herr Carolus Venner von Büren wird ermächtigt, einen geeigneten Kartonzeichner zu er-
mitteln „als herrn Burkhard (Hans Georg Burkhart) oder jemand anders, einen kunst-
lichen schönen dessein verfertigen zelassen auff weise, wie diese meister solchen von nöhten
haben". Die Wahl fällt nach einem Berichte Sinners47) auf Joseph Werner, den Jüngeren,
einen Meister, der gelegentlich seines Pariser Aufenthaltes (1662 bis 1667) in der Kunst
der Wirkereitechnik sich ein gewisses Können angeeignet hatte. Die Patronen sind in Öl-
farben (im Historischen Museum zu Bern), der Basselissetechnik entsprechend, als Spiegel-
bilder gemalt. Es handelt sich um eine prunkvolle Tischdecke für die Ratsstube der Berner
Stadtverwaltung.
Die Arbeit schreitet langsam fort. Verschiedene Ratsherren äußern in der Sitzung vom
1. März 1686 starke Unzufriedenheit. Die Frage steht ernsthaft zur Beratung, „ob die fran-
zösischen teppichmacher im weysenhaus ihre anbefolchene arbeit ausmachen sollind".
Die Mehrheit spricht sich für die Fortführung aus: „es sei nit anständig, weilen sy (die
Arbeit) angefangen, selbige jetz ze underlassen". Ende Januar 1687 ist die Zahl der Wirker
auf drei, im September des Jahres auf zwei zusammengeschmolzen. Unter dem 6. Sep-
tember 1688 läßt der Rat „den zweyen refugierten tapissiers Mercier und seinen ge-
spanen, so das tisch gutt in die rathstuben gemacht und drey monatlang, ohne daß sie
etwas empfangen, gearbeitet, fünfzehn taler entrichten . ."
Weiteren Aufschluß geben die von Fluri einer Nachprüfung unterzogenen kirchlichen
Belege. Hiernach weilt Pierre Mercier noch 1689 in Bern, seine Gattin Marie Bonnevienne
schenkt ihm am 20. Januar 1689 ein Knäblein (Johann Ludwig); für das Ansehen des
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Die Manufaktur des Pierre Mercier.
Schwere religiöse Nöte bestimmen bereits vor Aufhebung des Ediktes von Nantes (22. Ok-
tober 1685) zahlreiche angesehene Wirkerfamilien der Marche, in erster Linie Geschlechter
der zum Teil protestantisch gesinnten Stadt Aubusson, der Heimat Boden zu verlassen
und in der Fremde neues Heil zu suchen. Daß die Schweiz, schon infolge der geogra-
phischen Lage und der religiös-politischen Einstellung wesentlichen Zustrom zu verzeich-
nen hatte, ist nicht sonderlich verwunderlich. Im Sommer 1683 ist die Zahl der fran-
zösischen Flüchtlinge in Bern derart groß, daß der Rat eine allgemeine Kollekte veranstal-
tet, um der wirtschaftlichen Not zu steuern; eine Sonderkommission, die Exkulantenkammer,
übernimmt die Unterbringung und Versorgung der Refugies. Den Mittelpunkt der Ver-
triebenenfürsorge bildet das zum Waisenhaus eingerichtete alte Dominikanerkloster, das
in erster Linie von den landfremden Glaubensgenossen belegt wird. Verschiedenartige
Handwerker beginnen ihre Tätigkeit. Unter dem 22. Oktober 1685 meldet der Welsch
Seckelmeister Hans Rudolf von Sinner dem Rate von Bern, „dass alhier vier ledige mann-
personen als exulanten aus Frankreich sich befinden, so die wollwäberey und in specie
die tapezereyen zumachen wol verstehen sollind und nur arbeit begehrind, sich selbsten
zu erhalten und solches andere zu lehren"46). Der Rat beauftragt den Welschseckelmeister
und den Ratsherrn Hans Bernhard von Muralt, mit den Wirkern in Verbindung zu treten;
die Anlieferung der Materialien — Wolle, Seide usw. —- übernimmt die Stadt. Der Rats-
herr Carolus Venner von Büren wird ermächtigt, einen geeigneten Kartonzeichner zu er-
mitteln „als herrn Burkhard (Hans Georg Burkhart) oder jemand anders, einen kunst-
lichen schönen dessein verfertigen zelassen auff weise, wie diese meister solchen von nöhten
haben". Die Wahl fällt nach einem Berichte Sinners47) auf Joseph Werner, den Jüngeren,
einen Meister, der gelegentlich seines Pariser Aufenthaltes (1662 bis 1667) in der Kunst
der Wirkereitechnik sich ein gewisses Können angeeignet hatte. Die Patronen sind in Öl-
farben (im Historischen Museum zu Bern), der Basselissetechnik entsprechend, als Spiegel-
bilder gemalt. Es handelt sich um eine prunkvolle Tischdecke für die Ratsstube der Berner
Stadtverwaltung.
Die Arbeit schreitet langsam fort. Verschiedene Ratsherren äußern in der Sitzung vom
1. März 1686 starke Unzufriedenheit. Die Frage steht ernsthaft zur Beratung, „ob die fran-
zösischen teppichmacher im weysenhaus ihre anbefolchene arbeit ausmachen sollind".
Die Mehrheit spricht sich für die Fortführung aus: „es sei nit anständig, weilen sy (die
Arbeit) angefangen, selbige jetz ze underlassen". Ende Januar 1687 ist die Zahl der Wirker
auf drei, im September des Jahres auf zwei zusammengeschmolzen. Unter dem 6. Sep-
tember 1688 läßt der Rat „den zweyen refugierten tapissiers Mercier und seinen ge-
spanen, so das tisch gutt in die rathstuben gemacht und drey monatlang, ohne daß sie
etwas empfangen, gearbeitet, fünfzehn taler entrichten . ."
Weiteren Aufschluß geben die von Fluri einer Nachprüfung unterzogenen kirchlichen
Belege. Hiernach weilt Pierre Mercier noch 1689 in Bern, seine Gattin Marie Bonnevienne
schenkt ihm am 20. Januar 1689 ein Knäblein (Johann Ludwig); für das Ansehen des
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