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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0212
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Elsaß (1 6.—1 8. Jahrhundert)

III. 18. Jahrhundert.

1. Straßburg.

Die Straßburger Wandteppichwirkerei des 18. Säkulums stößt hinsichtlich ihrer Klarstel-
lung auf Schwierigkeiten, die sich insofern noch erhöhen, als in der Hauptstadt des Elsaß
neben ausgesprochenen Wirkereibetrieben seit altersher auch gestrickte und gewebte Tep-
piche in starkem Umfang gefertigt wurden. Der „Teppichweber" Wolff Kilber (1601) aus
Tübingen (Württemberg) war bestimmt kein Wirker, ebensowenig ein H. N. Herffen16), der
1666 eine Manufaktur von Wollteppichen errichtet. Die gelben, grünen und roten „tentures
de tapisseries de Strasbourg, cartouch£ d'or en bordures rouges", die um 1760 in dem loth-
ringischen Schloß Jolivet hängen, sind aller Wahrscheinlichkeit nach keine Wirkereien,
sondern eine Art Brocatelle17).

Die erste urkundliche Nachricht datiert vom 9. November 1743: Jean-Joseph Lamiral, ein
Wirker der Pariser Staatsmanufaktur, richtet an den „Rat der 15" eine Eingabe zwecks Er-
richtung einer Wandteppichmanufaktur18)/Er erbittet ein dreißigjähriges Monopol und ein
zehnjähriges Steuerprivileg und läßt in seinem Schreiben das Anerbieten des Kardinals von
Rohan einfließen, der durchaus gewillä sei, ihn unter den günstigsten Bedingungen in Zabern an-
zusiedeln. Die „Kauf hausherrn" und der „Rat der 15" äußern sich unter dem 25. Januar 174419);
beide Parteien einigen sich schließlich auf ein zehnjähriges Monopol und Steuerprivileg.

Die Manufaktur scheint in Gang gekommen zu sein, zum mindesten lebt in den folgenden
Jahrzehnten Lamiral in Straßburg20). In den Sterbe- und Geburtsurkunden erscheint der
Meister unter der Berufsbezeichnung „aulaeorum opifex privilegatus" (privilegierter Tep-
pichfabrikant). Sein Ableben erfolgt am 15. September 1751. Das gute Verhältnis zu dem
Kardinal von Rohan hat trotz der Übersiedlung nach Straßburg nicht gelitten. Der „direc-
teur des appartements et des tapisseries du Palais Episcopol" (Straßburg) Etienne-Jean
Laudier übernimmt (2. November 1750) die Patenschaft seines Sohnes Etienne-Joseph.

An die Stelle des Verstorbenen tritt um 1759 der „Tapetenmacher" Jean-Thomas Frantz,
lediglich bekannt durch ein Legat an das Straßburger Bürgerhospital. Hiermit schließen die
urkundlichen Belege.

Weder von Lamiral noch von Frantz sind signierte Arbeiten bekannt geworden. Die
Wahrscheinlichkeit spricht dafür, einen Behang im Besitze der Berliner Kunsthandlung
Margraf & Cie. mit dem Hoheitszeichen des Kardinals von Rohan, umgeben von der Ordens-
kette des Heiligen Geistes und dem Straßburger Wappen in den vier Ecken der Bordüre, einem
der beiden Betriebe zuzuschreiben (Abb. 194, H. 3,45 m, L. 5,45 m), Zeichnung — die Löwen
sind etwas verunglückt — und Technik geht nicht über das Mittelmaß des Könnens hinaus21).

Merkwürdigerweise existieren jedoch Wandteppiche mit der Signatur M R (Manufacture
royale) D.(e) STRASBOVRG. FAIT PAR RICHARD im Besitze des Großherzogs von
Baden, ohne daß der Meister Richard urkundlich zu belegen wäre, trotzdem er sein Unter-
nehmen eine königliche, d. h. privilegierte Manufaktur nennt. Es handelt sich um zwei in
der Zeichnung übereinstimmende Wappenportieren in reicher Rocaille-Rahmung (Abbil-
dung 195), die 1763 durch den badischen Hof von dem Straßburger Tapisserie- und Seiden-
händler Trombert zum Preise von 593 Gulden erworben wurden22).

Zwei weitere, in der Rocaillerahmung sehr ähnliche, aber unsignierte Portieren, mit dem
Wappen der Familie Klinglin, birgt das Unterlindenmuseum zu Kolmar. Es besteht die
starke Wahrscheinlichkeit, daß über kurz oder lang noch andere Behänge der Richardschen
Manufaktur auftauchen werden.

Die Tatsache, daß der Durlacher Hof, nicht minder die in Bruchsal residierenden Fürst-
bischöfe mit dem Straßburger Kunsthandel im 17. und 18. Jahrhundert in enger Fühlung

198
 
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