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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0120
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Mittelrhein und Grenzgebiete

und Wirkseide. Noch eine Lade darin: Drei große Bildener (Kartons) von
Herculis und Reimbildener. Vier Kissenziechen Bildener. Zwei
Stränge Zittelgarn. Ein Sack mit allerlei Wirkgarn. Acht Stränge Ulmer Gold. Zehn Stränge
Ulmer Silber. Fünf Überzüge hat Margareta (Schits Tochter) gewirkt". Die
Aufzeichnung beweist unzweideutig, daß die Schitschen Erbtöchter geschickte Künstle-
rinnen waren, die gold- und silberdurchwirkte Arbeiten nach Vorlagen — Geschichte des
Herkules, Reimmotive, d. h. allegorische Liebesmotive mit begleitenden Legenden (Reimen)
—, die nicht gerade als einfach zu bezeichnen sind, durchführten, von den Kissenblättern
ganz zu schweigen. Ob die Kartons von Frankfurter Meistern stammten steht dahin. Es
ist bei den weitverzweigten Beziehungen des Handelsherrn, der auch Kontore in Ant-
werpen, Brüssel, Straßburg und Basel unterhielt, nicht ausgeschlossen, daß er sich die
Vorlagen für die Arbeiten seiner Töchter von einer der genannten Bildwirkereizentralen
beschaffte. Andererseits findet sich der Name eines Malers Claus Schit auf einem Altar
in Gelnhausen (um 1500), ohne daß die verwandtschaftliche Bindung dieses Claus mit der
Frankfurter Familie nachzuweisen wäre. Wie dem auch sei. Anna und Margarete Schit
besaßen ein beträchtliches Können, um sich an derartige Arbeiten heranzuwagen. Es ist
nicht einzusehen, weshalb andere Töchter des Frankfurter Patriziates und vor allem die
frommen Frauen Geringeres hätten leisten sollen. Die Feststellungen zeitigen immerhin
die Tatsache, daß in erster Linie Frankfurt für die Bildteppichwirkerei der Maingegend
in Betracht zu ziehen ist.

II. Erhaltene Wirkereien.

1. Heraldische Teppiche und verwandte Arbeiten.

Maßgebend für die Zuschreibung von Behängen an Werkstätten des Mittelrheins bleiben
zunächst stilistische Gründe, ursprünglicher Besitz und Bestellerwappen.

Als unbedingt sichere Erzeugnisse mittelrheinischer Bildwirkerei kommen die Wappen-
teppiche in Betracht, die sich auf das Hessische Landesmuseum zu Darmstadt und die
ehemalige Sammlung Figdor verteilen. Die vier Wappenstreifen im Darmstädter Museum
stammen aus dem Schlosse zu Friedberg (Oberhessen)4), die beiden nahverwandten Stücke
der ehemaligen Sammlung Figdor aus der Gießener Gegend. Als Material dient lediglich
Wolle; das Gefüge ist grob, die Textur unregelmäßig. Die niedrigen langen Streifen füllten
wahrscheinlich den freien Platz über dem Paneel. Im ersten Friedberger Stücke (Abb. 82 a,
H. 0,35 m, L. 3,05 m) überspinnt grünes Rankenwerk mit weißen und roten Blüten den
dunkelgrünen Grund5); ihm sind Hoheitszeichen mit heraldischen Tieren (als Schildhalter)
und erklärenden Schriftbändern aufgelegt. Die Reihe beginnt mit „Bragan" (Braganza?),
Greif und Wolf halten den Schild mit dem roten Adler mit weißer Sichel auf Gelb (mit
dem gleichen Adler als Helmkleinod), es folgen „Ungern" (Ungarn)6), von Einhorn und
Löwe gehalten, „Ispange" (Spanien)7) mit Hund und Hirsch, „Cipern" (Cypern) mit Bock
und Hund, schließlich als fünftes Wappen die Wiederholung von „Bragan"8). Charakte-
ristisch ist das Rankenmotiv mit den herzförmigen Blättern und den fünfteilig gelappten
Blüten. Die Technik ist von einer gewissen Frische, die Zeichnung mitunter unbeholfen.
Die Modellierung der Tierkörper wird kaum angestrebt; Schraffen finden keine Verwen-
dung, wenn man nicht zufällig gesetzte Strichlagen für systematische Hachuren ansprechen
will.

Bringt der lange Streifen Wappen, die willkürlich, aus rein dekorativen Gesichtspunkten
zusammengestellt sind, so nehmen zwei niedrigere (H. 0,25 m, L. 2,40 m; H. 0,28 m,

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