Basel
neu ist die Konturierung der Gewandfalten, der Gesichter und Hände mit Hilfe der be-
kannten dunkelbraunen-braungelben Linien, die die nach altem Brauch als Farbenflächen
gesetzten Töne schärfer trennen und hervorheben. Die Methode findet in erster Linie bei
der Durchbildung der Brokatgewänder Anwendung; Schuhe, Beinlinge u. dgl. sind mit
einer dunkelfarbigen Kontur gerahmt, die dem Lokalton (Blau, Rot usw.) entspricht. Die
Wiedergabe der Gesichtszüge nähert sich in der weitergehenden Detaillierung gleichfalls
dem niederländischen Empfinden. Die winzigen, in drei- bis fünffacher Lage gesetzten
Schraffen sind allerdings noch zu missen, dagegen hat die Methode der Spaltwirkung eine
virtuose Erweiterung erfahren; die ovalen Backenflecken sind verschwunden; bräunliche
Strichlagen, der plastischen Form entsprechend verlaufend, suchen den Eindruck des
Lebens zu wahren — nicht immer glücklich. Ganz nach der alten Methode werden die
Blüten wiedergegeben; die blau umrandeten Dolden (zwischen den Beinen des Schappel-
kavaliers) könnten ebensogut den frühesten Tierteppichen entnommen sein; auch die
Durchbildung des Weinlaubs — dunkle konzentrische Streifen auf hellgrünem Grund —
verfährt steifnackig nach altüberliefertem Können. Sicherlich, es fehlen noch Zwischen-
glieder in der geschlossenen Reihe der Tierbehänge seit den dreißiger Jahren bis zum
Minnegartenbehang, der zu Ende des sechsten oder zu Anfang des siebenten Dezenniums
entstanden sein dürfte; an der Zusammengehörigkeit besteht kein Zweifel. Die Datierung
ergibt sich einesteils aus den Trachten, andernteils aus der eigenartigen Komposition der
Vorlage, die heimatlich gewandelte niederländisch-französische Vorbilder mit oberrhei-
nischen Stichmotiven zusammenkoppelt. Ob der Einfluß des Meisters E. S. soweit geht,
wie R. F. Burckhardt annimmt, lasse ich dahingestellt sein. Der Minnegartenteppich teilt
mit dem Ampringenbehang die fast genau übereinstimmende Durchführung des blumigen
Vordergrundes, auch die geflammten Grasbüschel finden sich wieder. Die Verwandtschaft
erweist sich genügend stark, um trotz des qualitativen Unterschiedes die gleiche Werkstatt
voraussetzen zu können. Bemerkenswert ist schließlich die ausgeprägte Vorliebe für reiche
Brokatmuster — zweifellos unter Beeinflussung Tournaiser und Tourainer Wirkereien —,
in reizvollstem Gegensatze zu den ruhigen Farbentönen — Graublau, Schieferblau, Rot,
Saftgrün, Braungelb — der ungemusterten Gewänder. Die einheitlich über das Gewirk
gelegte Farbenharmonie trägt in nicht geringem Maße dazu bei, den flächigen Eindruck
der an und für sich bewegten Figurengruppen zu verstärken.
Im übrigen scheinen am Oberrhein Minneteppiche, in der Anordnung des Basler Be-
hanges, zu den gängigen Wirkereien gehört zu haben, wenigstens läßt ein Bruchstück
(H. 1,10 m, L. 0.65 m) im Unterlindenmuseum zu Kolmar83) diese Folgerung zu. Hier wie
dort schließt das Rebengeländer den Hintergrund, die gekrönte Herrin sitzt am Schach-
tisch, über die Schultern flutet ein hermelinverbrämtes Brokatgewand. Das Spiel verfolgend,
steht hinter ihr ein junges Mädchen, gleichfalls in brokatiertem Kleid, im Haar den Blu-
menkranz. Durch das Weinlaub schlingt sich ein Spruchband mit den gotischen Buch-
staben g . s . f . d. Die Zeit der Entstehung fällt in die siebziger Jahre des 15. Säkulumis.
Trotz der fast gleichen Anordnung bestehen erhebliche technische und künstlerische Un-
terschiede gegenüber dem vorbesprochenen Minneteppich. Zeichnung und Farbengebung
des Weinlaubes sind grundverschieden, die Blütenbüschel des Bodens weichen stark von-
einander ab; die Gesichtszüge verraten, zum mindesten, soweit die Minnekönigin in Frage
kommt, einen stärker westlich orientierten Charakter. Der schalkhafte Blick der Damen
und Herren des Basler Behanges hat sich zu lebhaft fragender Geste gewandelt, der Mund
ist ins Breite gezogen, gleichartig ist die Behandlung der Haare. Der Kopf der Beobachterin
fügt sich dagegen viel leichter dem Basler Minneteppich ein; das Spruchband ist voller
Unruhe, dem etwas fahrigen Weinlaub entsprechend. Eine einwandfreie Zuschreibung des
kleinen Kolmarer Fragmentes ist schwierig, an einen unmittelbaren Werkstättenzusammen-
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neu ist die Konturierung der Gewandfalten, der Gesichter und Hände mit Hilfe der be-
kannten dunkelbraunen-braungelben Linien, die die nach altem Brauch als Farbenflächen
gesetzten Töne schärfer trennen und hervorheben. Die Methode findet in erster Linie bei
der Durchbildung der Brokatgewänder Anwendung; Schuhe, Beinlinge u. dgl. sind mit
einer dunkelfarbigen Kontur gerahmt, die dem Lokalton (Blau, Rot usw.) entspricht. Die
Wiedergabe der Gesichtszüge nähert sich in der weitergehenden Detaillierung gleichfalls
dem niederländischen Empfinden. Die winzigen, in drei- bis fünffacher Lage gesetzten
Schraffen sind allerdings noch zu missen, dagegen hat die Methode der Spaltwirkung eine
virtuose Erweiterung erfahren; die ovalen Backenflecken sind verschwunden; bräunliche
Strichlagen, der plastischen Form entsprechend verlaufend, suchen den Eindruck des
Lebens zu wahren — nicht immer glücklich. Ganz nach der alten Methode werden die
Blüten wiedergegeben; die blau umrandeten Dolden (zwischen den Beinen des Schappel-
kavaliers) könnten ebensogut den frühesten Tierteppichen entnommen sein; auch die
Durchbildung des Weinlaubs — dunkle konzentrische Streifen auf hellgrünem Grund —
verfährt steifnackig nach altüberliefertem Können. Sicherlich, es fehlen noch Zwischen-
glieder in der geschlossenen Reihe der Tierbehänge seit den dreißiger Jahren bis zum
Minnegartenbehang, der zu Ende des sechsten oder zu Anfang des siebenten Dezenniums
entstanden sein dürfte; an der Zusammengehörigkeit besteht kein Zweifel. Die Datierung
ergibt sich einesteils aus den Trachten, andernteils aus der eigenartigen Komposition der
Vorlage, die heimatlich gewandelte niederländisch-französische Vorbilder mit oberrhei-
nischen Stichmotiven zusammenkoppelt. Ob der Einfluß des Meisters E. S. soweit geht,
wie R. F. Burckhardt annimmt, lasse ich dahingestellt sein. Der Minnegartenteppich teilt
mit dem Ampringenbehang die fast genau übereinstimmende Durchführung des blumigen
Vordergrundes, auch die geflammten Grasbüschel finden sich wieder. Die Verwandtschaft
erweist sich genügend stark, um trotz des qualitativen Unterschiedes die gleiche Werkstatt
voraussetzen zu können. Bemerkenswert ist schließlich die ausgeprägte Vorliebe für reiche
Brokatmuster — zweifellos unter Beeinflussung Tournaiser und Tourainer Wirkereien —,
in reizvollstem Gegensatze zu den ruhigen Farbentönen — Graublau, Schieferblau, Rot,
Saftgrün, Braungelb — der ungemusterten Gewänder. Die einheitlich über das Gewirk
gelegte Farbenharmonie trägt in nicht geringem Maße dazu bei, den flächigen Eindruck
der an und für sich bewegten Figurengruppen zu verstärken.
Im übrigen scheinen am Oberrhein Minneteppiche, in der Anordnung des Basler Be-
hanges, zu den gängigen Wirkereien gehört zu haben, wenigstens läßt ein Bruchstück
(H. 1,10 m, L. 0.65 m) im Unterlindenmuseum zu Kolmar83) diese Folgerung zu. Hier wie
dort schließt das Rebengeländer den Hintergrund, die gekrönte Herrin sitzt am Schach-
tisch, über die Schultern flutet ein hermelinverbrämtes Brokatgewand. Das Spiel verfolgend,
steht hinter ihr ein junges Mädchen, gleichfalls in brokatiertem Kleid, im Haar den Blu-
menkranz. Durch das Weinlaub schlingt sich ein Spruchband mit den gotischen Buch-
staben g . s . f . d. Die Zeit der Entstehung fällt in die siebziger Jahre des 15. Säkulumis.
Trotz der fast gleichen Anordnung bestehen erhebliche technische und künstlerische Un-
terschiede gegenüber dem vorbesprochenen Minneteppich. Zeichnung und Farbengebung
des Weinlaubes sind grundverschieden, die Blütenbüschel des Bodens weichen stark von-
einander ab; die Gesichtszüge verraten, zum mindesten, soweit die Minnekönigin in Frage
kommt, einen stärker westlich orientierten Charakter. Der schalkhafte Blick der Damen
und Herren des Basler Behanges hat sich zu lebhaft fragender Geste gewandelt, der Mund
ist ins Breite gezogen, gleichartig ist die Behandlung der Haare. Der Kopf der Beobachterin
fügt sich dagegen viel leichter dem Basler Minneteppich ein; das Spruchband ist voller
Unruhe, dem etwas fahrigen Weinlaub entsprechend. Eine einwandfreie Zuschreibung des
kleinen Kolmarer Fragmentes ist schwierig, an einen unmittelbaren Werkstättenzusammen-
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