Elsaß
allen elsässischen Teppichen zweifarbig: blau-grün, gelb-grün, grün-weiß, grün-braun
usw.36). Die Tatsache, daß die Legende der letzten Szene und die dem Sigmaringer Teppich
entnommenen Episoden im Spiegelbilde erscheinen, läßt m. E. mit Sicherheit den Schluß
zu, daß es sich im Gegensatze zu der Sigmaringer Wirkerei um ein Erzeugnis am tieflitzigen
Stuhl handelt; immerhin hat der Kartonzeichner die Vorsicht gebraucht, in den meisten
Fällen nicht den rechten mit dem linken Arm zu verwechseln. Als seitlicher Abschluß er-
scheinen rechts und links je zwei übereinandergestellte Wappen, die heraldischen Zeichen
der schwäbischen Geschlechter von Wembding und der Stain von Rechtenstain37). Charak-
teristisch für die Werkstätte ist die Durchbildung der Rankenbäume, die in ihrem Schwünge
stark an Illuminatorenleisten erinnern. Der Baum, rechts neben dem erstürmten Wohnturm
(5. Szene), mit seiner typischen Spirale, dem zudem ein stilisierter Adler aufgelegt ist,
dürfte einer Handschrift entnommen sein, die ihre Verwandtschaft mit den bizarren Ran-
ken der Wenzelbibel nicht zu leugnen vermag, wohl mit ein Grund, der H. Schmitz38) be-
stimmte, den Teppich mit verschiedenen anderen Behängen einer südostdeutschen, d. h.
Tiroler oder böhmischen Gruppe zu überweisen. Im übrigen zeigt die Farbengebung und
Detaillierung des Blattwerkes das typische elsässische Gepräge; auch die mehrfach vor-
kommende Querstreifung der Blätter in konzentrischen Ringen (1. Rankenbaum), eine
Eigenart, die die Schule des Elsasses mit der von Basel teilt, kehrt wieder.
Auf das gleiche Atelier geht ein Teppichfragment (Abb. 64b, H. 0,73 m, L. 1,05 m) im
Bayerischen Nationalmuseum zu München zurück. Die Zeichnung der feinkonturierten
runden Hügelchen mit der konzentrischen Schraffenlage ist dieselbe, an Stelle der den
Regensburger Hügeln eingelegten Dolden erscheint hier, nicht minder schematisch, eine
fünfblättrige Blüte. Abgesehen von dem Eichbaum, der diesmal aber nicht als Ranken-
gewächs (wie in Regensburg) erscheint, findet sich ein merkwürdiges Gebilde, dessen lap-
pige Blätter an den krautigen Hintergrund der Basler Tierwirkereien erinnern. Das Frag-
ment ist etwa zur gleichen Zeit, d. h. um 1410 entstanden; die Textur (Wolle und Leinen)
ist wesentlich feiner (6—7 Kettfäden). Den Hintergrund hebt wiederum ein kräftiges Rot.
Die Wildmännerjagd geht auf: links reitet ein Wildbursch mit geschultertem Speer auf
einem löwenartigen Ungeheuer, er stößt, die Hätz eröffnend, ins Horn. Ihm folgt ein Ge-
fährte mit zwei gefleckten Bracken — in der Haltung außerordentlich naturalistisch, der
eine Köter setzt zu langgezogenem Jaulen ein. Die nächste Gruppe ist ungeschickt ange-
fügt; der Baumschlag wird pedantisch durch eine senkrechte Linie begrenzt, die Erdhügel-
chen sind glatt halbiert. Sollte es sich um eine Kissenblätterserie gehandelt haben? Ein
blaugezottelter Wildmann klettert auf den Eichbaum; ein Häschen springt; ein Fuchs ver-
schwindet halb in seinem Bau; hinter den hügelartig geschichteten Halbkreisen mit den
aufgelegten Fünfblattblümchen reitet, halb verdeckt, ein Wildmann auf einem Hirsch. Der
Teppich zeigt die technischen Eigenschaften des vorbesprochenen Regensburger Behanges;
in dem Karton, der mit unzulänglichen Mitteln eine Tiefenwirkung anstrebt, ähnelt er mehr
dem Sigmaringer Mohrenkampf, ohne die nervöse Bewegtheit der Figuren zu erreichen.
Als letztes Glied der nicht breit konturierten Erdhügelgruppe erscheint ein Teppich
(Abb. 65, H.0,99 m, L. 2,86 m) ehedem in der Wiener Sammlung Figdor, der 1% bis 2 Jahr-
zehnte später anzusetzen ist (etwa um 1430). Der konzentrische, die Rundung des Erd-
hügels begleitende Schraffenkreis ist einer durchgehenden senkrechten Schraffierung ge-
wichen; die schematisch, aber in der Einheitlichkeit der Wirkung durchaus dekorativ ge-
setzte Dolde oder Blume ist verschwunden; die den Erdhügeln aufgelegten Gewächse sind
anspruchsvoller geworden, sie werden zum Teil durch Köpfe oder Hinterleiber von Hasen
ersetzt, die aus den Erdhöhlen lugen oder ihr Versteck suchen. Die Zeichnung der winzigen
Hunde, die über die niedrigen Erdhügel fegen und Häslein hetzen, stimmt mit der natura-
listischen Auffassung der beiden Köter im vorigen Behang auffallend überein. Im übrigen
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allen elsässischen Teppichen zweifarbig: blau-grün, gelb-grün, grün-weiß, grün-braun
usw.36). Die Tatsache, daß die Legende der letzten Szene und die dem Sigmaringer Teppich
entnommenen Episoden im Spiegelbilde erscheinen, läßt m. E. mit Sicherheit den Schluß
zu, daß es sich im Gegensatze zu der Sigmaringer Wirkerei um ein Erzeugnis am tieflitzigen
Stuhl handelt; immerhin hat der Kartonzeichner die Vorsicht gebraucht, in den meisten
Fällen nicht den rechten mit dem linken Arm zu verwechseln. Als seitlicher Abschluß er-
scheinen rechts und links je zwei übereinandergestellte Wappen, die heraldischen Zeichen
der schwäbischen Geschlechter von Wembding und der Stain von Rechtenstain37). Charak-
teristisch für die Werkstätte ist die Durchbildung der Rankenbäume, die in ihrem Schwünge
stark an Illuminatorenleisten erinnern. Der Baum, rechts neben dem erstürmten Wohnturm
(5. Szene), mit seiner typischen Spirale, dem zudem ein stilisierter Adler aufgelegt ist,
dürfte einer Handschrift entnommen sein, die ihre Verwandtschaft mit den bizarren Ran-
ken der Wenzelbibel nicht zu leugnen vermag, wohl mit ein Grund, der H. Schmitz38) be-
stimmte, den Teppich mit verschiedenen anderen Behängen einer südostdeutschen, d. h.
Tiroler oder böhmischen Gruppe zu überweisen. Im übrigen zeigt die Farbengebung und
Detaillierung des Blattwerkes das typische elsässische Gepräge; auch die mehrfach vor-
kommende Querstreifung der Blätter in konzentrischen Ringen (1. Rankenbaum), eine
Eigenart, die die Schule des Elsasses mit der von Basel teilt, kehrt wieder.
Auf das gleiche Atelier geht ein Teppichfragment (Abb. 64b, H. 0,73 m, L. 1,05 m) im
Bayerischen Nationalmuseum zu München zurück. Die Zeichnung der feinkonturierten
runden Hügelchen mit der konzentrischen Schraffenlage ist dieselbe, an Stelle der den
Regensburger Hügeln eingelegten Dolden erscheint hier, nicht minder schematisch, eine
fünfblättrige Blüte. Abgesehen von dem Eichbaum, der diesmal aber nicht als Ranken-
gewächs (wie in Regensburg) erscheint, findet sich ein merkwürdiges Gebilde, dessen lap-
pige Blätter an den krautigen Hintergrund der Basler Tierwirkereien erinnern. Das Frag-
ment ist etwa zur gleichen Zeit, d. h. um 1410 entstanden; die Textur (Wolle und Leinen)
ist wesentlich feiner (6—7 Kettfäden). Den Hintergrund hebt wiederum ein kräftiges Rot.
Die Wildmännerjagd geht auf: links reitet ein Wildbursch mit geschultertem Speer auf
einem löwenartigen Ungeheuer, er stößt, die Hätz eröffnend, ins Horn. Ihm folgt ein Ge-
fährte mit zwei gefleckten Bracken — in der Haltung außerordentlich naturalistisch, der
eine Köter setzt zu langgezogenem Jaulen ein. Die nächste Gruppe ist ungeschickt ange-
fügt; der Baumschlag wird pedantisch durch eine senkrechte Linie begrenzt, die Erdhügel-
chen sind glatt halbiert. Sollte es sich um eine Kissenblätterserie gehandelt haben? Ein
blaugezottelter Wildmann klettert auf den Eichbaum; ein Häschen springt; ein Fuchs ver-
schwindet halb in seinem Bau; hinter den hügelartig geschichteten Halbkreisen mit den
aufgelegten Fünfblattblümchen reitet, halb verdeckt, ein Wildmann auf einem Hirsch. Der
Teppich zeigt die technischen Eigenschaften des vorbesprochenen Regensburger Behanges;
in dem Karton, der mit unzulänglichen Mitteln eine Tiefenwirkung anstrebt, ähnelt er mehr
dem Sigmaringer Mohrenkampf, ohne die nervöse Bewegtheit der Figuren zu erreichen.
Als letztes Glied der nicht breit konturierten Erdhügelgruppe erscheint ein Teppich
(Abb. 65, H.0,99 m, L. 2,86 m) ehedem in der Wiener Sammlung Figdor, der 1% bis 2 Jahr-
zehnte später anzusetzen ist (etwa um 1430). Der konzentrische, die Rundung des Erd-
hügels begleitende Schraffenkreis ist einer durchgehenden senkrechten Schraffierung ge-
wichen; die schematisch, aber in der Einheitlichkeit der Wirkung durchaus dekorativ ge-
setzte Dolde oder Blume ist verschwunden; die den Erdhügeln aufgelegten Gewächse sind
anspruchsvoller geworden, sie werden zum Teil durch Köpfe oder Hinterleiber von Hasen
ersetzt, die aus den Erdhöhlen lugen oder ihr Versteck suchen. Die Zeichnung der winzigen
Hunde, die über die niedrigen Erdhügel fegen und Häslein hetzen, stimmt mit der natura-
listischen Auffassung der beiden Köter im vorigen Behang auffallend überein. Im übrigen
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