Mittelrhein und Grenzgebiete
prismen. Nicht minder schematisch ist der Wald — Wattebauschen gleich — erfaßt, der
den Fuß der Rheinberge säumt. Mehr als naiv lagert ein gigantischer Hase (?) unterhalb
der Bergeskuppe. Ein gänzlich verzeichneter Hund treibt sich im Grase am Ufer herum.
Dem zwar ungeschickt wiedergegebenen, aber deutlich angestrebten Naturalismus zufolge
kann das Fragment kaum vor den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts entstanden sein.
Die groben langen Schraffen sind vielfach ohne Rücksicht auf die Gewandlagen gesetzt. Die
Sonne (als Gesicht wiedergegeben), die über den Rheinbergen steht, sendet merkwürdige,
gekrümmte, zerfaserte Strahlen.
Ein wenig späteres Fragment (um 1500) eines ursprünglich umfangreichen Rücklakens
verzeichnet die Sammlung Schloß Rohoncz (Baron Thyssen-Bornemisza): Am Ufer hält das
bereits stark besetzte Schiff — ein Bischof liest im Brevier —; aus dem Stadttore schreiten
St. Ursula und der Prinz, Kronen auf den Häuptern, mit ihrem Gefolge; im Hintergrunde
ragen, von den Stadtmauern umgrenzt, Tore und Türme der Stadt Mainz. Die Technik zeigt
die gleichen typischen Eigenarten des vorausbesprochenen kleineren Fragmentes. Das in
Wolle gewirkte Stück mißt 1,10 m in der Höhe, 1,92 m in der Länge51).
Ungleich höher steht ein Antependium (Abb. 96b, H. 0,79 m, L. 2,97 m) mit drei Episoden
— 1. Maria im Hortus conclusus hält das Einhorn im Schoß, Gabriel, von seinen allegori-
schen Hunden begleitet, stößt ins Horn, 2. Geburt Christi, 3. Anbetung der Könige — in der
Marienkirche zu Gelnhausen. Die szenische Tiefenwirkung ist derart ausgesprochen, die
Bewegung der Figuren so differenziert, daß die Entstehung des Behanges in die Zeit um
1500 zu verlegen ist. Ob ein Anklingen an die alte Wirkereitechnik mitspielt oder die Klein-
heit der Wirkerei bei dem groben Gefüge (5 Kettfäden) Schwierigkeit bereitete, die Gesichter
sind nur zum Teil gewirkt, zum Teil gemalt, zum Teil gestickt. Der Körper des liegenden
Christuskindes in der Geburt ist ganz und gar (auch in den Konturen) gestickt52). Die
kniende Madonna in der Anbetung mit dem Kind ist fast wörtlich der Geburt Christi von
Schongauer (B 5)53) entlehnt, gleichermaßen kehrt der Typ des Joseph mehrfach in Sti-
chen Schongauers wieder. Die Madonna im Hortus conclusus mit dem breiten, in knittrige
Falten gelegten Kleid erinnert an die Schongauersche „Madonna im Hofe" (B. 32). Im Auf-
bau der „Geburt" und der „Anbetung" zeigt sich eine so weitgehende Übereinstimmung mit
dem Marienteppich auf Schloß Maihingen, — natürlich abgesehen von der weit fortgeschrit-
teneren Tiefenausbildung des Hintergrundes —, daß an die Verwendung der gleichen Stich-
vorlagen in beiden Wirkereien gedacht werden muß. Technisch steht das Gelnhausener
Antependium zwischen dem Behang auf Schloß Maihingen und dem Sippenteppich. Die
unruhige Kupferstichstrichelung ist verlassen, die niederländische Manier noch nicht er-
reicht. Die zumeist schräg verlaufenden Schraffenlagen sind sehr sparsam verwandt; die
Modellierung der Gewänder ist nicht sonderlich ausgeprägt, das knittrige Kleid der Ma-
donna im Hortus conclusus, mit den willkürlich gesetzten Hachuren, erinnert an die Durch-
bildung der Gewänder in Ursulas Rheinfahrt.
8. Mittelrheinische Arbeiten unbestimmter Provenienz.
B. Kurth gliedert der mittelrheinischen Gruppe drei Wirkereien an — ein Teppich mit
Liebeswerbung im Mannheimer Schloßmuseum54), ein kleines heraldisches Stück im Baye-
rischen Nationalmuseum und ein Fragment mit der Kreuznagelung Christi im österreichi-
schen Museum für Kunst und Industrie in Wien —, die m. E. nur mit gewissen Frage-
zeichen als mittelrheinisch bezeichnet werden können. In dem erstgenannten Stück, einem
Kissenblatt (Abb. 98, H. 0,54 m, L. 0,75 m), überspinnen naturalistisch gezeichnete Rosen-
ranken den dunkelblauen Grund. Die blumenbekränzte Minneherrin, in rotem Brokat-
gewand, hält in den ausgestreckten Armen Ringlein und Kranz. Vier junge Burschen werben
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prismen. Nicht minder schematisch ist der Wald — Wattebauschen gleich — erfaßt, der
den Fuß der Rheinberge säumt. Mehr als naiv lagert ein gigantischer Hase (?) unterhalb
der Bergeskuppe. Ein gänzlich verzeichneter Hund treibt sich im Grase am Ufer herum.
Dem zwar ungeschickt wiedergegebenen, aber deutlich angestrebten Naturalismus zufolge
kann das Fragment kaum vor den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts entstanden sein.
Die groben langen Schraffen sind vielfach ohne Rücksicht auf die Gewandlagen gesetzt. Die
Sonne (als Gesicht wiedergegeben), die über den Rheinbergen steht, sendet merkwürdige,
gekrümmte, zerfaserte Strahlen.
Ein wenig späteres Fragment (um 1500) eines ursprünglich umfangreichen Rücklakens
verzeichnet die Sammlung Schloß Rohoncz (Baron Thyssen-Bornemisza): Am Ufer hält das
bereits stark besetzte Schiff — ein Bischof liest im Brevier —; aus dem Stadttore schreiten
St. Ursula und der Prinz, Kronen auf den Häuptern, mit ihrem Gefolge; im Hintergrunde
ragen, von den Stadtmauern umgrenzt, Tore und Türme der Stadt Mainz. Die Technik zeigt
die gleichen typischen Eigenarten des vorausbesprochenen kleineren Fragmentes. Das in
Wolle gewirkte Stück mißt 1,10 m in der Höhe, 1,92 m in der Länge51).
Ungleich höher steht ein Antependium (Abb. 96b, H. 0,79 m, L. 2,97 m) mit drei Episoden
— 1. Maria im Hortus conclusus hält das Einhorn im Schoß, Gabriel, von seinen allegori-
schen Hunden begleitet, stößt ins Horn, 2. Geburt Christi, 3. Anbetung der Könige — in der
Marienkirche zu Gelnhausen. Die szenische Tiefenwirkung ist derart ausgesprochen, die
Bewegung der Figuren so differenziert, daß die Entstehung des Behanges in die Zeit um
1500 zu verlegen ist. Ob ein Anklingen an die alte Wirkereitechnik mitspielt oder die Klein-
heit der Wirkerei bei dem groben Gefüge (5 Kettfäden) Schwierigkeit bereitete, die Gesichter
sind nur zum Teil gewirkt, zum Teil gemalt, zum Teil gestickt. Der Körper des liegenden
Christuskindes in der Geburt ist ganz und gar (auch in den Konturen) gestickt52). Die
kniende Madonna in der Anbetung mit dem Kind ist fast wörtlich der Geburt Christi von
Schongauer (B 5)53) entlehnt, gleichermaßen kehrt der Typ des Joseph mehrfach in Sti-
chen Schongauers wieder. Die Madonna im Hortus conclusus mit dem breiten, in knittrige
Falten gelegten Kleid erinnert an die Schongauersche „Madonna im Hofe" (B. 32). Im Auf-
bau der „Geburt" und der „Anbetung" zeigt sich eine so weitgehende Übereinstimmung mit
dem Marienteppich auf Schloß Maihingen, — natürlich abgesehen von der weit fortgeschrit-
teneren Tiefenausbildung des Hintergrundes —, daß an die Verwendung der gleichen Stich-
vorlagen in beiden Wirkereien gedacht werden muß. Technisch steht das Gelnhausener
Antependium zwischen dem Behang auf Schloß Maihingen und dem Sippenteppich. Die
unruhige Kupferstichstrichelung ist verlassen, die niederländische Manier noch nicht er-
reicht. Die zumeist schräg verlaufenden Schraffenlagen sind sehr sparsam verwandt; die
Modellierung der Gewänder ist nicht sonderlich ausgeprägt, das knittrige Kleid der Ma-
donna im Hortus conclusus, mit den willkürlich gesetzten Hachuren, erinnert an die Durch-
bildung der Gewänder in Ursulas Rheinfahrt.
8. Mittelrheinische Arbeiten unbestimmter Provenienz.
B. Kurth gliedert der mittelrheinischen Gruppe drei Wirkereien an — ein Teppich mit
Liebeswerbung im Mannheimer Schloßmuseum54), ein kleines heraldisches Stück im Baye-
rischen Nationalmuseum und ein Fragment mit der Kreuznagelung Christi im österreichi-
schen Museum für Kunst und Industrie in Wien —, die m. E. nur mit gewissen Frage-
zeichen als mittelrheinisch bezeichnet werden können. In dem erstgenannten Stück, einem
Kissenblatt (Abb. 98, H. 0,54 m, L. 0,75 m), überspinnen naturalistisch gezeichnete Rosen-
ranken den dunkelblauen Grund. Die blumenbekränzte Minneherrin, in rotem Brokat-
gewand, hält in den ausgestreckten Armen Ringlein und Kranz. Vier junge Burschen werben
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