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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0282
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6. Fulda.

Meister Thomas tritt, wie schon erwähnt, im März 1725, in die besser bezahlten Dienste
des Fuldaer Bischofs. Er nimmt das Amt eines Hoftapetenwirkers und Hoftapeziers ein und
wird bereits 1727 zum Burgvogt ernannt. Der Bestand des Bistums an Stickereien und
Wirkteppichen muß ein verhältnismäßig reicher gewesen sein. Bereits im Jahre 1700 läßt
die Fuldaer Rentkammer nicht weniger als 4856 fl. 8 bz. 2 pfg. dem Frankfurter Tapezier
Joachim Hoppe in verschiedenen Abschlagszahlungen überweisen119). Im September des
gleichen Jahres erscheinen im Auftrage des Frankfurter Unternehmers zwei Meister und
zwei Gesellen, um die Wirkereien mit Leinen zu hinterkleiden und ordnungsgemäß aufzu-
hängen. Es werden zur Unterfütterung ,,700 Ellen schmal grob tuch" benötigt. Leider findet
sich die Darstellung der Tapeten nirgends erwähnt. Bei dem Unternehmen Hoppes scheint
es sich mehr um den Tapisserievertrieb, als um eine regelrechte Manufaktur zu handeln.
Joachim Hoppe aus Harburg wurde nach Auskunft des Stadtarchives zu Frankfurt a. M. im
August 1687 als Bürger in der Schneiderzunft eingetragen. Er besaß einen umfangreichen
Handel und scheint mit Nicolaus Langen, der u. a. im Jahre 1700 für das Kasseler Schloß
eine Folge von 8 Wirkteppichen mit mythologischen Szenen lieferte, den Frankfurter Tapis-
seriemarkt beherrscht zu haben.

Bevor Meister Thomas in Fulda seinen Dienst antritt, ist dort bereits eine lebhafte künst-
lerische Tätigkeit im Gang. Sie beginnt vor 1720 mit dem französischen Sticker und Hof-
tapezier Vidal120). Nach den Rechnungsausweisen des Jahres 1720 arbeiten unter ihm nicht
weniger als 4 Gesellen und zahlreiche weibliche Hilfskräfte. Die Belege enthalten in aus-
führlicher Weise die Namen der betreffenden Mitarbeiter, geben aber nur ungenügenden
Aufschluß über die Motive der betreffenden Arbeiten. Es scheint sich um Möbelbezüge ge-
handelt zu haben; Vidal kauft unter anderem einen Posten Schattierungsseide ein ,,pour
faire de fleurs au Naturelle". 1721 scheidet der Sticker aus nicht näher ersichtlichen Grün-
den aus. Um die Stelle bewerben sich der Tapissier Gottfried Straub, aus Thüringen, der
sich in einem längeren Anschreiben als jüngst übergetretener Katholik für besonders geeig-
net hält121), und sein Kollege Tettelbach. Letzterer wird eingestellt; Straub mit einem Gul-
den „zur Wegzehrung und Allmosen" abgefunden. Als Kartonist kommt der Eisenacher
Maler Johann Georg Wentzel122) in Betracht, der unter anderem für das neue Jagdhaus im
Tiergarten eine Reihe gemalter Tapeten fertigt. Außer ihm wird der Fuldaer Maler Georg
Christoph Jung seit 1722 erwähnt. Nach knapp einjähriger Tätigkeit räumt Tettelbach das
Feld. An seine Stelle tritt Constantin Becker123), um wiederum 1725 Meister Thomas Platz
zu machen124). Der Würzburger Wirker beginnt seine Arbeit mit dem Ankauf verschiede-
ner Schattierungsgarne und Seiden, die in Frankfurt a. M. eingehandelt werden. Diesmal
dreht es sich nicht, wie in Würzburg, um englische, sondern um französische Ware. Die
umfangreichen Rechnungsbelege der nächsten Jahre125) zeigen einen verhältnismäßig star-
ken Betrieb unseres Meisters. So werden 1726 an Gehilfenlöhnen nicht weniger als 528 Gul-
den gezahlt. Die Gesamtausgaben betragen 1359 Gulden. Thomas beschäftigt 4 Gesellen und
zeitweise 9 Frauen, von denen ein Teil allerdings nur zu Hilfsarbeiten benutzt wird, zum
Auskämmen von Wolle und dergleichen. 1727 belaufen sich die Lohnvergütungen auf
512 Gulden. Im übrigen übt Thomas, außer seiner Wirkertätigkeit, auch das in seiner An-
stellung mit vorgesehene Amt eines Tapeziers im heutigen Sinne aus. Er kauft in Johannes-

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