40 Deutschlands Kunstschätze.
ohne ihn eines Grußes zu würdigen, während der Prinz dem frühern Nebenbuhler rasch den-
Rücken zukehrte. Lully hüllte sich in seinen Mantel und begab sich in den Schatten eines der aus
der Mauer halb Hervorspringenden Thürme, entschlossen, nach der Zurückkunft der beiden Cavaliere
aus Duchambeau einen Angriff zu machen, um zu erfahren, wie sich das Geheimniß aus der
Straße de la Tisseranderie weiter gestaltet habe.
Nach einer halben Stunde kam Colonna, welcher gebückt und in sich gekehrt daher schritt und
in seine Kutsche kroch. Es währte noch eine Viertelstunde, bis der Graf St. Paul erfchien, der sich
in so animirter Stimmung befand, um laut mit sich selbst zu sprechen.
„Ist eine solche Einfältigkeit zu überbieten?" sagte er, als der Pförtner hinter ihm die schwere
Thür zuschlug. „Ich soll Bilder stehlen lassen, Weiber darstellend, die ich seit einer Ewigkeit ver-
gessen habe? Bilder von Bräuten, von Vorbildern des Stolzes, der Dummheit und der Feigheit
obendrein? Sacrebleu! Wer diese Bouillon mir aufgetischt hat, dem will ich zeigen, sie allein
zu essen..."
„Guten Abend, Monseigneur!" sagte Lully, mehr herantretend und den Hut tief senkend,
damit der Graf ihn erkennen könne.
St. Paul sah zur Seite.
„Was? Maestro Lully? Ihr seid ohne Zweifel gekommen, um die Ohrfeige in Musik zu
setzen, welche der Polizeimeister soeben von mir empfangen hat..."
„Eine Ohrfeige? O, gnätiger Herr, gewiß ist sie als ganze Note und eon kuoeo vorgetragen
worden ... Es ist eine Stunde kaum, als mich Herr Du Jambon seiner genauern Aufmerksamkeit
würdigte ..."
„Wegen des Bildes der Mancini etwa?"
„Eben deshalb ..."
„Weil Ihr vor einigen Jahren zu Ehren der Dame Cantilenen componirt und Petrarca'sche
Sonette in Musik gesetzt habt? Superbe!"
„Ich bin als Begleiter meines Gastes, des Dichters Gherardesca, in's Chätelet gegangen,
welcher Mignard im Bette überfallen und das Portrait der Donna Mancini gestohlen haben soll
... Er ist in die Bastille gebracht worden!"
„Hört, Lully, es ist heute Abend schlimmer Weg; setzt Euch mit in meinen Wagen. Ich muß
mir Licht über die Urquelle der mir widerfahrenen Sottise verschaffen."
Beide stiegen ein. Aufgefordert, erzählte der Componist das Abenteuer Mignard's und schil-
derte den Besuch, welchen er mit Gherardesca dem Maler abgestattet hatte.
„Und Ihr glaubt, Euer genialer Landsmann sei der Dieb gewesen?"
„Ich bin vom Gegentheil überzeugt... Mir ist, verzeihen mir die Heiligen die Sünde,
wenn es eine sein sollte, schon Lebrun eingefallen... Er ist so entsetzlich neidisch und ehrsüchtig
!und ist zu Allem fähig, wenn es gilt, einem Andern ein Lorbeerblatt zu entreißen .. ."
„O, die Fährte ist falsch!" rief der Cavalier. „Charles Lebrun wird sich selbst nie gestehen
können, daß es irgendwo in der Welt ein Bild giebt, das würdig wäre, von ihm geraubt zu
werden! Nein, hier ist der alberne Colonna im Spiele, welcher aus Donna Maria eisersüchtig
sein zu müssen glaubt, seit er ihr Verlobter ist, obwohl er seine Braut mit völlig gleichgiltigen
Augen betrachtet ... Der König entsagt seiner Liebe für die Prinzessin Mancini und will nur
ohne ihn eines Grußes zu würdigen, während der Prinz dem frühern Nebenbuhler rasch den-
Rücken zukehrte. Lully hüllte sich in seinen Mantel und begab sich in den Schatten eines der aus
der Mauer halb Hervorspringenden Thürme, entschlossen, nach der Zurückkunft der beiden Cavaliere
aus Duchambeau einen Angriff zu machen, um zu erfahren, wie sich das Geheimniß aus der
Straße de la Tisseranderie weiter gestaltet habe.
Nach einer halben Stunde kam Colonna, welcher gebückt und in sich gekehrt daher schritt und
in seine Kutsche kroch. Es währte noch eine Viertelstunde, bis der Graf St. Paul erfchien, der sich
in so animirter Stimmung befand, um laut mit sich selbst zu sprechen.
„Ist eine solche Einfältigkeit zu überbieten?" sagte er, als der Pförtner hinter ihm die schwere
Thür zuschlug. „Ich soll Bilder stehlen lassen, Weiber darstellend, die ich seit einer Ewigkeit ver-
gessen habe? Bilder von Bräuten, von Vorbildern des Stolzes, der Dummheit und der Feigheit
obendrein? Sacrebleu! Wer diese Bouillon mir aufgetischt hat, dem will ich zeigen, sie allein
zu essen..."
„Guten Abend, Monseigneur!" sagte Lully, mehr herantretend und den Hut tief senkend,
damit der Graf ihn erkennen könne.
St. Paul sah zur Seite.
„Was? Maestro Lully? Ihr seid ohne Zweifel gekommen, um die Ohrfeige in Musik zu
setzen, welche der Polizeimeister soeben von mir empfangen hat..."
„Eine Ohrfeige? O, gnätiger Herr, gewiß ist sie als ganze Note und eon kuoeo vorgetragen
worden ... Es ist eine Stunde kaum, als mich Herr Du Jambon seiner genauern Aufmerksamkeit
würdigte ..."
„Wegen des Bildes der Mancini etwa?"
„Eben deshalb ..."
„Weil Ihr vor einigen Jahren zu Ehren der Dame Cantilenen componirt und Petrarca'sche
Sonette in Musik gesetzt habt? Superbe!"
„Ich bin als Begleiter meines Gastes, des Dichters Gherardesca, in's Chätelet gegangen,
welcher Mignard im Bette überfallen und das Portrait der Donna Mancini gestohlen haben soll
... Er ist in die Bastille gebracht worden!"
„Hört, Lully, es ist heute Abend schlimmer Weg; setzt Euch mit in meinen Wagen. Ich muß
mir Licht über die Urquelle der mir widerfahrenen Sottise verschaffen."
Beide stiegen ein. Aufgefordert, erzählte der Componist das Abenteuer Mignard's und schil-
derte den Besuch, welchen er mit Gherardesca dem Maler abgestattet hatte.
„Und Ihr glaubt, Euer genialer Landsmann sei der Dieb gewesen?"
„Ich bin vom Gegentheil überzeugt... Mir ist, verzeihen mir die Heiligen die Sünde,
wenn es eine sein sollte, schon Lebrun eingefallen... Er ist so entsetzlich neidisch und ehrsüchtig
!und ist zu Allem fähig, wenn es gilt, einem Andern ein Lorbeerblatt zu entreißen .. ."
„O, die Fährte ist falsch!" rief der Cavalier. „Charles Lebrun wird sich selbst nie gestehen
können, daß es irgendwo in der Welt ein Bild giebt, das würdig wäre, von ihm geraubt zu
werden! Nein, hier ist der alberne Colonna im Spiele, welcher aus Donna Maria eisersüchtig
sein zu müssen glaubt, seit er ihr Verlobter ist, obwohl er seine Braut mit völlig gleichgiltigen
Augen betrachtet ... Der König entsagt seiner Liebe für die Prinzessin Mancini und will nur