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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0073
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Deutschlands Kunstschatze. 43
welche seine Vermählung mit mir zu hintertreiben suchten und das Heil Frankreichs von der
Schwester des Kaisers Franz, der Erzherzogin Maria Theresia erwarteten ... Noch einmal aber
flammte die Leidenschaft des Königs auf, als es bekannt wurde, daß ich mich entschlosfen Hatte, dem
Prinzen Colonna meine Hand zu reichen. Ich habe einen schweren Kampf bestanden, um meinen
Entschluß aufrecht zu erhalten, Herr Graf! Endlich gab der König nach und erbat sich nur mein
Bildniß. Der Graf Dietrichstein war zugegen, als der König ausrief: Dies Bildniß wird Königin
von Frankreich fein, so lange ich lebe und Niemand weiter!"
„Ich, ich begreife!" rief St. Paul sehr aufgeregt. „Die Jntrigue ist von der kaiserlichen
Gesandtschaft angezettelt worden, nachdem Colbert und die Führer des Parlaments dieselbe ge-
billigt Hatten . .."
„Ich dachte nnr an die Oesterreicher .. ."
„Sehr gut; ich werde sehr bald dem Dinge auf den Grund kommen", sagte St. Paul, un-
willkürlich mit der linken Hand den Degen fassend ... „Empfangt meinen Dank, Altezza...
Wäre ich nicht zweiunddreißig Jahre alt, so würde ich, nach dem Beweise Eures Vertrauens, das
Ihr mir soeben gegeben habt, schwerlich die angemessene Form für meine Empfindungen finden.
So aber darf ich sagen, daß es keinen Cavalier giebt, der Euch höher achtet uud Euch treuer er-
geben ist, als ich..."
Er küßte der Dame ehrerbietig die Hand und schied mit großer Bewegung.
„Nun?" fragte Lully. „Eure Zwiesprache muß sehr wichtig oder sehr iuteressant gewesen sein ..."
„Das Eine und das Andere, Maestro! Ich habe die Fährte der Füchse entdeckt, meine ich,
und sie sollen mir nicht entwischen, parblou! Es ist noch nicht zu spät, um noch eiu gutes Stück
Arbeit Heute Abend fertig zu bringen."
„Ich bin zu Eurer Verfügung, Herr Graf!"
„Maestro, ich komme wahrscheinlich in den Fall, meinen Degen zu gebrauchen und da werdet
Ihr mit Eurem Tactirstabe mir wenig nützen können . . ."
„Wie? Es handelt sich um einen Zweikampf?" sagte Lullh sehr ängstlich.
„O, so bestimmt ist das nicht auszusprechen; aber es ist immerhin nicht unwahrscheinlich,
daß es Degenstöße geben wird . . ."
„Wenn ich in der Klinge so stark wäre, wie im Tactiren, so würde ich Euer Mann sein . .."
„O, es ist nicht nothwendig, Euch zu entschuldigen Ich mache meinen Part schon allein ab
.. . Nehmt meinen Wagen und laßt Euch zu Hause fahren und stellt Euch morgen um elf Uhr bei
mir ein. Vielleicht kann ich Euch angenehme Nachrichten geben."
Lully fuhr ab und der Graf durchwanderte zu Fuß die Straßen, wo sein Vater, Heinrich,
Herzog von Longueville, so wie sein Onkel, Prinz Bourbon-Conde bei den Unruhen der Fronde
mit dem Degen Geschichte geschrieben Hatten. Vom Hotel de Ville abbiegend kam er zum Palast
der kaiserlichen Gesandtschaft.
Graf Dietrichstein war keine zehn Minuten früher vom Hof gekommen. Er hatte, als St.
Paul bei ihm eintrat, Degen und Hut abgelegt uud war übrigens noch in voller Gala. Der Graf
war ein Fünfziger, aber jedenfalls mehr Fechter, als Schreiber, eine ritterliche Figur voll Feuer
und Kraft. I
„Excellenz, ich komme zu ungewöhnlicher Stunde und in ungewöhnlicher Angelegenheit . . ."

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