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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0112
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70 Deutschlands Kunstschätze.
daß die Braut Wider Willen bei der Kirche Rettung suchen und dennoch der Verzweiflung über ihr
zerstörtes Lebensglück erliegen wird"
„Das ist eine wenigstens ebenso triviale Auskunft", antwortete Mayrhofer. „Geh' Deinen
eigenen Weg, Schwammerl, der bereits gefunden sein würde, wären wir nicht gekommen, sage ich
nochmals, um mit nägelbeschlageneu Stiefeln all' das Elfentreiben auf Schubert's Zauberwiese in
Grund zu stampfen."
„Ohne Text, Waldl, kann ich nichts thun!" sagte Schubert. „Da hat der Schwindt Recht)
Der bestimmte Gedanke mit seinen Einzelheiten will das Wort, dessen unmittelbarste Hülle der
Ausdruck der Melodie ist. Was hier oben erscheint, das ist Lichtmusik mit plastischen Gestalten.
Das Andere, die Instrumentation, gehört der vom Licht abgewandten Seite an und fällt in die
Region der vom Dunkel umhüllten Empfindung ... Ein Gedicht ist die erste Forderung ..."
„Gieb mir eine Feder, Schwammerl!" sagte Mayrhofer. „Was da werden kann, das wird
Wenn ich nichts Weiteres vermag, so will ich doch ein kritisches Object schaffen, an welchem sich
Maßstäbe für Das finden lassen, was dem Franz nöthig ist .. ."
Mayrhofer, Buchstaben wie Pfeile und Speerschafte auf's Papier zeichnend, schrieb Fol-
gendes:
„Hier ragt der Fels, ein düstres Vorgebirge,
Hoch in die Wolken seine Scheitel sendend;
Und hinter ihm droht ein verbranntes Land,
Zerrissenen Gesteins und Lavafelder!
Gen Norden öffnet sich das weite Meer,
Die eis'gen Brocken in der Brandung wälzend,
Und stürmt Heran, um an der Felsen Brust
In ew'gem Wüthen machtlos zu zerstäuben.
Hier ist der Unglllcksport wo mir ein Loos
Bereitet wird, dem hehren Dulder gleich,
Prometheus an des Kaukasus Gestaden ...
Die Kette klirrt, die meine Brust umschlingt —
Sie wird das Opfer für den Cetus sichern,
Der schnaubend fern sich in den Wogen wälzt . . ."
„Andromeda!" sagte Schwind. „Ich protestire dagegen, die madonnenhafte Braut wider Wil-
len in eine griechische Heroine umzuwandeln."
„Wo ist der Grund für den Protest? Ich bin übrigens mit dem Gedicht noch nicht zu Ende!"
sagte Mayrhofer.
„Gleichviel! Die Brücke von Deinem Meer des Cetns bis zum Herzen des Vaters der irdi-
schen Madonna wird schwerlich selbst Schubert mit Sicherheit schlagen können. Der kürzeste Weg
ist der beste, wenn Erfolge in Frage sind!"
„Du meinst, der Herr Papa soll angesungen werden? Auf die Idee kann aber wahrlich nur
ein Maler kommen, Schwindl! Entscheide, Schwammerl, muthet Dich die Andromeda be-
geisternd an?"
„Nein, Waldl! Die Beziehung zur heiligsten Jungfrau kann ich nicht aufgeben, denn ich
fühle es, nur in dieser Region habe ich eine machtvolle Empfindung von der Seele Derjenigen,
welche ich musikalisch sprechen Hessen soll .. ."
 
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