124 Deutschlands Kunstschätze.
„Ich gehe sehr selten in's Weinhaus; aber zuweilen muß ich dem Drängen meiner Freunde
schon nachgeben.",
„Das ist nicht unehrenhaft, Mynheer Slingeland", sagte der Bürgermeister mit fast gemüth-
lichem Tone. „Ihr habt alfo Gescha oft gesehen?"
„Ja, ihre Erscheinung muß einem Maler nothwendig in's Auge fallen! Aber ich wußte erst
dann, wer diese hohe Dame war, als sie am Sonntage aus der Kirche trat und von Lukas van
Mangolden bei ihrem Namen genannt wurde."
„Gesprochen habt Ihr Gescha nie vorher?" fuhr der Bürgermeister fort.
„Nein, nie!"
„Es kommt vor", sagte der Gestrenge mit dem Lineal auf seinem Papier trommelnd, „daß
Leute, welche sich mit Belustigungen mehr als mit ernsten Arbeiten beschäftigen, zum Beispiel
Poeten und Maler, sich gern mit fictiven Dingen unterhalten und namentlich sich in Damen ver-
lieben, die von der Existenz der überspannten Liebhaber kaum eine Ahnung haben .. ."
„Mynheer", antwortete Slingeland, „ich begreife, was Ihr andeuten wollt .. ."
„So? Nun, ich halte das für kein gutes Zeichen!".
„Ich bin noch nicht in der Gemüthsverfassung gewesen, mich in Gedanken mit jungen Frauen-
zimmern zu beschäftigen. Wenn ich an ein Mädchen oft und gern, ja fast unaufhörlich denke, so ist
das meine Schwester Ursula!"
Der Bürgermeister sah ihm fest in's Auge.
„Ich werde in Zukunft nicht umhin können, oft an Fräulein Gescha van Mangolden zu
denken", fügte Slingeland hinzu.
„So? Na, das mögt Ihr nur unterlasfen, Freund Slingeland!"
„Wie kann ich's? Sie steht mit dem wichtigsten Ereignisse in Verbindung, das mir noch be-
gegnete. Ich müßte ein elender, undankbarer Mensch sein, wollte ich je vergessen, daß Jeoffrouw
Gescha mit größter Selbstverleugnung mir eine Wohlthat hat erweisen wollen. Ich mag von
Lukas van Mangolden benutzt worden sein, um gegen Jeoffrouw Gescha einen böswilligen Streich
zu führen; aber diese böse Absicht kann mir nicht als ein Vergehen angerechnet werden. Ehrlich
und offen habe ich der Dame bekannt, welche Macht über meine und meiner Anverwandten Zukunft
ihr durch die Laune eines Uebermüthigen weniger, als durch eine Fügung der Vorsehung in die
Hand gelegt worden sei und in diesem Sinne ist es für die Generalstatthalterin von Holland selbst
keine Schande zu thun, wozu sich Gescha van Mangolden entschloß!" —
Pieter hatte guten Muth, aber der Mutter wollten die schweren Bedenken nicht aus dem
Sinne weichen. Als der Sohn sich nach Dow's Atelier begeben hatte, hielt sie mit der nicht
weniger angsterfüllten Ursula einen Rath und kam zu dem Beschlusse, daß ein außergewöhnlicher
Schritt gethan werden müsse, um den Zorn des gestrengen Bürgermeisters zu besänftigen.
Es erschien nothwendig, daß Gescha selbst für Pieter ein gutes Wort einlege. Aber wie
einen passenden Anlaß für die Bitte finden? Es war in Leyden so wenig wip etwa in Indien
Gebrauch, daß der Geringere sich dem Vornehmen näherte, ohne zu versuchen, sich denselben durch
irgend ein Geschenk geneigt zu machen. Was aber besaß die arme Witwe außer ihren Ohrringen
und ihrem Trauringe?
Ursula wußte Rath. Sie führte ihre Mutter in den kleinen Hof des Hauses, wo eine kleine
„Ich gehe sehr selten in's Weinhaus; aber zuweilen muß ich dem Drängen meiner Freunde
schon nachgeben.",
„Das ist nicht unehrenhaft, Mynheer Slingeland", sagte der Bürgermeister mit fast gemüth-
lichem Tone. „Ihr habt alfo Gescha oft gesehen?"
„Ja, ihre Erscheinung muß einem Maler nothwendig in's Auge fallen! Aber ich wußte erst
dann, wer diese hohe Dame war, als sie am Sonntage aus der Kirche trat und von Lukas van
Mangolden bei ihrem Namen genannt wurde."
„Gesprochen habt Ihr Gescha nie vorher?" fuhr der Bürgermeister fort.
„Nein, nie!"
„Es kommt vor", sagte der Gestrenge mit dem Lineal auf seinem Papier trommelnd, „daß
Leute, welche sich mit Belustigungen mehr als mit ernsten Arbeiten beschäftigen, zum Beispiel
Poeten und Maler, sich gern mit fictiven Dingen unterhalten und namentlich sich in Damen ver-
lieben, die von der Existenz der überspannten Liebhaber kaum eine Ahnung haben .. ."
„Mynheer", antwortete Slingeland, „ich begreife, was Ihr andeuten wollt .. ."
„So? Nun, ich halte das für kein gutes Zeichen!".
„Ich bin noch nicht in der Gemüthsverfassung gewesen, mich in Gedanken mit jungen Frauen-
zimmern zu beschäftigen. Wenn ich an ein Mädchen oft und gern, ja fast unaufhörlich denke, so ist
das meine Schwester Ursula!"
Der Bürgermeister sah ihm fest in's Auge.
„Ich werde in Zukunft nicht umhin können, oft an Fräulein Gescha van Mangolden zu
denken", fügte Slingeland hinzu.
„So? Na, das mögt Ihr nur unterlasfen, Freund Slingeland!"
„Wie kann ich's? Sie steht mit dem wichtigsten Ereignisse in Verbindung, das mir noch be-
gegnete. Ich müßte ein elender, undankbarer Mensch sein, wollte ich je vergessen, daß Jeoffrouw
Gescha mit größter Selbstverleugnung mir eine Wohlthat hat erweisen wollen. Ich mag von
Lukas van Mangolden benutzt worden sein, um gegen Jeoffrouw Gescha einen böswilligen Streich
zu führen; aber diese böse Absicht kann mir nicht als ein Vergehen angerechnet werden. Ehrlich
und offen habe ich der Dame bekannt, welche Macht über meine und meiner Anverwandten Zukunft
ihr durch die Laune eines Uebermüthigen weniger, als durch eine Fügung der Vorsehung in die
Hand gelegt worden sei und in diesem Sinne ist es für die Generalstatthalterin von Holland selbst
keine Schande zu thun, wozu sich Gescha van Mangolden entschloß!" —
Pieter hatte guten Muth, aber der Mutter wollten die schweren Bedenken nicht aus dem
Sinne weichen. Als der Sohn sich nach Dow's Atelier begeben hatte, hielt sie mit der nicht
weniger angsterfüllten Ursula einen Rath und kam zu dem Beschlusse, daß ein außergewöhnlicher
Schritt gethan werden müsse, um den Zorn des gestrengen Bürgermeisters zu besänftigen.
Es erschien nothwendig, daß Gescha selbst für Pieter ein gutes Wort einlege. Aber wie
einen passenden Anlaß für die Bitte finden? Es war in Leyden so wenig wip etwa in Indien
Gebrauch, daß der Geringere sich dem Vornehmen näherte, ohne zu versuchen, sich denselben durch
irgend ein Geschenk geneigt zu machen. Was aber besaß die arme Witwe außer ihren Ohrringen
und ihrem Trauringe?
Ursula wußte Rath. Sie führte ihre Mutter in den kleinen Hof des Hauses, wo eine kleine