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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0205
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Deutschlands Kunkschätze. 137
den Kopf gekommen. Sein Degen war blank und er fuchtelte wacker mit flacher Klinge . . . Als
aber ein Hagel von Rohrstockhieben auf ihn niederprasfelte, gab's scharfe Hiebe und Stiche und in
wenigen Augenblicken stand Schäuffelein allein, mit zwei Verwundeten neben sich, die sich vergebens
aufzurichten strebten.
Doctor Muggenau aber hatte sich aufgerafft und war entflohen.
Jetzt erst ertönte die Radder der Wächter und die Weber und Schneider entflohen, ihre Ver-
wundeten forttragend. Die zerhauenen Fleischerknechte wurden von den Wächtern fortgeführt.
Schäuffelein aber, den blanken Degen in der Hand haltend, lehnte jede Schutzwache ab und ge-
langte unangefochten nach Hause.
Früh am andern Morgen schritt mit eiligen Tritten Jungfer Maxentia mit dem Markt-
korb am Arme zum Thiergärtnerthore. Hell und freundlich und schön, wie der Sonnenstrahl selbst,
der sie beleuchtete, war Maxentia's Erscheinung. Der Rock, kurz genug, um die weißen Strümpfe
und Halbschuhe sehen zu lassen, war zwar nach der Sitte dunkel; aber das Mieder blitzte von Sil-
berschnüren, die aus den kurzen Aermeln Hervorquellenden breiten Hemdkrausen funkelten förmlich
im Sonnenglanze und wetteiferten mit der Stickerei auf der weißen Seidenhaube. Fürwahr, das
wäre ein schönes Bild für Meister Schäuffelein gewesen!
An der Ecke des Thiergärtnerthors stand ein stattliches Bürgerhaus. Die Räume des Erd-
geschosses mit ihren wenigen und kleinen Fenstern waren fast kellermäßig; der erste Stock bestand
aus Mauerwerk, auf welchem sich noch zwei Gestock Fachwerk sammt einem himmelanstrebenden
Dache setzten. An der Hausecke stand ein kurzer, starker Pfeiler, auf welchem sich ein zwei Stock
hoher, ausnehmend fein gegliederter und verzierter Erker mit großen schimmernden Fensterscheiben
erhob, die in der oberen Abtheilung durch rothe Teppiche im Innern verhangen waren.
Zu den beiden breiten vorderen und zwei spannenbreiten Fenstern dieses Erkers flog gewiß
der Blick der Meisten, welche über den kleinen Platz der Thiergärtnergasse wandelten; denn
oben in jenem Erker hauste und arbeitete der berühmteste Mann, welchen Nürnberg besaß, Peter
Vischer und seine Söhne und selbst Herrn Wilibald Pyrkheimer nicht ausgenommen.
Das Haus war dasjenige des Malers Albrecht Dürer.
Eine Magd kehrte die Straße vor dem Hause und führte mit mächtigem Schwünge den Reis-
besen. Dennoch mußte die Arbeit sehr tadelhaft sein; denn eine säuberlich gekleidete, lange und
schlanke Frau Mittlern Alters, mit spitzer, weißer Hornhaube, erschien in der Hausthür und hielt
eine schmetternde Vorlesung über die Kunst des Straßensegens.
„Guten Morgen, Base Agnes!" sagte Maxentia, plötzlich um die Ecke biegend. „Großer Gott,
wie ich erschrak, als ich Eure Stimme erkannte und meinte, es sei ein Unheil passirt."
„Das Mädchen hat sich für Lohn verdungen und versteht keine Arbeit", sagte die Frau Agnes,
„aber ich werd's ihr aus den Kopf geben. Woher kommst Du denn so früh, Maxli? fürchtest Du,
daß die Fische auf dem Markt faul werden bei der Hitze?"
„Base AgneS", flüsterte Maxentia, „ich habe eine sehr, sehr wichtige Nachricht!"
Frau Agnes war, obgleich schon im Mittlern Alter, immer noch berechtigt, sich unter die
schönen Frauen zu zählen. Sie besaß große, leuchtende Augen, blau wie Stahl, eine vornehm ge-
schnittene Nase und einen sehr anmuthigen, mit weißen Zähnen verzierten Mund. Dieses Gesicht
nahm mit merkwürdiger Schnelligkeit ein ganz und gar anderes Ansehen an und es wäre schwer

Deutschlands Kunstschätze. II

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