US Bauer: Abhandlungen aus dem Strafrechte.
also durch das Strafgesetz für erreichbar hält, das doch ge-
wiss nicht dasselbe mit der Strafe ist. Ja gerade darin liegt wohl
entschieden der Grundfehler der Warnungstheorie, der sich auch,
durch deren Herausbildung aus der Theorie des psychischen Zwangs
ganz natürlich erklärt, die dem gleichen Fehler unterliegt: dass
nämlich, wo zuerst nur von der Strafe selbst, ihrem Rechts-
grund, Zweck und Mass zu reden wäre, um erst den gerechten
Inhalt für die zu erlassende Strafdrohung zu finden, umge-
kehrt von dieser ausgegangen, überall auf das Gesetz, das da
verhüten, warnen solle, Alles zurückgeführt werden soll. In
der That begreift wenigstens Ref. nicht, wie sich verkennen lässt,
dass die Vorfrage für den Gesetzgeber immer auf Das ge-
richtet sein müsse, was da von Staats wegen geschehen, d. h.
als Rechtsfolge des bereits unwiderruflich begangenen,
also höchstens vielleicht noch gutzumachenden Unrechts zuerkannt
und vollzogen werden darf und soll, da erst wenn die rechte Ant-
wort auf diese Frage gefunden ist, der Gesetzgeber danach sein
Gesetz gerecht einrichten kann. Ein Versuch wissenschaftlicher
Lösung dieser Frage — und der wichtigste Beitrag dazu sollte
ja die filosofische Theorie der Strafe sein — kann also natür-
lich, ohne im offenbarsten Zirkel sich herumzudrehen, noch nicht
ein Strafgesetz als bereits gegeben (und zwa rals seinem In-
halt nach gerecht) voraussetzen und nicht, was als Verbre-
chen und als gerechte Strafe anzusehea sei, nach einem
1100h nicht gegebenen Gesetz bestimmen wollen. Ebensowe-
nig also kann die in einem Gesetz wirklich gedrohte Strafe durch
dieses Gesetz selbst gerechtfertigt werden solleu vor dem Forum
der Wissenschaft. Und dieser Satz bleibt darum nicht weniger
wahr, weil vielleicht, wenigstens in Hinsicht der zu bestrafenden
Handlungen, wrenn auch nicht in Hinsicht des Strafmasses, in je-
dem gebildeten Staat der Satz gelten sollte: Keine Strafe ohne
Strafgesetz. Ueberhaupt sollte doch wohl aufs Strengste vermie-
den werden, jemals bei irgend einer der zu beantwortenden Fra-
gen auf den Standpunkt des Richters herabzusteigen; denn
dieser Standort bringt freilich in der Regel durchaus Anderes mit
sich. Dem Richter, und nur ihm (zum Unterschied vom filosoli-
schen Rechtsforscher und vom Gesetzgeber), muss das blosse
Dasein eines -— gleichviel ob guten oder schlechten— Gesetzes
genügen, und nur, wo entweder alle Strafgesetzgebung fehlt, oder
doch in besondern Fällen einmal ein Strafgesetz, oder ein be-
also durch das Strafgesetz für erreichbar hält, das doch ge-
wiss nicht dasselbe mit der Strafe ist. Ja gerade darin liegt wohl
entschieden der Grundfehler der Warnungstheorie, der sich auch,
durch deren Herausbildung aus der Theorie des psychischen Zwangs
ganz natürlich erklärt, die dem gleichen Fehler unterliegt: dass
nämlich, wo zuerst nur von der Strafe selbst, ihrem Rechts-
grund, Zweck und Mass zu reden wäre, um erst den gerechten
Inhalt für die zu erlassende Strafdrohung zu finden, umge-
kehrt von dieser ausgegangen, überall auf das Gesetz, das da
verhüten, warnen solle, Alles zurückgeführt werden soll. In
der That begreift wenigstens Ref. nicht, wie sich verkennen lässt,
dass die Vorfrage für den Gesetzgeber immer auf Das ge-
richtet sein müsse, was da von Staats wegen geschehen, d. h.
als Rechtsfolge des bereits unwiderruflich begangenen,
also höchstens vielleicht noch gutzumachenden Unrechts zuerkannt
und vollzogen werden darf und soll, da erst wenn die rechte Ant-
wort auf diese Frage gefunden ist, der Gesetzgeber danach sein
Gesetz gerecht einrichten kann. Ein Versuch wissenschaftlicher
Lösung dieser Frage — und der wichtigste Beitrag dazu sollte
ja die filosofische Theorie der Strafe sein — kann also natür-
lich, ohne im offenbarsten Zirkel sich herumzudrehen, noch nicht
ein Strafgesetz als bereits gegeben (und zwa rals seinem In-
halt nach gerecht) voraussetzen und nicht, was als Verbre-
chen und als gerechte Strafe anzusehea sei, nach einem
1100h nicht gegebenen Gesetz bestimmen wollen. Ebensowe-
nig also kann die in einem Gesetz wirklich gedrohte Strafe durch
dieses Gesetz selbst gerechtfertigt werden solleu vor dem Forum
der Wissenschaft. Und dieser Satz bleibt darum nicht weniger
wahr, weil vielleicht, wenigstens in Hinsicht der zu bestrafenden
Handlungen, wrenn auch nicht in Hinsicht des Strafmasses, in je-
dem gebildeten Staat der Satz gelten sollte: Keine Strafe ohne
Strafgesetz. Ueberhaupt sollte doch wohl aufs Strengste vermie-
den werden, jemals bei irgend einer der zu beantwortenden Fra-
gen auf den Standpunkt des Richters herabzusteigen; denn
dieser Standort bringt freilich in der Regel durchaus Anderes mit
sich. Dem Richter, und nur ihm (zum Unterschied vom filosoli-
schen Rechtsforscher und vom Gesetzgeber), muss das blosse
Dasein eines -— gleichviel ob guten oder schlechten— Gesetzes
genügen, und nur, wo entweder alle Strafgesetzgebung fehlt, oder
doch in besondern Fällen einmal ein Strafgesetz, oder ein be-