Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1843,

N°. IS. HEIDELBERGER
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.


Merz: System der christlichen Sittenlehre.

(Beschluss.)
Das Ideal soll nicht in der Phantasie verharren, sondern die
Welt des Lebens und der Handlungen durchdringen. Die Wis-
senschaft, als fortgehende Selbstbefreiung' des Geistes zu seinem
innersten Tch, ist als solche im Elemente der Sittlichkeit. Daher
gehört auch sie in die Ethik. Die höchste Stufe des sittlichen
Geistes endlich ist die Religion. Denn, wenn gleich eine ange-
borne Idee, wird sie doch vom Geiste hervorgebracht. Ihre höch-
ste Gestalt ist die unsichtbare Kirche, das Reich Gottes, die Ge-
meinschaft aller vom christlichen Geiste durchdrungenen, das all-
gemeine Reich, in dem Alles und Alle Eines sind, und der eine
Geist in Allen. So ist die Ethik, welche damit schliesst, umfas-
sender Organismus der christlichen Freiheit.
Um ein Urtheil über diesen Theil der Merz’sehen Schrift ab-
zugeben, so müssen wir sagen, dass er nicht befriedige. Er ver-
stösst im Allgemeinen gegen die unumgängliche Forderung der
Wissenschaft, die verschiedenen Gebiete des erkennenden Geistes
zu sondern, indem er die Lehre von der bürgerlichen Gesellschaft,
die Lehre vom Staate, die Lehre von der Kunst, die Lehre von
der Wissenschaft und Schule, die Lehre von der Religion und
Kirche in den Schoos der Ethik versenkt. Früher wurden der
Ethik zu enge Grenzen gesteckt, heutzutage werden sie über Ge-
bühr hinausgerückt. Ihre Schicksale gleichen vielfach den Schick-
salen, welche die Logik erfuhr.
Indess auch im Einzelnen enthält dieser Theil viele mangel-
hafte und unrichtige Bestimmungen. Es ist falsch, die Polizei und
die Rechtspflege in das Gebiet der bürgerlichen Gesellschaft zu
verweisen. Beide gehören offenbar in das Gebiet des Staates»
Der Staat ist keineswegs die Wirklichkeit der sittlichen Idee»
Denn, wenn er es wäre, so wäre die Regierung das Gewissen,
und sie müsste sittliche Gebrechen, z. B, den Undank, den Man-
XXXYI. Jahrg. 2. Doppelheft, 18
 
Annotationen