Vergib Opera ed. 0. Ribbeck,
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oder als Verderbniss der Schreiber trotz aller Aufmerksamkeit der
den Text der Vergilischen Gedichte revidirenden Grammatiker sich
herausstellt. — Auf eine solche Revision aber waren diese Gram“
matiker schon durch das Bedürfniss der Schule, wie durch die grossö
Verbreitung der Gedichte selbst hingewiesen: und gerade darin liegt
ein wesentliches Moment für die Bewahrung des Textes in seiner
Reinheit und die Unmöglichkeit grösserer Einschiebsel, wie solche die
neuere Kritik, die Alles besser wissen will, als die Alten selbst, vielfach,
man denke nur an Horatius, geträumt hat, der in dieser Beziehung
das gleiche Schicksal mit Vergilius, was die frühe Einführung auf
Schulen, die allgemein verbreitete Lectiire und die sorgfältige Be-
handlung des Textes durch die Grammatiker betrifft, theilt. Wir
machen darauf um so mehr aufmerksam, als die neue Ausgabe, von
der wir hier zu berichten haben, gerade in dieser Beziehung eine
Einrichtung erhalten hat, durch welche wir in den Stand gesetzt
sind, diese Bemühungen der alten Grammatiker, so weit diese jetzt
nur immer noch möglich ist, in ihrem vollen Umfang und in ihrer
ganzen Bedeutung zu überschauen.
Die Einrichtung der Ausgabe selbst ist nämlich folgende. Unter
dem mit wahrer Eleganz gedruckten Texte finden sich in einer ersten
Rubrik die „Testimonia“ zusammengestellt, d. h. die Zeugnisse
alter Schriftsteller, zumal der Grammatiker und Scholiasten der
spätem Zeit für jeden einzelnen Vers, Phrase oder Wort, das aus diesen
Vergilischen Dichtungen bei ihnen vorkommt: gerade so wie auch
von Dietsch in seiner neuen Ausgabe der Werke des Sallustius
diess geschehen ist. Der grosse Umfang, den diese Testimonia bei
Vergilius einnehmen, bei weitem grösser als bei Sallustius, mag
eben den besten Beweis liefern für das, was von diesen umfassen-
den Bemühungen der späteren Grammatiker für die Gedichte Vergils
und deren Lectüre zu halten ist, namentlich welche Bedeutung die-
selben für die Textesgestaltung oder vielmehr Textesbewahrung an-
sprechen können, im Gegensatz zur subjectiven Willkühr moderner
Kritiker. In einer zweiten Abtheilung oder Rubrik folgt dann die
Varia lectio, die aber nicht den ganzen Wust aller aus allen Hand-
schriften zusammengetragenen Abweichungen des Textes liefert, son-
dern sich auf das Wesentlichste und Beachtenswerthe beschränkt,
d. h. auf diejenigen Quellen, die auf die Gestaltung des Textes in
der That von Einfluss sind oder als beachtenswerth erscheinen müssen ;
dahin gehören äusser den Citaten und Zeugnissen anderer Römischer
Schriftsteller und äusser dem bekannten Mediceischen Codex die
drei zu Rom befindlichen Handschriften: Cod. Vaticanus, Romanus,
insbesondere der Palatinus, der an Alter dem Codex Bembinus des
Terentius gleich steht und einer andern Familie als der Mediceus
angehört, eben darum aber besondere Beachtung verdient, die S.
Galier und Veroner Palimpsesten, der Codex Gudianus, drei Berner
Codd. (172. 165. 184) und der unlängst bekannt gewordene Codex
der Weissenau (Codex Minor, augiensis), der jetzt in der Bibliothek
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oder als Verderbniss der Schreiber trotz aller Aufmerksamkeit der
den Text der Vergilischen Gedichte revidirenden Grammatiker sich
herausstellt. — Auf eine solche Revision aber waren diese Gram“
matiker schon durch das Bedürfniss der Schule, wie durch die grossö
Verbreitung der Gedichte selbst hingewiesen: und gerade darin liegt
ein wesentliches Moment für die Bewahrung des Textes in seiner
Reinheit und die Unmöglichkeit grösserer Einschiebsel, wie solche die
neuere Kritik, die Alles besser wissen will, als die Alten selbst, vielfach,
man denke nur an Horatius, geträumt hat, der in dieser Beziehung
das gleiche Schicksal mit Vergilius, was die frühe Einführung auf
Schulen, die allgemein verbreitete Lectiire und die sorgfältige Be-
handlung des Textes durch die Grammatiker betrifft, theilt. Wir
machen darauf um so mehr aufmerksam, als die neue Ausgabe, von
der wir hier zu berichten haben, gerade in dieser Beziehung eine
Einrichtung erhalten hat, durch welche wir in den Stand gesetzt
sind, diese Bemühungen der alten Grammatiker, so weit diese jetzt
nur immer noch möglich ist, in ihrem vollen Umfang und in ihrer
ganzen Bedeutung zu überschauen.
Die Einrichtung der Ausgabe selbst ist nämlich folgende. Unter
dem mit wahrer Eleganz gedruckten Texte finden sich in einer ersten
Rubrik die „Testimonia“ zusammengestellt, d. h. die Zeugnisse
alter Schriftsteller, zumal der Grammatiker und Scholiasten der
spätem Zeit für jeden einzelnen Vers, Phrase oder Wort, das aus diesen
Vergilischen Dichtungen bei ihnen vorkommt: gerade so wie auch
von Dietsch in seiner neuen Ausgabe der Werke des Sallustius
diess geschehen ist. Der grosse Umfang, den diese Testimonia bei
Vergilius einnehmen, bei weitem grösser als bei Sallustius, mag
eben den besten Beweis liefern für das, was von diesen umfassen-
den Bemühungen der späteren Grammatiker für die Gedichte Vergils
und deren Lectüre zu halten ist, namentlich welche Bedeutung die-
selben für die Textesgestaltung oder vielmehr Textesbewahrung an-
sprechen können, im Gegensatz zur subjectiven Willkühr moderner
Kritiker. In einer zweiten Abtheilung oder Rubrik folgt dann die
Varia lectio, die aber nicht den ganzen Wust aller aus allen Hand-
schriften zusammengetragenen Abweichungen des Textes liefert, son-
dern sich auf das Wesentlichste und Beachtenswerthe beschränkt,
d. h. auf diejenigen Quellen, die auf die Gestaltung des Textes in
der That von Einfluss sind oder als beachtenswerth erscheinen müssen ;
dahin gehören äusser den Citaten und Zeugnissen anderer Römischer
Schriftsteller und äusser dem bekannten Mediceischen Codex die
drei zu Rom befindlichen Handschriften: Cod. Vaticanus, Romanus,
insbesondere der Palatinus, der an Alter dem Codex Bembinus des
Terentius gleich steht und einer andern Familie als der Mediceus
angehört, eben darum aber besondere Beachtung verdient, die S.
Galier und Veroner Palimpsesten, der Codex Gudianus, drei Berner
Codd. (172. 165. 184) und der unlängst bekannt gewordene Codex
der Weissenau (Codex Minor, augiensis), der jetzt in der Bibliothek