Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 17. HEIDELBERGER 1860-
JAHRBÜCHER DER LITERATUR

Kirchner: Die speculativen Systeme seit Kant.

(Schluss.)
Auch den Fichte entgegengesetzten Weg Schelling’s be-
zeichnet der Hr. Verf. von dem richtigen Standpunkte, wenn er
S. 19 Schelling’s Ansicht dahin ausspricht: „Das Denken, das
vom Ich ausgeht, kann nur ein endliches sein; denn jedem aus-
schliesslichen und durch zufällige Voraussetzungen bedingten Stand-
punkte lässt sich mit gleichem Rechte ein anderer gegenübersetzen.
Um mit dem Ansprüche der Unbedingtheit aufzutreten, muss sich
die Wissenschaft zur Anschauung der Wahrheit als solcher erheben;
vermag sie diese nicht schlechthin und ohne alle Beschränkung dar-
zustellen, so bat ihr Name überhaupt keine Bedeutung mehr. Die
Philosophie wird also niemals darauf verzichten dürfen, die Erkennt-
niss des Seins als ihre Bestimmung zu betrachten. Ihr erster und
höchster Gegenstand wird immer das Absolute bleiben — das Sein,
das durch sich selbst ist, und aus dem alles Andere hervorgeht. Nur
freilich wäre es ein für allemal unmöglich, zu diesem Urquell alles
Seins emporzusteigen, wenn Sein und Wissen als zwei abgeschlos-
sene und unvereinbare Begriffe gegenüberständen. Allein diese
Trennung gehört nur dem irdischen Verstände, der ein unwahres,
sinnliches Erkennen einer unwahren sinnlichen Wirklichkeit'entgegen-
setzt. Um die Schranken der Endlichkeit zu durchbrechen, müssen
wir das höchste Sein als die höchste Vernunft zu begreifen wagen.
Wir müssen das Absolute selbst als Wissen und Geist erkennen,
um uns lebendig mit dem Göttlichen züsammenzuschliessen.“ S. 21:
„Dieses göttliche Sein nun kann nicht anders in die Erscheinung
treten, als, indem es seine Einheit auseinander legt. Was im Abso-
luten als ein einziger Act da ist, kann nur als ein doppelter Act
zur Anschauung kommen. Die ewige Ineinsbildung des Unendlichen
und des Endlichen, des Wesens und der Form muss sich einerseits
als Verwandlung des Wesens in die Form, andererseits als Ver-
wandlung der Form in das Wesen darstellen, wenn sie nicht ein-
seitig blos im Unendlichen oder blos im Endlichen erblickt werden
soll. So ergeben sich zwei grosse Offenbarungen des Absoluten.
Die Einbildung des Unendlichen in das Endliche, des Wesens in die
Form ist die Natur. Die Zurückbildung des Endlichen in das Un-
endliche, der Form in das Wesen ist der Geist. Beide sprechen, die
eine im Realen, die andere im Idealen, dieselbe göttliche Einheit
L1II. Jahrg. 4. Heft. - 17
 
Annotationen