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Kirchner: Die spcculaliven Systeme.

sogenannten Offenbarungsphilosophie wesentlich verschieden und durch -
aus denkgläubig. Ja sie nimmt das Gefühl als Organ zur Erkenntniss
der Realität einer übersinnlichen Welt in einem ganz andern Sinne,
als dieses gewöhnlich genommen wird. Daher nennt sie dieses Organ
auch den innern Sinn im Gegensätze zum äussern, die Vernunft im
Gegensätze zum Verstände, und Fries leitet diese Philosophie aus
wissenschaftlichen Begriffen ab. Ref. möchte die Schöpfer dieser
philosophischen Schule nicht mit dem Hin. Verf. im Vergleiche mit
den von ihm dargestellten Philosophen „weniger begabte und ener-
gische Geister“ nennen, da es ihnen weder an Begabung noch an
Energie fehlte, als anders organisirte Geister, deren bedeutende Be-
gabung und Energie eine andere Richtung nahmen, weil ihre Natur
andere Fähigkeiten und zwar in bedeutendem Grade hatte, und eine
andere Erziehung erhielt, und darum eine andere Richtung nehmen
musste, In einer Darstellung der speculativen Systeme seit Kant
kann aber auch diese Richtung, die in anderer Weise nachhaltig
wirkte, nicht übergangen werden.
Sehr richtig sagt der Hr. Verf. S. 9 von J. G. Fichte: „Mit
voller Entschlossenheit zog Fichte die letzte Consequenz dieser
(der Kant’sehen) Kritik, indem er das ganze Reich der Dinge
ausserhalb des Wissens als für die Wissenschaft nicht vorhanden er-
klärte.“. . . „Mit Nachdruck hatte Kant die schöpferische Selbst-
thätigkeit hervorgehoben, mit der wir der sinnlichen sowohl, wie der
sittlichen Welt, das Gesetz geben. Es lag nicht fern, diese Selbst-
thätigkeit, wie sie sich im Denken und im Wollen offenbart, auch
auf den ersten Reiz der Anschauung und des Triebes auszudehnen
und so den Geist ganz als seine eigene That zu betrachten.“ Sehr
gut ist von S. 9—16 das Wesen der Fi c h t e'sehen Wissenschafts-
lehre entwickelt. Auch ist dasjenige richtig, was der Hr. Verf. über
dieselbe S. 17 sagt: „Man kann nicht umhin, die Energie des Ge-
dankens zu bewundern, die in diesen Auffassungen hervortritt.“...
„Das Ich ist bei Fichte das All; es erschafft sich die Welt, in
der es sich vorfindet, und es erschafft sie nur, um seine Freiheit zu
offenbaren. So hat dieses keine Macht über sich, als die sittliche
Idee, die nie unbedingter verkündigt worden ist; ein Wesen, das
ganz seine eigene That ist, kann sich nicht auf Schicksal und Un-
möglichkeit berufen, um seine Schwächen zu entschuldigen; ihm
bleibt nur die Wahl zwischen Ja und Nein. Das Gesetz des Ideals,
das auch bei Kant nur als hohe Forderung dasteht, ist hier das
Wahrste und Wesenhafteste in den Dingen, und im sittlichen Handeln
enthüllt sich das innerste Geheimniss des Seins.“ Eben so begründet
ist seine Beurtbeilung der Mängel der Fichte'sehen Weltanschauung
(S. 17 u. 18).

(Schluss folgt.)
 
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