Nr. 18. HEIDELBERGER 1860.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Euripides. Deutsch in den Versmassen der Urschrift von J. J.
C. Donner. Zweite verbesserte Auflage. Leipzig und Heidel-
berg. C. F. 'Winter’sehe Verlagshandlung 1859. Erster Band
448 S. Zweiter Band 340 S. Dritter Band 412 S. in 8vo.
Der Meister deutscher Uebersetzungkuust, der uns die Dramen
eines Aeschylus und Sophocles in deutschem Gewände, wie kein
Anderer, vorgeführt hat, übergiebt uns hier mit geübter Hand auch
die Dramen des Dritten der grossen Tragiker Griechenlands; nach-
dem der früheren Leistungen in diesen Blättern gedacht worden
ist, werden wir auch dieser nun in zweiter Auflage vorliegen-
den Uebertragung hier zu gedenken haben, um auch darauf die
Aufmerksamkeit der gebildeten Welt, die sich jetzt mehr als früher
den Meisterwerken des alten Drama’s zuwendet, zu lenken: empfiehlt
sie sich doch durch die gleichen Eigenschaften, die auch den früher
erschienenen Bearbeitungen mit Recht die allgemeine Anerkennung
verschafft haben, wir meinen die mit aller Treue verbundene Be-
achtung dessen, was der Genius unserer Sprache erheischt, die strenge
Wahrung der metrischen Verhältnisse, die würdevolle Haltung des
Ganzen und die ausdrucksvolle Sprache, die uns die fremde Ueber-
tragung vergessen lässt, die bei allem Anschluss an das Original
doch mit vollkommener Freiheit sich bewegt, und so im Stande ist,
uns einen richtigen Begriff von dem Wesen und Charakter wie von
der Würde des hellenischen Drama zu geben. Und wenn Euripides,
was die Tiefe und den inneren Gehalt der tragischen Idee betrifft,
sich mit den beiden andern Meistern des hellenischen Drama nicht
auf die gleiche Linie stellen lässt, so hat er doch wieder so manche
eigene Vorzüge, die ihn theilweise sogar unserer modernen Welt
näher rücken, während zu seinem Verständniss nicht alle diejenigen
Vorkenntnisse und alle diejenige Bildung nothwendig ist, welche
z. B. das volle Verständniss der Dramen eines Aeschylus erheischt.
Die vorzügliche Darstellung aller Gefühle und Leidenschaften, die
vielfach eingestreuten moralischen Sentenzen und die allgemeinen
Betrachtungen, wie sie den auftretenden Personen in den Mund ge-
legt sind, werden den Dichter, der das Allgemein-Menschliche
darin so wahr und treu aufzufassen und darzustellen vermag, auch
unserer Zeit empfehlen und durch den Eindruck, den sie hervor-
rufen, uns selbst entschädigen für Manches, was wir vermissen oder
vielmehr nicht erwarten dürfen, namentlich die innere Einheit und
die tiefe religiöse Idee, wie sie in den Dramen des Aeschylus und
ßophocles dem tiefer Blickenden nicht enlgehen kann. Immerhin
Lin. Jahrg. 4. Heft. . 13
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Euripides. Deutsch in den Versmassen der Urschrift von J. J.
C. Donner. Zweite verbesserte Auflage. Leipzig und Heidel-
berg. C. F. 'Winter’sehe Verlagshandlung 1859. Erster Band
448 S. Zweiter Band 340 S. Dritter Band 412 S. in 8vo.
Der Meister deutscher Uebersetzungkuust, der uns die Dramen
eines Aeschylus und Sophocles in deutschem Gewände, wie kein
Anderer, vorgeführt hat, übergiebt uns hier mit geübter Hand auch
die Dramen des Dritten der grossen Tragiker Griechenlands; nach-
dem der früheren Leistungen in diesen Blättern gedacht worden
ist, werden wir auch dieser nun in zweiter Auflage vorliegen-
den Uebertragung hier zu gedenken haben, um auch darauf die
Aufmerksamkeit der gebildeten Welt, die sich jetzt mehr als früher
den Meisterwerken des alten Drama’s zuwendet, zu lenken: empfiehlt
sie sich doch durch die gleichen Eigenschaften, die auch den früher
erschienenen Bearbeitungen mit Recht die allgemeine Anerkennung
verschafft haben, wir meinen die mit aller Treue verbundene Be-
achtung dessen, was der Genius unserer Sprache erheischt, die strenge
Wahrung der metrischen Verhältnisse, die würdevolle Haltung des
Ganzen und die ausdrucksvolle Sprache, die uns die fremde Ueber-
tragung vergessen lässt, die bei allem Anschluss an das Original
doch mit vollkommener Freiheit sich bewegt, und so im Stande ist,
uns einen richtigen Begriff von dem Wesen und Charakter wie von
der Würde des hellenischen Drama zu geben. Und wenn Euripides,
was die Tiefe und den inneren Gehalt der tragischen Idee betrifft,
sich mit den beiden andern Meistern des hellenischen Drama nicht
auf die gleiche Linie stellen lässt, so hat er doch wieder so manche
eigene Vorzüge, die ihn theilweise sogar unserer modernen Welt
näher rücken, während zu seinem Verständniss nicht alle diejenigen
Vorkenntnisse und alle diejenige Bildung nothwendig ist, welche
z. B. das volle Verständniss der Dramen eines Aeschylus erheischt.
Die vorzügliche Darstellung aller Gefühle und Leidenschaften, die
vielfach eingestreuten moralischen Sentenzen und die allgemeinen
Betrachtungen, wie sie den auftretenden Personen in den Mund ge-
legt sind, werden den Dichter, der das Allgemein-Menschliche
darin so wahr und treu aufzufassen und darzustellen vermag, auch
unserer Zeit empfehlen und durch den Eindruck, den sie hervor-
rufen, uns selbst entschädigen für Manches, was wir vermissen oder
vielmehr nicht erwarten dürfen, namentlich die innere Einheit und
die tiefe religiöse Idee, wie sie in den Dramen des Aeschylus und
ßophocles dem tiefer Blickenden nicht enlgehen kann. Immerhin
Lin. Jahrg. 4. Heft. . 13