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Wagner: Lectt. Vergilt

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Lectionum Vergilianarum libellus ad virum praestantissimum Ca-
rolum Anthem, professorem Neo-Eboracensem, miesus a Phi-
lippo Wag ner o, Dresdano. Gottingae. Apud Dieterich.
1859. 122 S. in gr. 8.
Der Verfasser, gewiss befugt und berechtigt, in der Kritik
des Vergilius ein Wort mitzuspreeben, hat in dieser Schrift einen
umfassenden und höchst beachtenswerthen Beitrag zu dieser Kritik
geliefert, die , während sie bei diesem Schriftsteller sich in der Me-
diceischen Handschrift einer Grundlage erfreut, wie sie nur bei sehr
wenigen Schriftstellern des Alterthums vorhanden ist, doch in neu-
erer Zeit durch die allzusehr ausgedehnte Anwendung der Conjek-
turalkritik auf manche Abwege gerathen ist, welche zu manchen
unnöthigen Aenderungen Veranlassung gegeben haben. Und wenn
unser Verf. den Werth und die Bedeutung derselben, besonders
wenn sie von so feinen und geübten Kritikern geführt wird, wie
diejenigen sind, die der Verf. zunächst im Auge hat (Haupt und
Ladewig), nicht verkennt, wenn er auch eben so wenig verkennt
die Rücksicht, die solchen älteren Handschriften zukommt, die er-
weislich einer andern Quelle entstammen, als die Mediceische Hand-
schrift, und sich daher eben so entschieden gegen Alle diejenigen
ausspricht, welche den Text des Vergil von einer einzigen Hand-
schrift abhängig machen wollen, so ist er doch auf der andern Seite
in seiner Ueberzeugung von dem Werthe und der Bedeutung, welche
eben jene Handschrift auf die Gestaltung des Textes vorzugsweise
anzusprechen hat, nicht irre geworden: er glaubt vielmehr ihr sich
stets anschliessen zu müssen „ubicunque non obstaret aliqua pro-
babilis ratio:“ so dass freilich dann manche in der neueren Zeit
vorgenommene Aenderungen als solche erscheinen, die ihre Noth-
Wendigkeit nicht in sich tragen, und eben darum als überflüssig
erscheinen, insofern die handschriftlich überlieferte Lesart genügt.
In vier Abschnitte zerfällt der Jnhalt der Schrift; der erste trägt
die Aufschrift: „Pro codicum optimorum , Mediceimaxime
auctor itate:a es werden eine namhafte Zahl von Vergilischen
Stellen darin behandelt, in welchen die handschriftliche Ueberlie-
ferung festzuhalten ist; aber in diese Behandlung und Erörterung
ist auch manches Andere, fast mehr gelegentlich als absichtlich ein-
geschalten, was noch besondere Beachtung verdienen muss. So tritt
der Verf. mehr als einmal Lachmann’schen Theorieen entgegen und
weist deren Unhaltbarkeit aufs Schlagendste nach und gibt uns da-
mit einen neuen Beleg, wie vorsichtig wir in der Annahme Dessen
sein müssen, was dieser allzu scharfsinnige Kritiker hier und dort,
oft mit allzu grosser Sicherheit aufgestellt oder behauptet hat: hier
wird, auch nach den hier vorliegenden Belegen, die strengste Prü-
fung zur unerlässlichen Pflicht. Eine solche Prüfung ist, um ein
Beispiel der Art anzuführen, hier S. 12 ff. der Lachmann’schen Lehre
von der Länge der Endsilbe in dem Perfect iit und seinen Com-
 
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