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menden Damen entgegen. Ihre Augen überflogen die
beiden in einfacher Trauerkleidung vor ihr ſtehenden
Geſtalten, ſie ruhten einen Augenblick mit Intereſſe
auf den angenehmen Zügen von Frau Agnes, und

reizenden Geſicht Käthchen's. Auch Marie, die erſt von
Ferne die Ankömmlinge beobachtet hatte, trat freund-
lich grüßend näher. Sie ſühlte ſich von dem Zauber,
den Käthchen's Perſönlichkeit ausſtrömte, unwillkür-
lich angezogen. ö ö
Jenny führte Frau Agnes zum Sopha und ſetzte
ſich zwiſchen ſie und Käthchen, der letzteren Hand herz-
lich in die ihre nehmend. Käthchen blickte voll inni-
gen Dankes zu ihr auf.
Es dauerte auch gar nicht lange, da hatte ſie alle
Schüchternheit der großſtädtiſchen Dame gegenüber
überwunden und die Unterhaltung floß, von Jenny
geleidet, leicht und anmuthig hin und wieder. Natür-
lich richtete ſich dieſelbe hauptſächlich auf das bevorſte-
hende Konzert. Frau Agnes und Käthchen ſprachen
ihren Dank für die ihnen überſandten Billette aus, die
ihnen noch zeitig genug zugekommen, um die beabſich-
tigte Ueberraſchung nicht zu verderben.
„Ich hoffe nur“, wandte ſich Frau Agnes an die
Schweſtern, „daß wir Sie dadurch nicht beraubt haben.“
„O nein“, entgegnete Marie in ihrer unbedachten
Weiſe — „ich wenigſtens wäre ſo wie ſo nicht in das
Konzert gegangen.“
„Weshalb nicht?“ fragte Käthchen überraſcht — ſie
konnte es nicht faſſen, wie man ein Billet zu Paul's
Konzert haben könne und es nicht benutzen wolle. In
Marie's Geſicht ſtieg ein verlegenes Roth, ſie zauderte
mit der Antwort. ö
„Meine Mutter iſt kränklich und nicht gern allein“,
nahm Jenny für die Schweſter das Wort, „eine von
uns Schweſtern bleibt daher gewöhnlich bei ihr.“
Frau Agnes nickte zuſtimmend. ö
Marie wollte die eben begangene Ungeſchleklichkeit
wieder gut machen und bemühte ſich durch die ihr ſo
ſehr zu Gebote ſtehende leichte ſprudelnde Unterhal-
tungsweiſe ihre Gäſte zu erheitern. Käthchen fragte
nach den Mitwirkenden im Konzert. Marie wußte ihr
von Jedem etwas Pikantes zu erzählen. Nur der Name
der Gräfin Landsfeld war bis jetzt noch von Nieman-
dem genannt worden. Käthchen hätte doch ſo gerne
über ſie etwas gehört. Schüchtern wandte ſie ſich end-
lich mit der direkten Frage an Jenny, ob die Gräſin
Landsfeld, bei der Paul ſo viel verkehre, ihr vielleicht
bekannt ſei? ö ö
Bei Nennung dieſes verhängnißvollen Namens ſtieg
Jenny des Blut in die Wangen. Marie ſah verlegen
zu Boden. Frau Agnes bemerkte ſogleich die Bewe-
gung der beiden Schweſtern, ſie blickte erſt fragend
auf dieſe hin und dann mit zärtlicher Sorge auf Käth-
chen, deren Auge bang und zagend an den Lippen
Jenny's hing.

Jenny war ſogleich wieder gefaßt. Sie glaubte in

dem beobachtenden Blick von Frau Agnes, in Käth-

chen 8 Bangigkeit ein Zeichen zu erblicken, daß auch u

ihr ja Paul auch geſchrieben.
ſchreibung muß die Gräfin eine ganz außerordentliche
Frau ſein“, ſagte ſie.

ihnen ſchon mißliebige Gerüchte über das Verhältni ß
Paul's zur Gräfin gedrungen waren.
vor, ſo weit es an ihr lag, dieſem Geklätſch wenig-
ſtens nicht Vorſchub zu leiſten.
dann mit inniger Freude auf dem unſchuldigen, lieb-

Sie nahm ſich

„Ich kenne die Gräfin nicht“, wandte ſie ſich da-

her in freundlich beruhigendem Ton an Käthchen;
aber man rühmt ſie als eine hochgebildete und feine
Dame, und der Verkehr in dem Hauſe der Gräfin iſt
Ihrem Bräutigam jedenfalls von großem Nutzen.“

Käthchen athmete erleichtert auf — daſſelbe hatte
„Nach Paul's Beſchrei-

„Sie werden die ſchöne Dame ja heute Abend ſe-
hen“, warf Marie ſcherzend ein — „und über die-
Richtigkeit deſſen, was Ihr Bräutigam über ſie ge-
ſchrieben, ſelbſt urtheilen können.“ ö
Hiermit lenkte die Unterhaltung wieder in den
vorigen leichten Ton ein, der peinliche Moment, den

Jenny gefürchtet, war beſſer überwunden, als ſie ge⸗—

dacht hatte. Die Sorge, die ſie vorher gehabt, begann
immer mehr zu ſchwinden, je mehr ſie die liebliche
Braut Paul's kennen lernte. Wie ſollte er ein ſo
reizvolles Geſchöpf vergeſſen, ein ſo liebevolles Herz
hintergehen können? — Um das zu befürchten, hätte
ſie Paul nicht ſo hoch ſtellen müſſen, wie ſie es in
Wahrheit that. — Die Stunden des traulichen Zu-
ſammenſeins vergingen für die Anweſenden nur zu
raſch. Jenny mußte an den Aufbruch mahnen.
Das Konzerthaus lag nicht weit von der Wohnung
des Profeſſor Stark entfernt, man entſchloß ſich zu
Fuße hinzugehen, da die Luft zwar kühl, aber friſch
und angenehm war. Eine Equipage nach der andern
rollte vor das Portal des Konzerthauſes, nur einzelne
Droſchken und wenige Fußgänger miſchten ſich unter
die eleganten Fuhrwerke der vornehmen Welt. Käth-
chen's Augen glänzten vor Freude, dies Alles galt ja
ihrem Paul! ihr Herz pochte hoch auf. Dicht in Män-
tel und Baſhliks gehüllt drängten ſich die Damen am
Arme ihrer Begleiter an ihr vorüber. Zwiſchen Jenny
und ihrer Mutter ſchritt ſie die breite Freitreppe, welche
zum Saal führt, hinauf, plötzlich blieb ſie horchend
ſtehen, eine bekannte Stimme drang in ihr Ohr —
man war in den Vorſaal gelangt, der rechts in den
Saal ſelbſt, links zu den Logen führte. Käthchen hielt
die Hand der Mutter zitternd feſt, ſie blieb an die
Wand gelehnt ſtehen und ſchaute in bebender Erwar-
tung auf die Herankommenden. — Jetzt — ja, jetzt
— er war es — ſie wollte vorgehen, auf ihn zuſtürzen,
aber plötzlich, wie von innerer Gewalt ſeſtgehalten,

blieb ſtehen, eine Leichenbläſſe hedeckte ihr Geſicht, ſie

wankte. — Ein Herr und eine Dame ſchritten Arm in
Arm in eifrigem Geſpräch e ihr vorüber. Beide
ſchienen ganz in einander verſunken die Außenwelt

(Fortſehung folgt.)

nicht zu bemerken,
 
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