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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 23.1875

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Heft 9
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https://doi.org/10.11588/diglit.62253#0241
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Hllustririe Wel 1. 243

welche sie für eine bestimmte Waare zahlen wollen, auf ein Zettel-
chen schreiben, und die Delegirtm des Stadtrathes schlagen ihnen
die Waare zu, wenn die von ihnen angegebene Stufe erreicht ist,
ohne daß ein Angebot erfolgt wäre. So geht der ganze schwierige
Handel glatt und stumm ab, buchstäblich „stumm wie ein Fisch".
Aber tausend „wißbegierige" Touristen sehen das sonderbare Gebäude,
ohne eine Ahnnng von seiner Bestimmung zu haben.

Unsere Mder.
Awölf Millionen.
(Bild S. 221.)
Die Erklärung zu dem Bilde auf Seite 221 findet der geneigte
Leser in dem Roman „Zwölf Millionen".

Anf äer Fu<lwjngä.
(Bild S. 224 und 225.)
Die Fuchsjagd, welche lange eine Domäne der Engländer ge-
wesen, hat sich nun auch nach dem Kontinent verpflanzt und der
österreichische Hof hat sie zu seinem Licblingssport erhoben. Der
Kaiser wie die Kaiserin find gleich glückliche Fuchsjäger, und die
Ebenen Ungarns bieten ein ganz vorzügliches Terrain für diesen
Sport. Eine gründlichere Bekanntschaft mit demselben zu machen,
bietet das hübsche Büchlein: „Die Rennen nnd Fuchsjagden in
England. Nach Alphonse Esquiros von Edmund Zoller (Leipzig,
Bergsou)" Gelegenheit und wir verweisen unsere sportfrenndlichen
Leser auf dasselbe. Dort finden sie des Weiten und Breiten die
großen Vorbereitungen geschildert, die eine Fuchsjagd erfordert,
finden sie das große Jagdpersonal anfgezählt, das Terrain charak-
terisirt. Wir wollen heute davon absehen und uns sofort auf die
Jagd begeben.
Es gibt kein amüsanteres Schauspiel, als ein Fuchsjagdstell-
dichein; die warmen Händedrücke, welche zwischen den Sportsmen
ausgetanscht werden, das Schnauben der Pferde, das Klatschen
der Peitschen, das laute Gebell der Hunde, die ihre Ungeduld zu
erkennen geben, und wohl zu wissen scheinen, was ihrer harrt, —
alles Das verkündigt einen Festtag. Dieses Stelldichein (mootinZ-)
sollte im Mittelpunkt der coverte stattfinden, die man diesen
Morgen abtreiben wollte. Als wir ankamen, fanden wir eine
Gruppe Pächter nnd Jäger versammelt, von denen sich eine schöne
und junge Jägerin zu Pferde abhob, welche ein etwas extravagantes
Kostüm trug, deren Wangen jedoch von der frischen Morgenluft
und der frohen Aussicht auf eiu Lieblingsvergnügen rosig ange-
haucht waren. Die Konversation drehte sich, wie bei allen solchen
Gelegenheiten, um das Wetter, das günstig zn werden versprach:
es war weder dichter Nebel, nach heftiger Wind — die beiden
größten Feinds der Fuchsjagd. Die Pächter und Sportsmen be-
grüßten sich deßhalb auch mit jenem echt englischen tiuo mor-
niiiA!» Jeden Augenblick kamen neue Jäger; es war interessant,
sic ruhig durch die Haide heraureiten oder in ihrem rothen Kostüm
plötzlich hinter einem Gebüsch hervorkommen zu sehen.
Endlich erschien der Sqnire; er war ein Mann von sechzig
Jahren, aber noch sehr frisch, und seine noblen und freundlichen
Manieren zeigten deutlich, welches Vergnügen es ihm mache, An-
dern ein solches Jagdvergnügen zu bereuen. Mein Freund wollte
mich ihm vorstellen. „Er ist ein excentrischer Mann," sagte er
zu mir; „aber er liebt die Fremden und liest sehr viel; er wird
Sic daher freundlich aufnehmen." Er bot mir auch wirklich die
Hand mit jener echt englischen Offenheit und Herzlichkeit, die ich
aller ceremoniellen Höflichkeit vorziehe. Nach den üblichen Begrü-
ßungen und einigen Scherzen, die man nicht übersetzen kann und
über die auch nur eiu Engländer lacht, übernahm der Squire den
Befehl der Armee. Auf einen Wink und ein Wort, das er an
den Jäger (IruiwLinrm) richtete, wurden die Hunde, die man bis-
her nur mit der Peitsche im Zaume gehalten, losgelasscn. Der
Ort des Schauspiels entsprach aber keineswegs der Idee, die mau
sich von einem berasten Jagdterrain macht; der Boden war weit
und breit nur mit magerem, dürrem Grase bewachsen, auf dem
man ohne Zweifel hatte Esel und Gänse Waiden lassen; da und
dort erhob sich allerdings in diesen Steppen ein dichtes Gesträuch,
undurchdringliches Haidekraut, fest verwachsenes Gebüsch von
Disteln nnd Wälder von dornigem Ginster, die eine gewisse Höhe
erreichten, aber nicht genug, um Schatten zu werfen. In diesen
Gebüschen galt es nun, den Fuchs aufzuspüren. Der Huntsman
hatte den Hunden das Signal gegeben, indem er rief: Harle in!
lrarlc in! tlloro llo^s! Man munterte sic dadurch auf, die Ohren
zu spitzen. ,
Das Covert bot eiu ganz ungewöhnliches Schauspiel. Jedes
Gebüsch, ja jedes Blatt bewegte sich, als wenn es von einem ge-
heimnißvollen Geiste belebt wäre. Man kann mit den Engländern
sagen, die ganze düstere Haide lebte. Diese Illusion wurde, wie
man sich denken kann, durch die Hunde hervorgebracht, welche bei-
nahe unsichtbar geworden, aber die todten Halme bewegten, die
Zweige schüttelten und das Gras selbst zittern machten. Von
Zeit zu Zeit zeigten sie sich jedoch und ihr weißes und schwarz-
geflecktes Fell koutrastirte dann lebhaft mit der fahlen Farbe des
Grases und Strauchwerks. All' die Hunde legten eine bewunde-
rungswürdige Geduld an den Tag, und wußten sich an den engsten
Stellen durchzuzwängen. Der Huntsman feuerte sie freilich durch
Stimme, Gesten und Beispiel an. Er nannte sie alle beim Namen
und sprach eine völlig neue Sprache mit ihnen, die sie indcß sehr-
gut zn verstehen schienen. Tiefes Schweigen herrschte unter den
Jägern.
Plötzlich hörte man ein Gebell, dumpf wie das eines Hundes,
der schläft, aus einem dichten Gebüsch hervor; auf diese Aufforde-
rung (elmll6n§6) antworteten andere Hundestimmen wie ebensoviel
Echos, und dann folgten deutlich Töne. Dieses Gebell, nament-
lich das letztere, verkündete, daß der Fuchs gefunden sei. Jetzt
galt es, ihn aus seiner Verschanzung herauszutreiben; das war das
Werk weniger Minuten. i'ullz--llo! taH)--llo! Z-ons (da
ist er, fort! Hunde, packt ihn!) rief der erste Whipper-in in einem
Tone, der nicht zu beschreiben ist; der Huntsman bläst in das
Horn, die zerstreuten Hunde sammeln sich, und alle Jäger, die

Sporen eingedrückt, galoppiren davon. Jetzt erst beginnt die wirk-
liche Jagd.
Das war ein Rufen und ein Durcheinander von Pferden, Men-
schen und Hunden, daß Einem förmlich schwindlig wurde. Die
Meute namentlich entwickelte einen bewunderungswürdigen Eifer,
Muth und Gehorsam; es war interessant, zu sehen, wie die Hunde
immer wieder in Reih' und Glied zurückgiugeu, oft bis unter die
Füße der Pferde, trotz der Gefahr, zertreten zu werden, und bald war
die Ordnung wiederhergestellt, trotz der Heißgier der Hunde. Dee-
Squire befahl, sich etwas zu mäßigen, aber nun zeigte sich eine
andere Schwierigkeit. Ich hatte gehofft, der verfolgte Fuchs werde
uns über eine schöne offene Ebene führen, die sich zur Rechten vor
uuS ausbreitete. In seiner Bosheit hütete er sich wohl, uns diesen
Gefallen zu thun, und führte uns im Gegcntheil auf ein unebenes,
jeden Augenblick von Hecken, Gesträuchen und Gräben coupirtes
Terrain, wo er wahrscheinlich den Saum eines Waldes zn erreichen
hoffte. Diese Hindernisse überwanden die Hunde mit kühnen
Sätzen, manche stürzten dabei in die Grüben und kugelten sich,
aber schon im nächsten Augenblicke waren sie wieder auf den
Beinen. Ihrem Beispiele folgten die Pferde und Reiter, welche
wie Eichhörnchen über alle Zäune setzten. Wer nicht daran ge-
wöhnt ist, kann jeden Augenblick den Hals brechen. Glücklicher-
weise öffneten einige Kinder, von dem Trinkgeld gelockt, die höl-
zernen Barrieren, welche die Güter scheiden, um die ungeschickteren
Reiter durchzulassen. Ich schloß mich sogleich diesen an, denn
Alles, was ich bei einem solchen Terrain und einem solchen un-
gestümen Ritte thun konnte, war, mich im Sattel zu halten. Das
Pferd, das mein Freund, der Sportsman, mir für diese Gelegen-
heit geliehen, war sanft wie ein Schaf, aber es hatte zn viel von
der Natur der Schafe des Panurgos in sich, denn als es die
anderen setzen sah, wollte es immer selbst auch setzen.
Ich hatte freilich, um mich zu ermuthigen, das Beispiel eines
dicken Pächters vor mir, der, trotz seines Gewichtes, nichts zu
fürchten schien; er flog bei jeder Krafttour, die sein Pferd machte,
auf eine erschreckende Art im Sattel, und sank dann mit der ganzen
Schwere wieder zurück. Obgleich etwas entfernt von der Avantgarde
der Jäger, entging mir doch kein wesentliches Moment. Ich sah
die Hunde auf eine Anhöhe laufen; ihre Zungen, die wie rothe
Lappen im Winde schwankten, zeigten, wie der Blutdurst mit der
Müdigkeit rang. Plötzlich hielten sie inne; die Bewegung ihrer
Ruthen verrietst ihre Unruhe, den Fuchs verloren zu haben. Der
Huntsman veränderte im Einverständniß mit den Whippers-in
die Richtung der Meute, wodurch die Jagd wieder mehr auf meine
Seite kam. In dem Augenblicke, da die Jäger auf's Neue über
die Hindernisse setzten, die sie kaum hinter sich gelassen, sah ich
ganz deutlich in der Entfernung einen der Sportsmen in den
Graben fallen, über den er gerade setzen wollte, und da ich nicht
bemerkte, daß er sich wieder erhob, so war anzunehmen, daß er
eine schwere Verwundung erlitten. Ich machte einen meiner
Nebenreitenden darauf aufmerksam; er that jedoch, als ob er mich
nicht hörte. Auf der Fuchsjagd hält man sich nicht mit solchen
Lappalien auf.
Da das Terrain, auf welchem wir uns jetzt befanden, eine
große Ebene war, so ließ ich meinem Pferde mehr die Zügel, das
nun in vollem Galopp die andern Pferde cinholte, mit denen cs
nicht übel Lust zu haben schien, seine Kräfte zu messen. Die
Landschaft, so im Galopp eines Hunter gesehen, bietet einen eigen-
thümlichen Anblick mit ihren entblätterten Bäumen, die wie Phan-
tome an uns vorüberziehen, mit ihren Zigeuncrgruppen, die sich
auf den Anhöhen gegenseitig zurufen und sich mit dem Finger die
Richtung des Fuchses zeigen; dann hie und da ein Wirth, der mit
strahlendem Gesichte am Wege erscheint, in der Hoffnung, er werde
in der Nähe erlegt (was ihn fein Ale und seinen Branntwein an
den Mann bringen ließe), oder einer der Jäger breche sich im
nächsten Grase eine Rippe.
„Vorwärts! vorwärts!" hörte ich in meinen Ohren klingen;
„der Fuchs müßte dießmal Glück haben, wenn er entkäme, die
Hunde sind ihm auf den Fersen. Packt ihn, packt ihn!" —
Die Meute schien wirklich ihre Kräfte zu verdoppeln; sie fürch-
tete offenbar den Verlust ihres Feindes. Die Jäger drückten den
Pferden ihre Sporen in die Weichen, die Peitschen klatschten, die
Pferde dampften und schnaubten. Ich sah mich plötzlich den
Trümmern einer Mauer gegenüber, hinter der ein Obstgarten lag;
die ganze Bande der Jäger war verschwunden; ich hörte jedoch
einen großen Lärm von durcheinander rufenden Stimmen und ein
Krachen von Zweigen, woraus ich schloß, daß die Pferde in einem
Moment die verfallenen Theile der Malier übersprungen hatten.
Da ich mir nicht Kraft genug zutraute, das Gleiche zu thun, so
suchte ich einen Umweg, nm mich auf den Schauplatz zu begeben.
Als ich an Ort und Stelle kam, hatten die Hunde gerade den
Fuchs abgethan und der Ruf: «ivüo — -lvlloop!» ertönte von
allen Seiten.
Der Huntsman war vom Pferde gesprungen. Nachdem er die
Standarte (brrwll) des Fuchses abgeschuitten, welche man als
Schmuck aufbewahrt, hob er das Thier, das er mit beiden Händen
an den Läufen hielt, in die Höhe. Bei dem Anblicke dieser Trophäe
erhob sich unter den Jägern ein lautes Freudcngeschrei; mit den
Hunden war es jedoch ganz anders. Im Kreise um den Hunts-
man versammelt, stießen sie das heftige Gebell ans, das von ihrer
Gier zeugte. Nachdem der Huntsman den Fuchs eine Zeitlang
balancirt hatte, warf er ihn mitten unter die Hunde hinein, die
ihn in einem Augenblick zerrissen hatten; jeder wollte seinen Theil
davon haben. Die Gier, welche die 1ox-üounä8 auf das Fleisch
eines Thieres haben, das zu ihrer Familie gehörte, muß die Na-
turforscher befremden. Vielleicht gleichen sie gewissen Kannibalen,
welche, ohne den Menschen zu ihrer gewöhnlichen Nahrung zn
machen, nach dem Kampfe großen Geschmack an dem Fleisch ihrer
Feinde finden. Die Jagd war zu Ende; der Squire verabschiedete
die Pächter und einen Theil der Jäger mit einer freundlichen
Handbewegung, welche sagen zu wollen schien: „Jedermann hat
seine Pflicht gethan."

Nebesfrüllling.
(Bild S. 229.)
Als Elise noch auf den Stoppeln die Gänse hütete, das war
vor drei Jahren, fand sie, daß Hans, der oft in ihrer Nähe zu
thun hatte, — er besorgte die drei Schafe seines Vaters, — doch von
allen Buben im Dorf der gutmüthigste sei. Er warf nie heim-
lich mit Steinchen nach ihren Gänsen, daß diese erschreckt auf-

fuhren und davonlicfen, er lachte sie nie aus und spottete nicht
roh über ihre häufig sehr blau gefrorenen Backen. Hans
war ein guter Junge, der ab und zu sogar seine größte Kost-
barkeit, das dicke Bnttcrbrod, mit Elise theilte, so daß sie ein
Drittheil bekam. Mehr zu geben konnte der sehr appetitbegabte
Hans doch nicht über sich gewinnen. Elise war aber auch damit
höchst zufrieden und nahm sich im Herzen vor, gegen Hans recht
freundlich zu sein. Allmälig ward aus diesem Vorsatz bei ihr eine
höchst angenehme Gewohnheit und aus der Gewohnheit eine Art
Bedürfnis;, sie war nicht heiter, wenn sie Hans nicht wenigstens
freundlich grüßen konnte. Und Hans ließ sich diese Freundlichkeit
ausnehmend gern gefallen und gestand sich, daß Elise ein recht
ordentliches Mädchen sei. So verging ein Sommer und ein Winter
und wieder ein Sommer und ein Winter, und als es jetzt Früh-
ling ward nnd Hans die Bäume knospen, die Blumen und Blü-
ten weit umher keimen nnd sprossen sah, die Vögel jubilirten und
von dem lachend blauen Himmel das schönste Sonnengold auf Feld
und Hain heruiederfloß, sah ganz seltsamer Weise Hans sich oft
nach Elise nm, cs war ihm, als müßte er das, als triebe ihn die
Frühlingspracht selbst dazu, und während im vorigen Sommer
noch Elise häufig bald da, bald dort war, wenn Hans an sie
dachte, so war jetzt dieses blonde Mädchen auf ganz wunderbare
Weise immer in der Nähe, wenn Hans sich nach ihr umsah. Sie
blickte auch fast immer Hans in seine grauen Augen und in ihren
Augen leuchtete etwas, das Hansen an den Frühling umher er-
innerte. Eines Tages hatte Hans nun den Schafstall seines
Vaters, der jetzt schon zwanzig Fettschwänze enthielt, gründlich
sauber gemacht. Er wischte sich die Stirn, setzte sich auf den
Futterkasten, um einige Augenblicke zu verschnaufen. So wie er
dasaß, siel sein Blick auf die lachende Wiese draußen und wun-
derbarer Weise dachte er auch gleich au Elise, und als ob Heinzel-
männchen dabei im Spiele wären, Plötzlich tauchte Elise mit einem
Korb Gemüse am Hag hinten auf, sie schritt am Stall vorbei; als
sie aber Hans ganz zufällig auf der Kiste sitzen und sich verschnau-
fen sah, fühlte sie Lust, ein paar Worte mit ihm zu reden. Sie
hatte ganz durch Zufall eine schöne Rose auf ihren Kohlrabi
liegen, Hansens Blicke fielen auf die Blume und Elise nahm sie
einen Augenblick zwischen ihre kleinen Finger. „Eine hübsche
Rose, Hans, nicht?" flüsterte sie, als ob das ein großes Geheimnis;
wäre. „Ja," brachte Haus sehr schüchtern heraus, und so leise, als
ob es der Zusage zu eiuer Brandstiftung gelte. „Willst Du sie
haben?" zischelte Elise und ihre Hand faßte die Blume auffalltnd
unruhig fest. Haus nickte freundlichst — „Du?" und Elise be-
festigte die Blume ihm in's Knopfloch. Dabei sah sie Hans an
und weinte und Hans Elise und weinte, und seit dieser Zeit
wissen Hans nnd Elise genau, daß sie im Frühling ihres Lebens
stehen und sich sehr, sehr lieb haben. Diese kleine Dorfgeschichte
erzählt uns auf eben so lebenswahre wie anmuthige Weise das
Genrebild des Malers I. P. Rebert, das wir in gelungener Repro-
duktion heute unfern Lesern vorführcn.

Weiknackten in einer Kircke in Kom.
(Bild S. 233.)
Je weiter man nach dem Süden kommt, um so ausgesprochener
ist der bilderreiche Kultus des Katholizismus ausgeprägt. Schon
in München hat man eine Vorahnung, wie eigentlich in Rom, im
Herzen des Niesen dieser Konfession, die katholischen Feste aukgc-
stattet sein möchten. Schon in München wird das Weihuachtsfest
durch Schaustellungen in den Kirchen gefeiert, die ebenso anziehend wie
sinurcich und das Gcmüth ergreifend sind. Dort findet man in den Krip-
pen mancher Kirchen eine Darstellung der Geburt Christi, die in plasti-
schen Dekorationsstücken die biblische Erzählung vor Augen stellt. Die
Erleuchtung durch weiße und bunte Lampen, die Menge der Andäch-
tigen, die lebhafte Theilnahme der Kinder an dem hübschen Werke
machen einen eben so feierlichen wie heitern Eindruck. Dieß ist aber
jenseits der Alpen, in Italien, je mehr nach dem Süden zu, um
so entschiedener gesteigert bis zu einem Grade, der an unsere profanen
Weihnachtsausstelluugen lebhaft erinnert. In fast allen Kirchen
finden sich solche Krippen, welche häufig wahre Kunstwerke ihrer
Art in den lebhaftesten Farben sind und, dramatisch lebendig durch
ihre Figuren verkörpert, an und für sich schon Alt und Jung an-
ziehen und fesseln. Da gibt cs denn zu sehen, wie unsere Illu-
stration solch' eine „reiche Krippe" in einer Kirche Noms zeigt.
Erstens ein treu der Natur Hochgebildetes Stück Bethlehems. In
einer Höhle liegt inmitten der Kühe und Kälber das Christkind-
lein in der Krippe, es fehlen hiebei natürlich nicht die Mutter-
Maria und Joseph mit ihrem goldenen Heiligenschein und auch
nicht die Hirten; dann sieht man auch schon die heiligen drei Kö-
nige angezogen kommen und mancherlei symbolische und lebens-
volle Gruppen des alttestamentlichen Volkslebens. Auch Judas
pflegt mit seinem Sündengeld sichtbar zu sein und über all' diesem
erhebt sich dann das strahlende Krenz. In den Nischen, wo diese
Krippen aufgestellt sind, entfaltet sich ein sehr interessantes Kirchcn-
besuchsleben. Kinder, Greise, Mädchen, Frauen, fremde Touristen,
Hirten der Campagna, Alles umsteht, theils inbrünstig betend, theils
staunend oder sich nur neugierig die schönen Krippen ansehcnd, das
erleuchtete Werk, und die Gesichter und das naive Benehmen des
italienischen niedern Volkes, das mit Vorliebe diese Krippen besucht,
machen diese Festzeit zu einer der interessantesten des italienischen
Kirchenlebens.

Wintervergnügen im 8ommer.
(Bild S. 237.)
Zum ersten Mal erfuhren wir hier in Deutschland etwas von
Schlittschuhlaufen ohne Eis durch eine Oper, nämlich durch Meyer-
bcer's Propheten, in welchem ein Eistanz auf Schlittschuhen eine
neue originelle Modifikation des Ballets erscheint. Die Bühne war
damals mit einem weißen Friesteppich belegt und die Bewegungen
der Laufenden schienen ebenso leicht wie,mühelos ausgeführt. Dieß
Schlittschuhlaufen war aber keine Erfindung der pariser Ballet-
meister. Sie stammt, wie all' Dergleichen, was zuerst fast komisch
erscheint in der Seltsamkeit, aus Amerika. Dort hatte man schon
vor der Aufführung des Propheten Schlittschuhlaufhallen mit As-
phaltboden, wo man mit Rollenschuhen auf ähnliche Weise wie mit
Schlittschuhen auf Eis laufen konnte. Von Amerika wanderte
diese Art Wintervergnügen im Sommer nach England, nach London
 
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